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"Löwenbändiger" Renard sorgt für Ambitionen

Marokko im Porträt

"Löwenbändiger" Renard sorgt für Ambitionen

"Wenn wir nach der Vorrunde ausscheiden, wäre das eine große Enttäuschung": Marokkos Nationaltrainer Hervé Renard bei der Ankunft am Flughafen Woronesch.

"Wenn wir nach der Vorrunde ausscheiden, wäre das eine große Enttäuschung": Marokkos Nationaltrainer Hervé Renard bei der Ankunft am Flughafen Woronesch. imago

Wie Renard den Löwen neues Leben einhauchte

1998 in Frankreich scheiterten die Löwen vom Atlas ("Lions de l'Atlas"), benannt nach dem Hochgebirge, das sich quer durch Marokko, Algerien und Tunesien zieht, etwas unglücklich in der Vorrunde - trotz respektabler Leistungen in einer Gruppe mit Rekordweltmeister Brasilien (fünf Titel) und einem souveränen 3:0-Sieg gegen Schottland im letzten Vorrundenspiel.

Trainersteckbrief Renard
Renard

Renard Hervé

Spielersteckbrief Benatia
Benatia

Benatia Medhi

Spielersteckbrief Ziyech
Ziyech

Ziyech Hakim

Spielersteckbrief Harit
Harit

Harit Amine

Spielersteckbrief Belhanda
Belhanda

Belhanda Younes

Spielersteckbrief Bouhaddouz
Bouhaddouz

Bouhaddouz Aziz

Spielersteckbrief Hakimi
Hakimi

Hakimi Achraf

Auch bei den WM-Teilnahmen 1970 in Mexiko und 1994 in den USA ging es für den Afrikameister von 1976 nicht über die Gruppenphase hinaus. Nur 1986, erneut in Mexiko, erreichten die Löwen das Achtelfinale - für Coach Renard nun das Minimalziel in Russland.

Seit Februar 2016 hat der ehemalige französische Abwehrspieler, der sich als Ex-Nationaltrainer von Sambia, Angola und der Elfenbeinküste bestens im afrikanischen Fußball auskennt, das Sagen an der Seitenlinie der marokkanischen Auswahl. Das von sportlichen Enttäuschungen aus den letzten Jahren gebeutelte Land mit über 35 Millionen Einwohnern erlebt unter Renard derzeit eine neue, noch etwas ungewohnte Begeisterung für den Fußball.

Ausgelöst durch den sensationellen Finalsieg in der Qualifikation gegen die haushoch favorisierte Elfenbeinküste, die seit Jahren zu den stärksten afrikanischen Teams (zuletzt drei WM-Teilnahmen in Folge) zählt, fegte der neu entflammte Spirit die gegenüber dem Team herrschende Skepsis im Land weg und ließ alle Kritiker verstummen.

Diesen Spirit lebt Renard vor, dem es vor allem gelungen ist, aus der Mannschaft eine echte Einheit zu bilden und ihr Mentalität einzutrichtern. Wille, Einsatz und Teamgeist sind abseits von Taktik und Technik die Grundlagen des marokkanischen Spielstils, den ein hochstehendes Pressing mit Umschaltspiel und schnellen Flügelläufen, aber auch eine solide Defensivarbeit, die im Kollektiv angegangen wird, auszeichnet.

Vor dem 3:1-Sieg im Testspiel gegen Estland am vergangenen Samstag: Marokkos Nationalspieler posieren für das obligatorische Mannschaftsfoto.

Vor dem 3:1-Sieg im Testspiel gegen Estland am vergangenen Samstag: Marokkos Nationalspieler posieren für das obligatorische Mannschaftsfoto. imago

Leader Benatia, Freigeist Ziyech

Die Stars im Team sind Medhi Benatia, Kapitän und Leader, Innenverteidiger bei Juventus Turin, und Hakim Ziyech, offensiver Mittelfeldspieler von Ajax Amsterdam, den auch schon diverse Bundesligaklubs auf dem Zettel hatten.

Benatia sammelte bei der AS Rom, Bayern München und Juve viel Erfahrung auf sehr hohem Niveau und hat als Hauptstütze einen großen Einfluss auf seine Mitspieler. Keiner im aktuellen Kader hat mehr Länderspiele auf dem Buckel als der 31-jährige Abwehrroutinier (60).

Ziyech besitzt einen feinen linken Fuß, kann hervorragend antizipieren, sein Tempo geschickt variieren und agiert bevorzugt als Ballverteiler. Die Differenzen mit Renard, der den 25-Jährigen aufgrund seiner Verspieltheit zu weich fand und ihn weder für den Afrika-Cup 2017 noch für die ersten Gruppenspiele der WM-Qualifikation nominierte, sind mittlerweile beigelegt.

Bekannte Gesichter aus erster und zweiter Bundesliga

Schalke-Überflieger Amine Harit, der in seiner ersten Bundesligasaison ordentlich für Furore sorgte, lässt mit seinen Dribblings auch in Marokko die Fußballherzen höherschlagen. Der 20-jährige Zehner, der mit den Knappen in der kommenden Spielzeit Champions League spielt, könnte zuvor bei der WM schon den nächsten Schritt in seiner Entwicklung gehen und sich noch stärker ins Rampenlicht rücken.

Neben Benatia und Harit sind auch Younes Belhanda (28), der in der Rückrunde 2015/16 auf Leihbasis für Schalke auflief, und Aziz Bouhaddouz (31), der aktuell für die Kiezkicker vom FC St. Pauli aktiv ist, keine unbekannten Gesichter bei den deutschen Fans.

Doch als vielleicht größtes Talent des marokkanischen Fußballs gilt Achraf Hakimi. Der Außenverteidiger wurde in Madrid geboren, reifte bei Champions-League-Sieger Real hinter Marcelo und Daniel Carvajal, zwei der besten Außenverteidiger der Welt. 17-mal durfte der 19-jährige Hakimi vergangene Saison bei den Königlichen auf der rechten Abwehrseite ran, erzielte zwei Tore. Er ist einer von 20 Youngstern, die man im Auge haben sollte.

Marokko konnte nur 33 Prozent aller Stimmen unter sich vereinen.

Marokko konnte nur 33 Prozent aller Stimmen unter sich vereinen. imago

WM 2026 geht an "United 26"

Den Traum von der Heim-WM musste Marokko aber begraben. Bei der Wahl zur Austragung der WM 2026 im Zuge des FIFA-Kongresses am Mittwoch mussten sich die Nordafrikaner nach Stimmen klar geschlagen geben. Den Zuschlag bekam die nordamerikanische Konstellation "United 2026". Das Turnier in acht Jahren wird in Kanada, Mexiko und den USA stattfinden. Marokko scheiterte bereits mit seiner fünften Bewerbung, vorerst bleibt Südafrika 2010 der einzige afrikanische WM-Ausrichter.

Für die WM, die erstmals in drei Ländern stattfinden wird, sind bereits alle Stadien vorhanden. In dem nordafrikanischen Königreich hätten neun Arenen komplett neu errichtet werden müssen. Deshalb hatte Marokko in einem FIFA-Prüfbericht die deutlich schlechteren Noten erhalten.

kon / Hervé Penot

Spieltagsbilder Vorrunde, 1. Spieltag 2018