Bundesliga

Dardai: "Wir sind noch nicht so weit, wie alle träumen"

Hertha: Ursachenforschung innerhalb des Trainerteams

Dardai: "Wir sind noch nicht so weit, wie alle träumen"

Das Zwischentief sorgt bei ihm nicht für allzu großes Erstaunen: Hertha-Trainer Pal Dardai.

Das Zwischentief sorgt bei ihm nicht für allzu großes Erstaunen: Hertha-Trainer Pal Dardai. imago

Den Rückflug aus dem Süden der Republik hatte Dardai bereits am Sonntagabend zu Gesprächen mit einzelnen Profis genutzt: "Mehrere Spieler haben mir gesagt, dass sie spüren, dass sie vom Kopf her nach der langen Vorbereitung und der langen Saison müde sind." Aber die Fitnesswerte, die Dardai zuletzt am Freitag bei Fitnesstrainer Hendrik Kuchno abgefragt hatte, stimmen. "Das kommt mehr vom Kopf", folgerte der Ungar am Montagvormittag. "Alle haben die Ergebnisse gesehen, die Mannschaft war irgendwie verkrampft. Wir haben zehn Minuten gut gespielt und danach mit zwei Fehlpässen den Gegner eingeladen und die Richtung verloren." Herthas Begegnung bildete den Abschluss des Spieltages: Die Siege der Konkurrenten aus Bremen und Freiburg hatten die Berliner unter Druck gesetzt. "Jeder sieht, wo wir stehen", befand Dardai. "Es ist eng. 21 Punkte sind der Wunsch, dafür haben wir noch zwei Spiele Zeit."

"Es ist immer eine mentale Sache"

Auf dem Platz war die nervliche Anspannung bis auf wenige selbstsichere Phasen greifbar. "Keine vier Pässe hintereinander" habe sein Team an den Mann gebracht, bilanzierte Dardai und fand das "nicht in Ordnung". Auch Niklas Stark, der mit seiner Kopfballvorlage den späten Ausgleich durch Salomon Kalou ermöglichte, sagte: "Nach der Augsburger Führung haben wir es besser gemacht und den Rucksack abgelegt - aber ich weiß nicht, warum wir den Rucksack aufhatten."

Hertha kennt es aus den vergangenen beiden Spielzeiten, als jeweils herausragende Hinrunden gelangen, wie in einem Lauf vieles plötzlich scheinbar mühelos gelingt. "Wenn du so viele Punkte hast wie Augsburg oder unser nächster Gegner Hannover, dann spielst du frei", sagte Dardai am Montag. "Wir kennen das von uns. Als wir 31 Punkte hatten, haben wir geglänzt und die anderen hatten Schwierigkeiten. Es ist immer eine mentale Sache."

Auch am Mittwoch, wenn Hertha zum letzten Heimspiel im Jahr 2017 den überraschend starken Aufsteiger Hannover empfängt. "Die können ihre Saison krönen, wir müssen unsere retten", erklärte Dardai, der gegen 96 von seiner Mannschaft "eine andere Art und Weise" fordert: "Ballbesitz, Gegenpressing, Konterausführung - es gibt viele Dinge, in denen wir uns steigern müssen."

Keine Ausreden

An körperliche Defizite glaubt das Team nicht. "Wir waren gegen Augsburg frisch, wir haben uns unter der Woche gut gefühlt", meinte Angreifer Davie Selke. "Viele wurden am Donnerstag in der Europa League geschont. Das darf keine Ausrede sein."

Und auch die strittige Szene in der 30. Minute, als Davie Selke nach einer Balleroberung in den Strafraum zog und von Martin Hinteregger mit dem Arm weggedrückt wurde, nimmt niemand in Berlin als Ausrede. "Aus meiner Sicht brachte er mich zu Fall", meinte Selke. "Ich habe versucht, an Philipp Max vorbeizugehen. Dann kam Hinteregger von hinten, an dem war ich eigentlich schon vorbei." Nicht auf Strafstoß zu entscheiden, war dennoch nachvollziehbar.

Davie Selke und Martin Hinteregger

Trafen am Sonntag einige Male aufeinander: Davie Selke und Martin Hinteregger. imago

Die Themen am Montagmorgen waren in der internen Analyse ohnehin andere. Von acht Uhr an saßen Dardai und sein Trainerstab um die Assistenten Rainer Widmayer, Admir Hamzagic, Torwarttrainer Zsolt Petry und Fitnesstrainer Hendrik Kuchno zusammen. "Alle waren früh da, bis zum Training um zehn Uhr war dann viel Zeit", berichtete der Coach. "Und der Tag ist immer noch lang." So lang wie die Mängelliste am Abend zuvor.

Dass die Berliner zwar wie schon bei den Dienstreisen nach Freiburg (1:1) und Wolfsburg (3:3) nach einem Rückstand Comeback-Qualitäten zeigten, war positiv. "Es ist gut zu wissen, dass wir das können", sagte U-21-Europameister Stark, aber auch er wusste: "Es war ein glücklicher Punkt." Dardais kritisches und zutreffendes Fazit: "Wir haben viele wichtige Zweikämpfe gewonnen und nach vorn wenig Lösungen gefunden."

Gefährliche Tabellenkonstellation

Trotz des Punktgewinns bleibt die Tabellenkonstellation gefährlich. "Jetzt sind wir in einer Situation, in der man gewinnen muss", so der Ungar. "Wenn du am Mittwoch nicht gewinnst, stehst du an einer Stelle, die sich keiner wünscht." Im Abstiegskampf nämlich - dort, wo Dardai im Februar 2015 Hertha als Nachfolger von Jos Luhukay übernommen hatte. Klassenerhalt im ersten Jahr, Platz sieben im zweiten Jahr, Platz sechs im dritten Jahr - und jetzt kurz vor Weihnachten 2017 ein Sack voller Sorgen.

Dass nach den überraschend guten Saisonplatzierungen der Spielzeiten 2015/16 und 2016/17 nun ein Zwischentief kommt, sorgt beim Cheftrainer nicht für allzu großes Erstaunen: "Wir sind noch nicht so weit, wie alle träumen. Es gibt eine Realität, das habe ich auch letztes Jahr gesagt, auch wenn mir das keiner glauben wollte. Und die Realität für Hertha BSC ist, in einer Saison zweimal 20 Punkte zu sammeln."

Steffen Rohr/Benni Hofmann

Bilder zur Partie FC Augsburg - Hertha BSC