Aus Lille berichten Frank Linkesch und Jörg Wolfrum
Mit Norwich City hat sich Robbie Brady gerade aus der Premier League verabschiedet. Dem Abstiegsfrust folgte am Mittwochabend in Lille wohl das Tor seines Lebens. In der 85. Minute köpfte der 24-Jährige die Iren zum 1:0-Sieg gegen eine, bereits fürs Achtelfinale qualifizierte, italienische B-Elf. Der Lohn: Nach England, Wales und Nordirland stehen die Iren als viertes Team von den britischen Inseln in der Runde der besten 16 und treffen am Sonntag in Lyon auf Gastgeber Frankreich.
Europameisterschaft - Achtelfinale
Spielersteckbrief Brady
Irland - Vereinsdaten
Gründungsdatum
01.01.1921
Brady dürfte ab sofort den Status eines Volkshelden in seiner Heimat genießen. Sein Treffer verwandelte das Stade Pierre Mauroy in eine irische Partymeile. Die Fischerchöre hätten angesichts der Fangesänge wohl kapituliert. Auch deshalb rang Brady eine halbe Stunde nach Abpfiff - als von der UEFA zum "Man oft he Match" gekürter Spieler - mit seinen Worten und Emotionen. Die irischen Journalisten spendeten ihm wie auch Trainer Martin O'Neill Applaus, eine Rarität im Medien-Business und in Deutschland nur schwer vorstellbar. "Am Ende bekamen wir das Ergebnis, das wir verdienten. Wir hatten ein paar Mal Glück, aber wir haben unseren großartigen Teamspirit gezeigt und als Mannschaft hart gearbeitet", sagte Brady.
Eine Minute vor dem Siegtreffer hatte der eingewechselte Wesley Hoolahan noch die hundertprozentige Chance zur Führung vergeben. Dafür bereitete er dann Bradys Treffer vor. "Ein fantastischer Ball auf meinen Kopf, ich konnte den gar nicht verfehlen." Deshalb erntete Hoolahan auch das Lob seines Trainers: "Ich hatte kurz Angst, wir würden nicht noch solch eine Chance bekommen. Aber er hat den Kopf nicht hängen lassen." Und damit genau die irische Mentalität des "never give up" verkörpert.
Wir haben phänomenal gespielt, die Unterstützung unserer Fans hielt uns im Spiel.
Martin O'Neill
Der Nordire O'Neill ist ein ruhiger Mann mit feinsinnigem Humor. Seine Stimme scheint nur eine - sehr ruhige - Tonlage zu kennen. Dennoch war ihm anzumerken, wie sehr ihn der Auftritt seiner Mannschaft mit Stolz erfüllte. Sein Kader bietet keinen Ronaldo, Iniesta oder Özil. Aber sie spielt mit Herz und Leidenschaft. "Das war ein sehr spezieller Abend. Wir haben phänomenal gespielt, die Unterstützung unserer Fans hielt uns im Spiel. Der großartige Teamgeist ist offensichtlich", sagte der Trainer.
Nun freut er sich auf das Duell mit Frankreich. "Wir spielen gegen den Gastgeber, sie sind haushoher Favorit. Aber wir wollen so stark spielen wie heute". Denn dann, da sind sich die grünen Jungs einig, muss es das noch nicht gewesen sein. Schlusswort Brady: "Wenn wir zusammenhalten, können wir jedem weh tun, dann können wir für jedem ein starker Gegner sein." Grün ist die Hoffnung, seit Mittwochabend mehr denn je.
