Die Europäische Union plant die Einführung einer "Fairplay-Gebühr" auf Ablösesummen im Fußball und anderen Profisportarten.Dabei ist es das Ziel der EU-Kommission, "durch eine bessere und verstärkte Umverteilung einen fairen und ausgewogenen Wettbewerb zwischen den Vereinen herzustellen". Diese revolutionären Pläne sind das Ergebnis einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie einer EU-Expertengruppe für "Good Governance in Sport".
Dem Expertenkreis gehören Politiker und Fachleute der FIFA, der UEFA, der EPFL (Europäische Profi-Ligen), der ECA (European Club Association) und der internationalen Spielergewerkschaft an. Bis Dezember soll den EU-Sportministern ein abschließendes Konzept vorgelegt werden.
Der 8-Punkte-Plan sieht folgende Maßnahmen vor:
1. Die Einführung einer "Fairplay-Gebühr" auf Ablösesummen, die einen gewissen Sockelbetrag überschreiten, um die Umverteilung der Mittel von reicheren Vereinen an weniger finanzkräftige Klubs zu verbessern. Ziel der Abgabe wäre die Wiederherstellung eines ausgewogenen Wettbewerbs. Der Schwellenwert, die Höhe der Gebühr und ihr Anwendungsbereich sollten von den internationalen Fußballgremien in Absprache mit den Vereinen festgelegt werden.
2. Höhere Transparenz bei Spielertransfers, damit gewährleistet ist, dass die Vereine die Solidaritätsentschädigung erhalten und über ihre Rechte informiert sind.
3. Einführung einer Größenbegrenzung des Kaders der Vereine.
4. Regelung der Leihgabe von Spielern.
5. Klärung der Frage der Inhaberschaft Dritter an Transferrechten durch die Annahme von Regeln zum Schutz der Unversehrtheit und Freiheit von Spielerinnen und Spielern sowie der Fairness im Sport. Die Regeln sollten Investitionen in den Sport nicht unverhältnismäßig behindern und im Einklang mit den EU-Rechtsvorschriften über den freien Kapitalverkehr stehen.
6. Förderung der Umsetzung der Regeln zum finanziellen Fairplay, damit die Vereine dazu angehalten werden, ihre Ausgaben unter den Einnahmen zu halten.
7. Vereine sollten die "Schutzperiode" nicht verlängern dürfen, in der ein Spieler nicht ohne Zustimmung den Verein wechseln darf, da dies die Transfersumme in die Höhe treibt (in der Regel sind Verträge bei Spielern bis 28 Jahre drei Jahre lang geschützt, bei älteren Spielern zwei Jahre). In der Praxis würde die Umsetzung dieser Maßnahme bedeuten, dass Spieler ihren Vertrag beim aktuellen Arbeitgeber entweder jeweils nur um ein Jahr verlängern dürfen oder - bei einer längeren Bindung - jeweils am Ende einer Saison ablösefrei den Verein verlassen können.
Kommentar von Rainer Franzke
8. "Buy-out"-Klauseln in Verträgen sollten verhältnismäßig sein. Damit meint die EU-Expertengruppe, dass in Spielerverträgen keine utopischen Ablösesummen festgeschrieben werden dürfen, wenn Spieler im laufenden Vertragsverhältnis zu einem anderen Verein wechseln sollten. Ablösesummen wie die 40 Millionen Euro, die der FC Bayern München bei der Verpflichtung von Javi Martinez im Herbst 2012 an Athletic Bilbao gezahlt hat, werden als unverhältnismäßig erachtet. Diese Pläne verfolgt die EU-Kommission aus der Erkenntnis, dass sich die Zahl der Transfers im europäischen Fußball zwischen 1995 und 2011 "mehr als verdreifacht hat und die von den Vereinen gezahlten Ablösesummen im gleichen Zeitraum um das Siebenfache gestiegen sind".
Laut dieser Studie geben Europas Fußballvereine jährlich etwa drei Milliarden Euro für Transfers aus. Der neue Benchmarking-Bericht der UEFA weist dagegen nach, dass die Transferausgaben von dem Höchststand mit knapp 3,2 Milliarden Euro in der Saison 2007/08 bis zur Saison 2011/12 auf knapp 2,7 Milliarden Euro gesunken sind.
EU beklagt wachsendes Ungleichgewicht zwischen Reich und Arm
"Der größte Teil dieser Gelder konzentriert sich auf einige wenige Vereine mit den höchsten Einnahmen oder finanzkräftigen Investoren im Hintergrund", heißt es in der Studie. Daraus wird gefolgert: "Diese Entwicklung trägt nur dazu bei, das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich weiter zu verstärken, denn weniger als zwei Prozent der Transfergebühren kommen bei kleineren Vereinen oder im Amateursport an, die für die Entwicklung neuer Talente unerlässlich sind. Die Umverteilung der Mittel, mit denen die Kosten für Training und Ausbildung junger Spielerinnen und Spieler ausgeglichen werden sollte, findet nicht in ausreichendem Maße statt, so dass kleinere Vereine keine Chance haben, sich zu entwickeln und die Überlegenheit der größeren Vereine in den Wettbewerben zu beenden."
Androulla Vassiliou, die EU-Kommissarin für Sport, begründet den Handlungsbedarf so: "Die Europäische Kommission erkennt das Recht der Sportverbände an, den Spielertransfer selbst zu regeln. Unsere Studie zeigt jedoch, dass diese Regeln im Fußball derzeit nicht für ein angemessenes Gleichgewicht oder gerechte Ausgangsbedingungen in den Liga- oder Pokalwettbewerben sorgen. Wir brauchen ein Transfersystem, das zur Entwicklung aller Vereine und junger Spielerinnen und Spieler beiträgt."
Dass diese Studie einen wunden Punkt trifft, wurde schon im Januar in der kicker-Serie über die Sorgen und Nöte der Amateurvereine verdeutlicht.
Rainer Franzke