DFB-Pokal

50 Jahre Elfmeterschießen im Pokal: "Die Leute standen im Strafraum herum"

Ein Rückblick auf das erste Mal

50 Jahre Elfmeterschießen im Pokal: "Die Leute standen im Strafraum herum"

Ein Bild vom Hinspiel, das noch 2:2 endete: Schalkes Reinhard "Stan" Libuda (l.) und Wolfsburgs Dieter Thun.

Ein Bild vom Hinspiel, das noch 2:2 endete: Schalkes Reinhard "Stan" Libuda (l.) und Wolfsburgs Dieter Thun. imago images

Die Menschenmenge wird immer dichter. Mit jedem Elfmeter rücken die Zuschauer auf dem schneebedeckten Spielfeld näher an die beiden Pfosten auf der einen und an die Strafraumlinie auf der anderen Seite heran, bis sie schließlich ein undurchdringliches Oval bilden, das Torhüter und Schütze umschließt. Ein Szenario wie auf einem Bolzplatz, für heutige Verhältnisse absolut undenkbar.

Doch es handelt sich an diesem 23. Dezember 1970 um die Glückauf-Kampfbahn in Gelsenkirchen. Hier wird in jenen bitterkalten Stunden vor dem Heiligen Abend unter gleißendem Flutlicht Pokalgeschichte geschrieben. 7500 Zuschauer erleben live im Stadion das allererste Elfmeterschießen im DFB-Pokal. Der hochfavorisierte FC Schalke und der VfL Wolfsburg tragen es aus, weil sie sich im ersten Aufeinandertreffen dieser ersten Pokalrunde zehn Tage zuvor in Niedersachsen nach Verlängerung 2:2 getrennt hatten und auch im Entscheidungsrückspiel nach Toren von Ingo Eismann (VfL, 7.) und Klaus Scheer (11.) in 120 Mi-nuten keinen Sieger fanden.

Dieter Thun geht in die Geschichte ein

Dieter Thun, der den Auftakt macht und damit als erster erfolgreicher Schütze eines deutschen Pokal-Elfmeterschießens in die Geschichte eingeht, trifft als Einziger für Wolfsburg, weil in der Folge Wolf-Rüdiger Krause, Wolfgang Simon, Wolfgang Matz sowie Eismann scheitern. Bei den Königsblauen vergeben nur Hans-Jürgen Wittkamp und Heinz van Haaren. Klaus Beverungen, Klaus Fichtel und Manfred Pohlschmidt versenken den Ball im Netz.

Kurios: Obwohl Schalke nach dem Fehlversuch des fünften VfL-Schützen Matz bereits als Sieger feststeht, lässt Schiedsrichter Günter Linn den letzten der fünf Schalker Auserwählten, Pohlschmidt, noch antreten - vermutlich, weil der Spielleiter bei dieser neuartigen Entscheidungsfindung keinen Fehler machen will... Statt mit 2:1 gewinnen die Gelsenkirchener dieses denkwürdige Elfmeterschießen dann eben mit 3:1. Das Oval aus Menschen verwandelt sich in ein wildes Durcheinander im Jubelrausch.

"Die Leute sind einfach auf den Platz gerannt und standen während des Elfmeterschießens im Strafraum herum", erinnert sich Wolfsburgs damaliger Torwart Dieter Grünsch, der in der regulären Spielzeit stark unter Beschuss gestanden hatte. Doch Grünsch, dessen tadellose Leistung im kicker damals als "sehr gut" beschrieben wird, rettet sein Team ins Elfmeterschießen: "Zumindest dort hätten wir sie an diesem Tag packen können."

Heute würde da logischerweise gar nicht mehr angepfiffen. Damals hat sich niemand etwas dabei gedacht.

Dieter Burdenski

Für Dieter Burdenski, der als 20 Jahre junger S04-Keeper mit zwei erfolgreichen Paraden als erster Torwart zu einem Pokalhelden im Elfmeterschießen avancierte, sind die Ereignisse von einst "auch 50 Jahre danach noch absolut präsent". Vor allem sind ihm die irrwitzigen Begleitumstände gut in Erinnerung geblieben. Irritiert hat ihn dieses dichte Gedränge um ihn herum nicht. "Heute würde da logischerweise gar nicht mehr angepfiffen. Damals hat sich niemand etwas dabei gedacht." Bei den Elfmetern lässt der spätere Rekordspieler von Werder Bremen (444 Bundesliga-Einsätze) sein Gespür entscheiden. "Irgendwelche Erkenntnisse oder Statistiken zu den Schützen gab es damals noch nicht. Ich habe einfach rein intuitiv gehandelt", so Burdenski.

Nach einem 4:0 gegen den VfR Heilbronn und einem 1:0 gegen Rot-Weiß Oberhausen scheidet Schalke im Halbfinale gegen den 1. FC Köln mit 2:3 aus. Fast hätte es dann auch das erste Endspiel-Elfmeterschießen der Pokal-Geschichte gegeben, doch Edgar Schneider bescherte dem FC Bayern 120 Sekunden vor Ablauf der Verlängerung den 2:1-Siegtreffer.

Drei bemerkenswerte Zahlen aus 50 Jahren Elfmeterschießen:

239: So viele Elfmeterschießen gab es bislang im Pokal. Das torreichste war das 13:12 zwischen Drittligist Sandhausen und Bundesligist VfB Stuttgart im Jahr 1995. Fünfmal ging ein Finale ins Elfmeterschießen.

16: So viele Elfmeterschießen bestritt Gladbach bislang, die Borussia hat aber auch die meisten verloren (11). Die meisten gewonnen hat hingegen Rekord-Pokalsieger Bayern München (11 von 15).

3: So oft standen Sachsen Leipzig und der FC Homburg in einem Elfmeterschießen und schieden immer aus. Das Gegenteil sind Rot-Weiß Oberhausen und Tennis Borussia Berlin (dreimal gespielt, immer weiter).

Toni Lieto

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