Roy Keane ist für ausfallende Kommentare bekannt. Doch an diesem Freitagabend schimpfte der TV-Experte so sehr, dass während Tottenhams Heimspiel gegen Keanes Ex-Klub Manchester United auf der Insel zwischenzeitlich mehr über ihn als über die Partie selbst gesprochen wurde. Er sei "angewidert" und "geschockt", und de Gea habe er eh satt.
Doch der Reihe nach. ManUnited war vor der Corona-Pause elfmal hintereinander ungeschlagen geblieben, Tottenham hatte sechsmal nicht gewonnen - und so begannen beide Teams ihr erstes Spiel nach dem Premier-League-Re-Start auch: Die Gäste dominierten fast eine halbe Stunde lang und spielten selbstbewusst nach vorne. Lloris' Fußabwehr verhinderte das 0:1 gegen Rashford (22.), der erstmals seit dem 11. Januar wieder einsatzfähig war.
Bergwijn lässt Maguire und de Gea schlecht aussehen
Doch dann trafen urplötzlich die Spurs, bei denen Kane, Sissoko (für beide der erste Einsatz seit dem 1. Januar) und Son (16. Februar) ihr Comeback feierten. Nach Balleroberung von Sissoko setzte Bergwijn zum unwiderstehlichen Solo an, ging locker an Maguire vorbei und überwand de Gea, der den harten Abschluss nicht mehr entscheidend abwehren konnte (27.). Umso stärker reagierte de Gea bei Sons Kopfball vier Minuten später - eine spektakuläre Fingerspitzenparade.
Während Mourinho auch mit dem einen oder anderen hörbaren Fluch an der Seitenlinie antrieb, fand United seinen Faden im ersten Durchgang nicht mehr. Keane aber lief zur Hochform auf: "Ich bin schockiert", knurrte Uniteds Ex-Kapitän in der Halbzeitpause und meinte vor allem das Gegentor: "Ich bin entsetzt über Maguire, wie ein Nationalspieler sich so erledigen lassen kann. Und dieser Torhüter hängt mir zum Hals heraus. Ich würde ihn in der Halbzeit bestrafen!" Ja, "ich würde sie nach dem Spiel nicht mal in den Bus lassen. Nehmt ein Taxi zurück nach Manchester!"
Lloris pariert überragend - dann kommt Pogba
Doch das Spiel war ja noch nicht vorbei. Und obwohl die tiefstehenden Spurs seit ihrem Tor voll im Spiel waren und weiter so diszipliniert verteidigten, wie Mourinho das gefällt, lag der Ausgleich bald ein paar Mal in der Luft: Bruno Fernandes' Fernschuss sauste, von Lloris nur beobachtet, knapp am Pfosten vorbei (54.); Martial zwang seinen Nationalmannschaftskollegen im Spurs-Tor zu einer Weltklasse-Parade (67.). Solskjaer hatte beim hohen Schlenzer seines Angreifers schon zum Jubel angesetzt.
Vier Minuten vorher hatte der United-Trainer einen weiteren Franzosen eingewechselt: Pogba feierte nach knapp sechs Monaten sein Comeback, war gleich gut im Spiel - und schließlich am verdienten Ausgleich beteiligt. Nahe der Torauslinie versetzte er Dier, der ihn im Strafraum schließlich umstieß. Den vertretbaren Elfmeter verwandelte Bruno Fernandes souverän (81.).
Der VAR kassiert den zweiten Foulelfmeter für United
Um ein Haar hätte der Portugiese in der Schlussminute sogar nochmal antreten können: Doch der Videoassistent hatte erkannt, dass Bruno Fernandes ohne Berührung im Duell mit Dier zu Boden gegangen war, und nahm die Elfmeter-Entscheidung von Referee Jonathan Moss mit Recht zurück. Es blieb beim 1:1.
Im Kampf um einen Champions-League-Platz hilft dieser Punkt beiden Mannschaften nicht wirklich weiter. United bleibt Fünfter und vier Punkte vor den Spurs, droht aber gegenüber dem Vierten Chelsea an Boden zu verlieren (wobei auch der fünfte Platz für die Königsklasse reichen würde, sollte ManCitys Europapokal-Sperre bestehen bleiben). Wie hatte Keane zur Pause gesagt: "Wir versuchen, unter die ersten Vier zu kommen, von Titeln ganz zu schweigen. Ich bin angewidert, sie sollten sich was schämen."