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Djokovic: "Ich habe meine Nerven verloren"

Zwei große Titel und zwei große Enttäuschungen

Djokovic: "Ich habe meine Nerven verloren"

Lamentierende Nummer eins: Novak Djokovic.

Lamentierende Nummer eins: Novak Djokovic. Getty Images

1:3 lag der Titelverteidiger im vierten Satz zurück. Er ließ sich wegen Blasen an den Zehen behandeln und wirkte doch eher so, als bräuchte er eine Ganzkörperbehandlung oder ein Sauerstoffzelt. Becker schlug also die Handflächen gegeneinander und bangte und hoffte auf die Wende, auf ein Zeichen der Schwäche beim Schweizer - vergebens.

Nach knapp vier Stunden Schwerstarbeit auf dem Center Court von New York musste sich Djokovic im Endspiel der US Open dem grandios auftrumpfenden Wawrinka 7:6 (7:1), 4:6, 5:7, 3:6 geschlagen geben.

Während Wawrinka in seinem dritten Grand-Slam-Finale den dritten Titel holte und sich im Alter von 31 Jahren und fünf Monaten als ältester Champion seit Ken Rosewall vor 46 Jahren in den Siegerlisten von Flushing Meadows verewigen durfte, musste Djokovic beim vierten und letzten Tennis-Major des Jahres eine weitere Enttäuschung verkraften.

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"In den entscheidenden Momenten habe ich meine Nerven verloren. Er ist cool geblieben. Das hat das Match entschieden", analysierte Djokovic später selbstkritisch. Nach seinem grandiosen Saisonstart mit dem Sieg bei den Australian Open und French Open war schon vom Golden Slam mit weiteren Titeln in Wimbledon, den US Open und bei den Olympischen Spielen die Rede. Doch nachdem Djokovic endlich auch erstmals in Paris triumphiert hatte, begann eine für seine Verhältnisse ungewohnt lange und intensive Leidenszeit.

Beim Rasenklassiker in Wimbledon schied der 29-Jährige in der dritten Runde gegen Sam Querrey aus, bei Olympia in Rio de Janeiro war schon nach dem Auftaktmatch gegen Juan Martin del Potro Schluss, in New York war Wawrinka im entscheidenden Match wie schon bei den French Open im vorigen Juni einfach stärker. Dennoch führt Djokovic die Weltrangliste weiter mit großem Vorsprung an, und so wollte er sich das Jahr auch nicht schlechtreden lassen.

Machtverschiebungen an der Spitze

"Diese Niederlage heute kann die großartigen Momente nicht überschatten, die ich in Australien und besonders in Paris hatte", sagte Djokovic. "Zwei von vier Grand Slams zu gewinnen und in einem weiteren Finale zu stehen, ist ein ziemlich gutes Jahr." Doch ähnlich wie beim Damen-Tennis mit der Machtübernahme von Angelique Kerber deuten sich ganz zart auch bei den Herren Machtverschiebungen an.

Zwei von vier Grand Slams zu gewinnen und in einem weiteren Finale zu stehen, ist ein ziemlich gutes Jahr.

Novak Djokovic

Die einst großen Vier mit Djokovic, Roger Federer (derzeit verletzt), Andy Murray (Aus im Viertelfinale) und Rafael Nadal (Aus im Achtelfinale) sind längst nicht mehr unter sich. "Stan gehört definitiv auch zu den Top-Leuten", sagte Djokovic. Auch die Dominanz und scheinbare Unbesiegbarkeit des Becker-Schützlings ist angekratzt.

Wawrinka: Auch im Triumph erinnert er an 9/11

Von hinten drängen Jüngere wie Milos Raonic, Kei Nishikori oder Dominic Thiem, und Ältere wie Wawrinka erweisen sich als ebenbürtige Konkurrenz. "Ich bin ohne jede Erwartung oder mit dem Ziel des Titels angereist. Aber wenn ich auf den Platz gegangen bin, wollte ich jedes Match gewinnen", sagte Wawrinka und nutzte den Moment kurz vor der Siegerehrung für eine kleine emotionale Auszeit. "Wir haben uns einen großen Kampf auf dem Platz geliefert", sagte Wawrinka am 11. September 2016. "Aber es gibt Dinge, die wichtiger sind als Sport."

dpa

Bilder: Djokovics Schmerzen - Wawrinkas Momentum