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Kittel, Martin und Zakarin: Drei Kapitäne, viele Ziele bei Teamvorstellung von Katusha Alpecin

Teamvorstellung von Katusha Alpecin

Kittel, Martin und Zakarin: Drei Kapitäne, viele Ziele

War 2017 kaum zu schlagen: Marcel Kittel ist der schnellste Mann im Peloton.

War 2017 kaum zu schlagen: Marcel Kittel ist der schnellste Mann im Peloton. picture alliance

Rennen fahren, um zu gewinnen - dass die Equipe Katusha Alpecin das Motto aus der alten Saison für die neue übernimmt, hat Symbolcharakter. Kontinuität ist nunmehr Trumpf bei der vor ihrer zehnten Saison in der Worldtour stehenden Equipe, nachdem sie sich im vergangenen Jahr ein Stück weit neu erfunden hat.

Aus dem Rennstall, der einst gegründet wurde, um Russlands Radsport zu pushen, ist 2017 endgültig ein internationales Projekt geworden. Zwar ist der russische Milliardär Igor Makarov weiterhin der Besitzer, doch mit Alexander Loeb ist ein Schweizer Vorstand des Teams, dessen Sitz in Genf ist und das folglich unter eidgenössischer Flagge fährt. Dass Loeb vor gut einem Jahr mit dem in Bielefeld beheimateten Familienunternehmen Alpecin einen neuen Hauptsponsor gewinnen konnte, ist ein weiterer wegweisender Schritt in Richtung Internationalisierung gewesen. Die Teamsprache ist wie in der Worldtour üblich Englisch, allerdings nicht nur wegen Alpecin mit einem deutlich deutschen Einschlag. So haben mit dem viermaligen Zeitfahrweltmeister Tony Martin und Neuzugang Marcel Kittel (zuletzt Etixx Quick Step), bei der diesjährigen Tour de France fünfmaliger Etappensieger, zwei Aushängeschilder einen deutschen Pass.

Kittel soll Kristoff ersetzen

Letzterer soll den Abgang von Alexander Kristoff (zu UAE Team Emirates) kompensieren, der sechs Jahre lang der Sieggarant bei Katusha war. Die jüngste Saison gehörte allerdings nicht zu den besten des Norwegers: Er fuhr zwar wieder etliche Siege ein, ihm fehlten aber im Vergleich zu den Vorjahren die Erfolge bei großen Rennen. Bei der Präsentation im Robinson Club Cala Serena bedankt sich Teammanger José Azevedo zwar artig bei Kristoff für das Geleistete, ist aber zugleich zuversichtlich, dass das ansonsten von namhaften Abgängen verschont gebliebene Team stärker sein wird als zuletzt.

Martin verfehlte das Ziel bei der Tour

Erwähnt sei an dieser Stelle allerdings, dass die vergangene Saison nicht ganz nach den Vorstellungen verlief, obwohl sie mit 17 Siegen und 150 Top-Ten-Platzierungen auch keine schlechte gewesen ist. Der 3. Platz im Gesamtklassements bei der Vuelta von Ilnur Zakarin und der Tour-de-Suisse-Triumph von Simon Spilak trösteten darüber hinweg, dass es nichts wurde mit dem anvisierten großen Coup. Tony Martin sollte und wollte zum Auftakt der Tour de France in Düsseldorf beim Prolog ins Gelbe Trikot fahren - aus diesem Grund schloss sich der gebürtige Cottbuser im vergangenen Winter auch Katusha Alpecin an.

Ein Wechsel, der seiner auf die Zielgerade einbiegenden glanzvollen Karriere noch einmal einen Schub verpassen sollte. Ein Plan, der für den 32-jährigen Weltklasse-Zeitfahrer bislang nicht aufging - nicht nur wegen des 3. Platzes beim Tour-Prolog. Generell liegt hinter ihm eine Saison, die er ohne Umschweife als "ernüchternd" bezeichnet. Den Wechsel bereut er dennoch keine Sekunde. "Wir sind als Team in schneller Zeit toll zusammengewachsen. Ich fühle mich ausgesprochen wohl", so Martin, der nun sich und der Radsportwelt zeigen will, was noch wirklich in ihm steckt - und dies gleich bei den Frühjahrsklassikern, allen voran bei denen mit Kopfsteinpflaster-Passagen. Nach dem Kristoff-Abschied wird der extrem tempofeste Martin dort als Kapitän zum Zug kommen. Zudem nimmt er erstmals den Giro d’Italia und die Tour de France unter die Reifen, Etappensiege beim Zeitfahren wie auch bei Etappen mit welligem Terrain werden dann auf seiner Agenda stehen.

Stolzer Kittel hat schon ein gutes Gefühl

Apropos Siege - für die soll selbstredend auch Marcel Kittel sorgen. Der Neuzugang, mit Martin eng befreundet, kommt mit dem Etikett "weltbester Sprinter" und gilt dementsprechend als großer Hoffnungsträger. Dass sich der charismatische Blondschopf mit seinen fünf Etappensiegen bei der Tour 2017 selbst eine hohe Messlatte auferlegt und sich dementsprechend unter Druck gesetzt hat, ist für ihn kein Thema. "Ich bin erst mal stolz darauf, dass ich in der vergangenen Saison wieder auf mein altes Leitungsvermögen gekommen bin. Alleine das ist schon mal eine prima Motivation für 2018“, betont das 29-jährige Kraftpaket, das sich nach wenigen Tagen in seinem neuen Team bereits sehr wohlfühlt: "Mein erstes großes Ziel ist es nun, mit meinen neuen Kollegen zusammenzuwachsen. Ich habe aber jetzt das Gefühl, dass wir gemeinsam einiges erreichen können."

Zakarin nimmt die Tour in Angriff

Eine Kapitänsrolle nimmt auch Rundfahrer Ilnur Zakarin ein. Im Juli wird der 28-Jährige erstmals die Tour de France bestreiten - und dies nach seinem Podestplatz bei der Vuelta gewiss nicht mit dem Ziel, "nur" in Paris anzukommen. Hoffnungen setzt die Teamleitung um Azevedo auch darauf, dass die vielversprechenden deutschen Talente Rick Zabel, Marco Mathis und Nil Politt in ihrer Entwicklung den oft zitierten nächsten Schritt machen können.

Der deutsche Hauptsponsor Alpecin hat gewiss nichts dagegen, auch wenn seine Vermarktungsstrategie international angelegt ist. Vor einem Jahr beendete er deswegen auch sein Engagement bei Giant-Alpecin, das 2017 als Team Sunweb dann für Furore sorgte. Der unverändert mit einer deutschen Lizenz fahrende Rennstall gewann den Giro d'Italia (Tom Dumoulin), sicherte sich bei der Tour das gepunktete Trikot des Bergfahres (Waren Barguil) sowie das grüne des Punktbesten (Michel Matthews) und wurde bei der WM in Bergen Weltmeister im Mannschaftszeitfahren. Beim Blick aufs Ergebnistableau scheint also ein klarer Fall von verwechselt vorzuliegen - das ostwestfälische Unternehmen sieht dies jedoch ganz anders. Alpecin betont, dass es im ersten Jahr mit Katusha, das auch eine eigene Rad-Bekleidungslinie herausbringt und zudem als Spezial-Reiseveranstalter auftritt, seinen internationalen Bekanntheitsgrad hat klar steigern können.

Chris Biechele