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Kittel will Neuanfang und verzichtet auf Gehalt

Kittel will Neuanfang und verzichtet auf Gehalt

Künftig Kollegen? Tony Martin und Marcel Kittel "beschnuppern" sich.

Künftig Kollegen? Tony Martin und Marcel Kittel "beschnuppern" sich. picture alliance

Den Neuanfang lässt sich Marcel Kittel einiges kosten. Der abrupte Ausstieg beim einzigen einheimischen WorldTour-Team bringt ihn um rund eine Viertelmillion Euro Gehalt, auf das er verzichtet. Sein alter Kontrakt bei Giant-Alpecin endet vorzeitig am 31. Oktober, sein neuer Vertrag gilt ab 1. Januar 2016. Am Tag der Deutschen Einheit hatte der achtfache Tour-Etappengewinner beim 10. Münsterland-Giro zum letzten Mal das schwarz-rote Trikot seines Teams getragen. Kurz vor Ende des Rennens stieg Kittel abgeschlagen aus - ein Symptom der gesamten verkorksten Saison.

Am Montag oder Dienstag soll der neue Arbeitgeber des 27 Jahre alten Topsprinters genannt werden. Die Überraschung dürfte sich in Grenzen halten, wenn der Thüringer mit dem Sinn für extravagante Frisuren ab 2016 an der Seite seines Kumpels Tony Martin bei Etixx-Quick-Step fährt. Das nötige Kleingeld - Kittel wird auf einen Markwert von rund 1,5 Millionen taxiert - dürfte bereitliegen, nachdem Ex-Weltmeister Mark Cavendish und sein Anfahrer Mark Renshaw das belgische Team in Richtung MTN Qhubeka verlassen hatten.

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Es gab mehrere Gründe für die Trennung zwischen Giant-Alpecin und seinem einstigen Vorzeige-Profi. Zuerst steht da wohl die Nicht-Nominierung für die vergangene Tour de France wegen mangelnder Form nach einer langwierigen Viruserkrankung. Inzwischen hat wohl auch Kittel eingesehen, dass ihn das vor einer sportlichen Katastrophe bewahrte. Trotzdem war das Verhältnis zwischen beiden Parteien dadurch erheblich angeknackst, wenn nicht zerrüttet. "Es liegen harte Monate hinter mir, die emotional sehr belastend waren", teilte Kittel dazu auf seiner Homepage diplomatisch mit.

Giant-Alpecin orientiert sich neu

Team-Manager Iwan Spekenbrink sieht die Ausbootung des zweimaligen Trägers des Gelben Trikots aber nicht als Hauptursache für das Auseinandergehen. "Marcel wollte nach der verpatzten Saison mit immer neuen Rückschlägen einen Neustart. Dem haben wir zugestimmt und entließen ihn vorzeitig aus dem Vertrag - das war auch eine Art Dankeschön an ihn, für das, was er geleistet hat", erklärte der Niederländer der Deutschen Presse-Agentur. Er habe mit der Freigabe auch "im Sinne des Radsports gehandelt".

Giant-Alpecin steht vor einer Neuausrichtung: Ein weiterer Grund für Kittels Entscheidung, der ein Außenseiter-Dasein fürchtete. Nach dem starken Auftritt des Niederländers Tom Dumoulin bei der Vuelta will sich das Team bei großen Rundfahrten auch auf das Gesamtklassement konzentrieren. Mit seinen "reinen Sprintqualitäten" stellte sich die Frage, "ob meinen Ambitionen noch genügend Raum gegeben" werden. "Bei der Definition unserer Ziele sind wir nicht mehr übereingekommen", erklärte Kittel, der in dieser Saison nur einen vom Weltverband UCI gelisteten Erfolg bei der Polen-Rundfahrt verbuchen konnte.

Leidensweg begann mit verschleppter Krankheit

Sein Leidensweg hatte nach der Tour Down Under in Australien begonnen. Kittel verschleppte die Krankheit, trainierte falsch und beschwerte sich über mangelnde Unterstützung durch sein Team. Der 2013 und 2014 in Massensprints fast unbesiegbar wirkende Supersprinter kam 2015 nie richtig auf die Beine. Jetzt nutzte er die Gelegenheit für einen "frischen Start ins Jahr 2016" und versprach seinen Fans: "Es wird wieder Grund zum Jubeln geben". Beim Aufzählen seiner Trennungsgründe wählte er auf seiner Homepage die Überschrift: "Der Weg ist frei".

Die deutschen Farben bei Giant-Alpecin vertreten weiterhin John Degenkolb und Tour-Etappensieger Simon Geschke. Allerdings sieht Klassikerjäger Degenkolb der kommenden Saison offenbar auch mit etwas gemischten Gefühlen entgegen - er verzichtete jedenfalls auf die Verlängerung seines Vertrages über 2016 hinaus.

dpa