Die größte Schwierigkeit des ersten Tagesabschnitts musste bereits in der Neutralisation überwunden werden. Die rund vier Kilometer lange Passage du Gois, eine Straße, die nur bei Ebbe passierbar ist, erforderte von den Fahrern die volle Aufmerksamkeit. Alle kamen gut darüber hinweg, außer André Greipel. Der OmegaPharma-Lotto-Sprinter stürzte, konnte aber ohne größere Blessuren die Fahrt fortsetzen. Ein gelungenes Debüt schaut aber dennoch anders aus.
Etwa eine Viertelstunde war bei der 98. Tour de France dann nach dem scharfen Start absolviert, und eine erste Ausreißergruppe hatte sich gefunden. Der Niederländer Lieuwe Westra (Vacansoleil) sowie die beiden Franzosen Jeremy Roy (Fdjeux) und Perrig Quemeneur (Europacar) konnten sich vom Hauptfeld absetzen.
Über sechs Minuten Vorsprung konnten die drei Führenden zwischenzeitlich herausfahren. Auf der ebenen Strecke war aber ihr Scheitern vorprogrammiert. Und so kam es dann auch. Als das Hauptfeld das Tempo anzog, war es um die Ausreißer geschehen. Rund 19 Kilometer vor dem Ziel wurde das Trio wieder eingeholt.
Das Peloton fuhr anschließend geschlossen dem Feld entgegen. Dann aber sorgte ein Sturz für Aufregung. Denn zu den Opfern gehörte mit Contador (SaxoBank-SunGard) auch der Titelverteidiger und Topfavorit. Der Spanier verlor im Chaos wertvolle Zeit. Am Ende kam er mit 1:20 Minuten Rückstand ins Ziel.
Den gleichen Rückstand wiesen Ivan Basso (Liquigas) und Levi Leipheimer (RadioShack) auf, für Bradley Wiggins (Sky) wurden gar 1:29 Min. notiert.
Kurze Zeit später erwischte es dann auch Contadors vermeintlichen Hauptrivalen Andy Schleck (Leopard-Trek). Der Luxemburger stürzte allerdings innerhalb der Drei-Kilometer-Grenze, der letztjährige Zweite wurde mit sechs Sekunden Rückstand gewertet und hat nun Contador unverhofft distanziert.
"Es wäre zynisch und bescheuert, zu behaupten, dass so etwas ein Vorteil ist. Man möchte das Rennen nicht durch den Sturz eines anderen gewinnen. Natürlich wird es für Contador jetzt schwerer", kommentierte Schlecks Teamkollege Jens Voigt, mit 39 Jahren ältester Fahrer im Feld.
Deutsche Fahrer waren nicht in den Sturz verwickelt oder kamen glimpflich davon. so auch Martin (HTC-Highroad) und Klöden (RadioShack), die sich beide an der Spitze des Feldes positioniert hatten.
Die Entscheidung fiel dann auf den letzten Metern. Auf der ansteigenden Zielgeraden eröffnete Fabian Cancellara (Leopard-Trek) den Kampf um den Sieg. Gilbert konterte aber, schloss zu dem Schweizer auf und holte sich in 4:41,31 Stunden souverän seinen ersten Tagessieg bei der Tour de France. Der belgische Klassikerjäger, in seiner Heimat spätestens nach seinem "Ardennen-Triple" im Frühjahr ein Volksheld, wird am Sonntag auf der zweiten Etappe das Gelbe Trikot des Gesamtführenden überstreifen.
"Ich wusste, dass ich heute eine gute Gelegenheit habe. Das hat mich motiviert", sagte Gilbert. Die eigentlichen Sprinter wie Greipel, sein Intimfeind Mark Cavendish (HTC-Highroad), Tyler Farrar (Garmin-Cerelo) oder Alessandro Petacchi (Lampre) hatten keine Chance.
Allerdings wird er dieses wohl darüber hinaus nicht behalten können. Denn auf der 2. Etappe steht das Mannschafts-Zeitfahren über 23 Kilometer rund um Les Essarts auf dem Programm. Und die belgische Equipe zählt nicht gerade zu den Spezialisten in dieser Disziplin. Favorisiert sind die "üblichen Verdächtigen": Besonders hoch gehandelt werden Leopard-Trek, HTC-Highroad, Saxo Bank-SunGard sowie Garmin-Cervelo.