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Hartings Kritik für Bach "nicht akzeptable Entgleisung"

Olympiasieger und IOC-Präsident liefern sich Schlagabtausch

Hartings Kritik für Bach "nicht akzeptable Entgleisung"

Robert Harting "schämt" sich für Thomas Bach - der bezeichnet dessen Beleidigungen als "nicht hinnehmbar".

Robert Harting "schämt" sich für Thomas Bach - der bezeichnet dessen Beleidigungen als "nicht hinnehmbar". picture alliance

IOC-Präsident Thomas Bach hat den Verzicht auf einen Komplett-Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen verteidigt und die scharfe Wortwahl seines Kritikers Robert Harting gegeißelt. "Es ist eine nicht akzeptable Entgleisung, wenn man jemanden, der nicht der eigenen Meinung ist, in derartiger Art und Weise beleidigt", sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees am Dienstag in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Eine derartige Beleidigung bewertete er als "nicht hinnehmbar".

Das IOC hatte das russische Team trotz dokumentierten Staatsdopings unter anderem bei den Winterspielen von Sotschi 2014 nicht komplett von den Rio-Spielen ausgeschlossen, sondern die Entscheidung über russische Starter in den einzelnen Sportarten an die Fachverbände delegiert . Daraufhin hatte das IOC international heftige Kritik - geäußert vor allem von Anti-Doping-Kämpfern und diversen Sportlern - einstecken müssen.

Auch London-Olympiasieger Harting reagierte mit viel Unverständnis. Er gab dem IOC-Chef die Hauptschuld an der umstrittenen Entscheidung. Der deutsche Diskus-Star sagte in Kienbaum in Bachs Richtung: "Er ist für mich Teil des Dopings-Systems, nicht des Anti-Doping-Systems. Ich persönlich verabscheue diesen Menschen mehr denn je und schäme mich sehr stark dafür, dass ich in indirekter Situation am Gleichen mit ihm arbeite." Das IOC habe mit Bach an der Spitze "eine neue Enttäuschungsdimension erreicht", meinte Harting.

Bach verteidigt IOC-Entscheidung

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Der gescholtene Bach betonte hingegen, die Entscheidung sei "ausgewogen" und von etlichen Nationalen Olympischen Komitees für gut befunden worden. "Das IOC hatte eine schwierige Entscheidung zu treffen. Wir mussten entscheiden zwischen der Bestrafung eines Systems und der Frage, inwieweit man Athleten für ein solches System verantwortlich machen kann", kommentierte er.

Er setze sich für umfangreichste Reformen im Anti-Doping-System Russlands ein, beteuerte der mächtige Sportpolitiker erneut. "Es steht außer jeder Frage, dass das System an sich aufs Härteste bestraft werden muss", urteilte Bach. "Hier haben wir erste Maßnahmen ergriffen, indem zum Beispiel kein Mitglied des russischen Sportministeriums, beim Minister angefangen, eine Akkreditierung für die Olympischen Spiele erhält."

Der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA gab Bach eine Mitverantwortung daran, dass das russische Staatsdoping so lange nicht aufflog. "Ich will hier keine Schuldzuweisungen vornehmen. Aber ich glaube, man muss darauf hinweisen können, dass die ganze Problematik hätte vermieden werden können, wenn die WADA im Jahr 2010 den entsprechenden Hinweisen von Herrn Stepanow (Ehemann und Trainer der russischen Whistleblowerin Julia Stepanowa, Anm. d. Red) nachgegangen wäre", kommentierte Bach.

Diskussion um Stepanowas Ausschluss

Dass Whistleblowerin Julia Stepanowa keine Startberichtigung für Rio erhalten hatte, sei regelkonform, sagte Bach. Immerhin sei die Leichtathletin selber fünf Jahre lang Teil der russischen Doping-Maschinerie gewesen, sie habe "aktiv mitgewirkt in diesem System". Erst, als der Schutz des Systems nicht mehr funktioniert habe, habe die Sportlerin ihre Informationen preisgegeben und sei an die Öffentlichkeit gegangen. "All das zusammen hat die Ethikkommission bewogen, uns den Rat zu geben, dass aus ethischer Sicht diese Situation nicht ausreicht, um eine Ausnahme von der olympischen Charta zu erwirken", sagte Bach.

NADA erneuert Kritik am IOC: "Absolutes Entsetzen"

Die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA kritisierte die Entscheidung des IOC indes erneut scharf. "So wie jetzt entschieden wurde, passt das nicht zur Null-Toleranz-Politik des IOC. Da ist eine große Chance verpasst worden", sagte die NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch). Auch bei den Anti-Doping-Agenturen anderer Länder herrsche vor den Sommerspielen von Rio de Janeiro "absolutes Entsetzen".

Die Entscheidung des IOC sei ein Rückschlag für saubere Athleten, argumentierte Gotzmann. Diese würden sich fragen, "was muss passieren, bevor harte Konsequenzen gezogen werden? Russland ist ja nicht das einzige Land, in dem es nicht so läuft, wie wir uns das wünschen."

Auch dass das IOC der russischen Whistleblowerin Stepanowa eine Olympia-Starterlaubnis verwehrte, kritisiert Gotzmann deutlich. "Diese Entscheidung ist sehr, sehr schade. Die Whistleblower brauchen wir, die muss man ermuntern, ihr Wissen preiszugeben. Dass hier zweierlei ethisch-moralische Maßstäbe angelegt werden, finde ich bedenklich."

dpa