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Schaffelhuber: "Meine Regeneration fand am Schreibtisch statt"

Sport-Stipendiat des Jahres: Bewerberin Anna Schaffelhuber

Schaffelhuber: "Meine Regeneration fand am Schreibtisch statt"

Kandidatin für den Sport-Stipendiat des Jahres 2017: Anna Schaffelhuber.

Kandidatin für den Sport-Stipendiat des Jahres 2017: Anna Schaffelhuber. Ralf Kuckuck / DBS-Akademie

Frage: Anna, der Spruch "Wintersportler werden im Sommer gemacht" ist ein alter Klassiker. Wann hat denn bei dir die Vorbereitung auf die Paralympics 2018 begonnen?

Anna Schaffelhuber: Eigentlich sogar schon im Januar direkt nach der Weltmeisterschaft. Das Großereignis war Geschichte und damit ging der Fokus auf die nächste Saison. Ich habe einige Dinge ausprobiert, was meinen Monoski betrifft, und habe auch im Studium die Weichen gestellt, um mich voll auf Pyeongchang konzentrieren zu können.

Frage: Was ist anders vor einer paralympischen Saison?

Schaffelhuber: Die Herangehensweise ist anders. Es war schon in den vergangenen Jahren alles ausgerichtet auf Südkorea. Jetzt steht es unmittelbar vor der Tür, und man wird schon etwas angespannter. Dazu kommen dann auch immer mehr Medientermine oder andere Anfragen. Gerade war ich zum Beispiel für eine ARD-Dokumentation eine Woche mit Peter Schlickenrieder unterwegs. Wir haben eine Alpenüberquerung zu Land, Luft und Wasser gemacht, woraus ein schöner Film entstehen sollte. Ähnliches hat er im Vorjahr schon mit Laura Dahlmeier gemacht, das kam sehr gut an.

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Frage: Wie bist du bei einer Alpenüberquerung unterwegs?

Schaffelhuber: Zu Wasser mit dem Rafting-Boot, zu Land mit dem Handbike und in der Luft mit dem Paraglider. Wir hatten eine schöne Route ausgewählt, sind aber auch immer mal wieder einfach querfeldein abgebogen.

Frage: Du bist letztes Jahr sportlich etwas kürzer getreten, hast dennoch am Ende deine erfolgreichste Weltcup-Saison absolviert. Wie ist das zu erklären?

Schaffelhuber: Gute Frage. Ich habe ja grundsätzlich schon normal trainiert, mir aber trotzdem einige Freiheiten genommen. Vor allem war ich im Weltcup entspannter. Ich hatte nicht die absolute Anspannung bei jedem Rennen und wurde freier im Kopf. Ich habe den Spaß wieder gefunden, und das war genau das Richtige zu dieser Zeit.

Anna Schaffelhuber

"Am Ende war es die erfolgreichste WM, die ich je gefahren bin": Anna Schaffelhuber. imago

Frage: Hatte der "freie Kopf" auch etwas mit deinem Studium zu tun?

Schaffelhuber: Es war eine andere Aufgabe, der ich mich widmen konnte. Ich habe mal etwas anderes im Kopf gehabt als immer nur schneller zu werden. Aber natürlich war es manchmal auch sehr stressig. Ich wusste, dass ich mein Examen jetzt im Frühjahr brauche, sonst komme ich in die Südkorea-Vorbereitungszeit rein.

Frage: Nachdem du erst Jura studiert hast, bist du jetzt zu einem Lehramtsstudium in Wirtschaft, Recht und Mathematik gewechselt. Wie kam es dazu?

Schaffelhuber: Als Jurist hat man immer ein Problem und die Lösung, man muss dann den Weg dazwischen hinkommen. Das macht mir auch immer noch großen Spaß. Ich habe aber nach den Paralympics in Sotschi gemerkt, dass ich mir die tagtägliche Arbeit als Anwältin, also Sätze und Wörter umdrehen und dabei viel am Schreibtisch sitzen, auf Dauer nicht mehr vorstellen konnte. Ich habe einige Projekte in Schulen gemacht und festgestellt, dass mir das viel mehr Spaß macht. Dass ich viele Teile meines Jura-Studiums jetzt auch fürs Lehramt gebrauchen kann, ist optimal. Es war absolut die richtige Entscheidung, die beste der letzten Zeit.

Frage: Es hieß aber auch, dass der Zeitdruck durch den Wechsel enorm gestiegen ist.

Schaffelhuber: Die ganze Saison war extrem intensiv. Unmittelbar vor dem Examen stand die WM auf dem Plan. Alles, was meine Teamkollegen an Freizeit hatten, habe ich zum Lernen genutzt. Meine Regeneration fand am Schreibtisch statt. Ich bin außerdem jeden Tag um vier oder fünf Uhr aufgestanden, weil ich wusste, dass ich sonst nur zwei Stunden am Nachmittag zum Lernen zur Verfügung haben würde. Ich habe schon gemerkt, dass ich es ein bisschen zu wild treibe. Aber am Ende war ich froh, dass ich es so gemacht habe. Ich bin zum Frühstück gekommen und war nicht müde, sondern eher aktiv. Das hat mir gut getan.

Frage: Der Erfolg gab dir Recht.

Schaffelhuber: Ja, und ich bin froh, dass ich es durchgezogen habe. Weil ich wusste, dass die darauffolgende Saison auch davon abhängt. Am Ende war es die erfolgreichste WM, die ich je gefahren bin.

Frage: Hast du gemerkt, dass Lernen dir als Sportlerin gut tun kann?

Schaffelhuber: Ich finde es einfach wichtig, dass ich nebenbei noch ein zweites Standbein und eine andere Herausforderung für den Kopf habe. Wenn es dann aber so stressig wird wie in der letzten Zeit, belastet das schon. Das ist die Kehrseite. Grundsätzlich tut mir diese Doppelbelastung aber gut.

Frage: Du hast inzwischen alles gewonnen, was es in deiner Sportart zu gewinnen gibt. Wie bleibst du trotzdem noch erfolgshungrig?

Schaffelhuber: Das habe ich mir selbst etwas anders vorgestellt. Schon nach Sotschi habe ich mich gefragt, was ich eigentlich noch erreichen will. Mein Ziel war Gold, und ich habe dann alle fünf Medaillen geholt. Ich habe dann aber gemerkt, dass ich mir selbst noch andere Ziele setze. Vor allem wollte ich für mich persönlich noch besser und schneller werden. Im Training konnte ich beispielsweise bereits die Zeiten der Männer fahren. Außerdem hat mir bis Januar noch die WM-Goldmedaille in der Abfahrt gefehlt in meiner Sammlung. Das war auch noch mal ein Anreiz.

Frage: Was bedeutet es dir, zum zweiten Mal beim Sport-Stipendiat des Jahres zur Wahl zu stehen?

Schaffelhuber: Normalerweise hat man nur den Sport, in dem man etwas erreicht und dafür Anerkennung erfährt. Ich habe aber diesen Sport neben dem Lernen geschafft und zum anderen das Lernen neben dem Sport. Es ist schön, wenn das im Rahmen dieser Wahl gewürdigt wird.

Frage: Planst du deine Karriere auch über die Paralympics hinaus?

Schaffelhuber: Ich habe zwar immer gesagt, dass die Paralympics der absolute Höhepunkt sind, aber die WM im nächsten Jahr will ich eigentlich auch noch mitnehmen. Was danach kommt, lasse ich auf mich zukommen. Wenn der Punkt mal erreicht ist, wo ich selbst feststelle "Ich brauche jetzt etwas Neues", dann wird es vorbei sein.

Interview: Pirmin Clossé