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Wiedersehen mit Fragezeichen

Rallye Dakar: Zukunft von Al-Attiyah ist unklar

Wiedersehen mit Fragezeichen

Innige Umarmung zum Abschied: Nani Roma "verkrallt" sich in X-Raid-Besitzer Sven Quandt.

Innige Umarmung zum Abschied: Nani Roma "verkrallt" sich in X-Raid-Besitzer Sven Quandt. picture alliance

Bevor bei der Rallye Dakar endlich Ruhe einkehren durfte, herrschte am Sonntagmorgen noch einmal Betriebsamkeit. Während es am Tag nach der finalen Etappe im wolkenverhangenen Buenos Aires regnete, mussten die europäischen Rallye-Teilnehmer die letzten Fahrzeuge zur Einschiffung in den 80 Kilometer entfernten Hafen in Campana am Rio Parana bringen.

Viele Teams reisten anschließend aus Argentinien ab, am heutigen Montag folgen die Nachzügler. Dann ist die 36. Ausgabe der berühmtesten Rallye vorbei, aber nach einer kurzen Verschnaufpause beginnen bereits die Vorbereitungen auf das kommende Jahr. Und bei der Dakar 2016 könnte sich einiges ändern - auch beim deutschen X-raid-Rennstall. Zunächst einmal ist offen, wo die Marathon-Rallye in zwölf Monaten stattfindet. Der französische Veranstalter ASO (Amaury Sport Organisation) liebäugelt aus verschiedenen Gründen mit einer Route durch Kolumbien, Ecuador und Peru. Allerdings stellen sich die Peruaner, die bereits zweimal Gastgeberland waren, noch quer. Vermutlich geht es um finanzielle Dinge, zahlen die Gastgeberländer der ASO doch Millionen, um das Spektakel beherbergen zu dürfen. Bei X-raid geht es derweil um ein ganzes Paket an möglichen Veränderungen.

X-raid dominiert die Szenerie

Der Rennstall aus dem hessischen Trebur baut Rallye-Autos und verkauft sie an vermögende Kunden oder an solche, die zahlungskräftige Sponsoren mitbringen. Wie in den Vorjahren war auch die Dakar 2015 wieder eine Demonstration der Stärke der von X-raid entwickelten Mini All4 Racing. Die Turbodiesel feierten den vierten Gesamtsieg in Serie, was zuvor nur Peugeot und Mitsubishi gelungen war. Zudem fuhren sie elf von 13 Etappensiegen ein, in der Gesamtwertung holten die Wagen der BMW-Tochter neben Platz eins auch den dritten Rang. Kein Wunder also, dass Teamchef Sven Quandt sagt, er sei "mehr als zufrieden". Bei genauerem Hinsehen aber stellen sich mehrere Herausforderungen.

Von den zehn von X-raid gebauten Minis am Start der diesjährigen Dakar wurden sieben von Paydrivern gesteuert, darunter auch Gesamtsieger Nasser Al-Attiyah. Hinzu kam das Werksteam mit drei Minis und einem Buggy, das vom US-amerikanischen Energy-Drink-Hersteller Monster gesponsert wird. Monster war es ein Dorn im Auge, dass Quandt – und zwar offenbar ohne vorherige Rücksprache mit seinem Partner – Al-Attiyah ein Auto verkaufte. Der Katarer wird von Monster-Erzrivale Red Bull unterstützt. Mit der gut sichtbaren Werbung des österreichischen Brauseherstellers wirkte Al-Attiyahs Mini im X-raid-Lager unter all den Monster-Fahrzeugen wie der Hahn im Korb.

Monster versus Red Bull

Das Sponsoren-Thema köchelte in Südamerika hinter den Kulissen. Die Monster-Vertreter vor Ort räumten sogar ein, dass sie Al-Attiyah gerne verlieren sehen und dem zweitplatzierten Toyota-Duo Giniel De Villiers und Dirk von Zitzewitz (die übrigens auch von Red Bull gesponsert werden) lieber den Gesamtsieg gönnen würden. Dass Al-Attiyah einen Mini steuerte, also ein Markenkollege war, war für Monster allenfalls zweitrangig.

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Für das kommende Jahr wollen die Amerikaner nun eine auch räumlich striktere Trennung zwischen ihren Monster-Autos und den restlichen X-raid-Kunden einführen. Zudem möchte der Sponsor künftig mit Buggys bei der Dakar antreten, da diese vom Reglement bevorzugt werden. Wie Mini (und damit BMW) dazu steht, ist noch nicht klar. Bei den Fahrern wären allerdings aktuell nicht alle mit dem Wechsel von den erfolgreichen Allrad-Minis zu den heckgetriebenen Buggys glücklich. Quandt hat sich in der Konzeptfrage öffentlich noch nicht positioniert. Um für alle Fälle gewappnet zu sein und Erfahrungswerte zu sammeln, setzte der 58-Jährige in diesem Jahr als eine Art Pilotprojekt aber schon einmal einen veralteten Buggy ein.

Zukunft von Al-Attiyah ungewiss

Neben dem Konzept steht auch die Cockpit-Besetzung auf dem Prüfstand. Titelverteidiger Al-Attiyah ist als Paydriver für das kommende Jahr nicht an Mini gebunden. Der zweimalige Dakar-Champion prüfte in den vergangenen Jahren stets mehrere Optionen, entschied sich erst spät für das Auto mit den seiner Meinung nach besten Siegchancen. 2014 und 2015 war das ein Mini, 2016 könnte Al-Attiyahs Wahl aber auch anders ausfallen. Der ehemalige VW-Pilot wird bereits mit Peugeot in Verbindung gebracht, und dann hätte Quandt ein Problem.

Die diesjährige Dakar zeigte, dass ihm bei den Werksfahrern ein absoluter Spitzenfahrer fehlt. Der entthronte Titelverteidiger Nani Roma hatte sicher viel Pech, scheint aber grundsätzlich nicht oder nicht immer über die Klasse Al-Attiyahs oder Stéphane Peterhansels (der Dakar-Rekordsieger wechselte 2014 von Mini zu Peugeot) zu verfügen. Der Pole Kristof Holowczyc wurde zwar Gesamtdritter, mehr dürfte aber nicht drin sein. Und der Argentinier Orlando Terranova wies neben vier Etappensiegen auch zwei Unfälle auf. Laut Quandt ist er "noch nicht so weit".

Eine Lösung könnte die Verpflichtung von Toyota-Pilot De Villiers sein. Quandt schätzt den Dakar-Sieger von 2009, der seinen auslaufenden Vertrag noch nicht verlängert hat, für dessen besonnenen Fahrstil. Mit De Villiers deutschem Beifahrer von Zitzewitz sprach der X-raid-Boss am Samstag im Ziel der finalen Wertungsprüfung minutenlang.

Möglicherweise haben die Planungen für die kommende Dakar schon längst begonnen.

Jan Reinold

Abgehoben: Eindrücke von der Rallye Dakar