kicker.tv

Social Media: Zwischen Mehrwert und PR

"kicker.tv - Der Talk" - Folge 33

Social Media: Zwischen Mehrwert und PR

Expertenrunde: Bernd Salamon, Ralph Gunesch, Claudia Neumann und Markus Hörwick (v.li.).

Expertenrunde: Bernd Salamon, Ralph Gunesch, Claudia Neumann und Markus Hörwick (v.li.). kicker

Viele Follower sind eine große Chance für Spieler und Vereine, kann man doch so die eigene Popularität steigern und beeinflussen. "Ich entscheide selbst, wie und wann ich welche Informationen preisgebe", nannte Ex-Profi und Social-Media-Experte Ralph Gunesch einen der Vorteile der neuen Kommunikationswege. Genau darin sieht Claudia Neumann eine große Gefahr. "Das ist natürlich ein Instrument, um sich selbst darzustellen. Damit kann man selbst steuern, was über einen berichtet wird", sagte die ZDF-Reporterin und verwies darauf, dass "Vereine und Spieler eigene Interessen verfolgen", was dann auch zu der Frage führt, wie viel "Informationsgehalt" Meldungen aus sozialen Medien denn überhaupt haben.

Soziale Medien bieten Gunesch zufolge aber keinen Mehrwert für die Journalisten, vielmehr sind sie direkt an die Fans gerichtet. Die können auf diese Art und Weise "am Leben ihrer Idole teilhaben", erklärte Gunesch, der auch weiß, dass es sich dabei nicht um eine Einbahnstraße handelt, denn viele Follower sind "wie eine Währung. Bei einer großen Reichweite hat man auch die Möglichkeit, das zu monetarisieren." Den Fans ist das klar, das wird im kickerTrend deutlich. 76 Prozent aller Teilnehmer antworteten auf die Frage, ob die Social-Media-Auftritte der Stars glaubwürdig wären mit "Nein".

Soziale Medien: Von Selbstdarstellung und fehlender Professionalität

Sieht die Entwicklung in den sozialen Medien eher skeptisch: Markus Hörwick.

Sieht die Entwicklung in den sozialen Medien eher skeptisch: Markus Hörwick. kicker

Soziale Medien allein unter wirtschaftlichen Aspekten zu sehen, wird dem Thema aber nicht gerecht. So blickt Hörwick, langjähriger Mediendirektor des FC Bayern, kritisch auf den Fakt, dass "heute jeder sein eigener Pressesprecher" ist. Außerdem betrachtet der 60-Jährige die Rolle von Spielerberatern in diesem Kontext argwöhnisch. Hörwick geht davon aus, dass man nicht allzu weit davon entfernt ist, dass Spieler nach Verletzungen ihre Diagnosen auf Anweisung ihrer Berater umgehend verbreiten, um "am Abend 500 Follower mehr zu haben. Bei Vereinsaccounts gibt es klare Regularien, aber die Spieler kannst du nicht regulieren." Gunesch widersprach und wies darauf hin, dass die Vereine durchaus die Möglichkeit haben, auf das Verhalten ihrer Spieler einzuwirken und zwar in Form von Klauseln in den jeweiligen Arbeitsverträgen.

Für Hörwick gibt es noch ein weiteres großes Problem, und zwar fehlende Professionalität. "Soziale Medien sind ein faszinierendes Medium, das aber von Leuten betreiben wird, die keine Journalisten sind. Jeder, der ein Smartphone oder ein Laptop hat, kann heute Journalist spielen", monierte der 60-Jährige und führte einen Vergleich an: "Wenn ihnen das Knie wehtut, dann gehen sie zum Arzt oder zum Physiotherapeuten und zu niemand anders, weil die das können. Im Journalismus machen wir im Moment genau das Gegenteil."

Beleidigungen, Anfeindungen, Häme und Spott - Was tun?

Ein großes Problem der sozialen Medien sind Shitstorms - Beleidigungen, Anfeindungen, Häme und Spott. Neumann, im Sommer selbst Ziel zahlreicher Netzattacken, weiß nur zu gut um die Problematik. Die vielleicht größte Gefahr sieht sie in der "Anonymität" des Netzes, durch die die "Hemmschwelle" sinkt und dann ist der Weg auch nicht mehr weit, auch mal "die erste Tomate im Stadion zu schmeißen. Natürlich ist das die Vorstufe dessen, was wir dann später in Taten sehen." Wie Brisant das Thema ist, zeigten nicht zuletzt die Ereignisse in Dortmund rund um das Gastspiel von RB Leipzig. "Die Wut auf Leipzig ist permanent" stellte kicker-Redakteur Bernd Salamon klar und zog den VfL Wolfsburg als Beispiel heran, der bei seinem Aufstieg vor 20 Jahren bei zahlreichen Fans auch nicht "unbedingt beliebt war" und das Image hatte, er würde das Geld nur so in den Hintern bekommen. Auch Hörwick erinnerte sich und betonte, dass es "damals anders abgelaufen" sei.

Allgemein beklagte Salamon fehlende Konsequenzen: "Das ist der einzige Ort, wo ich bedingungslos beleidigen kann, und am Ende passiert mir nichts." Dass die Dinge nicht ganz so einfach sind, darauf wies Gunesch nachdrücklich hin. Man sollte nicht "allzu viele Dinge miteinander vermischen", zumal die Ursache ganz woanders liegt: "Das Problem steckt nicht bei Twitter, sondern in der Gesellschaft." Nur wie soll man diesem Problem entgegentreten. Im Gegensatz zu Neumann, die dafür plädiert, bei Verfehlungen im Zusammenhang mit "banalen Dingen, wie es der Fußball ist", wegzusehen und nur einzuschreiten, wenn es um "wirklich wichtige Themen" geht, macht sich Gunesch für einen anderen Ansatz stark. Man solle die Medienkompetenz bei Fußballern und in der Gesellschaft stärken, "und zwar schon in jungen Jahren", da das Problem von alleine nicht verschwindet" und man die "Zeit nicht zurückdrehen könne", wie Neumann wiederum klar machte.

drm