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"Heute ist Bayern eher solidarisch mit Real Madrid"

"kicker.tv - Der Talk" - 2. Sendung

"Heute ist Bayern eher solidarisch mit Real Madrid"

Talk-Runde der 2. Sendung (v. re.): Peter Peters, Fredi Bobic, Andreas Rettig und  Jörg Jakob vom kicker.

Talk-Runde der 2. Sendung (v. re.): Peter Peters, Fredi Bobic, Andreas Rettig und Jörg Jakob vom kicker.

Moderator Marco Hagemann begrüßte für dieses emotionale Thema Peter Peters (Geschäftsführer des Traditionsvereins FC Schalke und zugleich Vize-Präsident des Ligaverbandes), Andreas Rettig (Geschäftsleiter des FC St. Pauli und früherer DFL-Geschäftsführer), Fredi Bobic (Europameister 1996 und Ex-Sportdirektor des VfB Stuttgart) sowie Jörg Jakob aus der kicker-Chefredaktion.

Peters benannte das Dilemma, vor dem fast alle Bundesligisten stehen, dass sie nämlich im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben wollen - "und das in einer global veränderten Fußball-Welt" - und sich trotzdem auf nationaler Ebene solidarisch zeigen wollen.

Rettig glaubt fest daran, dass die Solidarklammer hält zwischen der Bundesliga und der 2. Bundesliga. Zwar räumte er ein, dass das Unterhaus "eher eine Nehmerliga" ist, aber er wünschte sich zugleich, dass die "Schere zwischen den beiden Profiligen nicht weiter aufgeht. Heute ist Bayern München eher solidarisch mit Real Madrid oder Manchester United."

Internationale Wettbewerbsfähigkeit vs. 2. Liga

Bezüglich einer Schlechterstellung der 2. Liga im auszuhandelnden TV-Paket, um damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Europapokal-Teilnehmer zu stärken, machte der frühere Bundesliga-Manager folgende Rechnung auf: Bei der aktuellen Verteilung der nationalen TV-Gelder von 80:20 zugunsten der Bundesliga würde eine fünfprozentige Verschiebung den Bayern gerade mal zwei Millionen Euro mehr bringen, "das sind 0,4 Prozent ihres Umsatzes, das wäre ein Treppenwitz".

Rettig betonte auch die Wichtigkeit der 50+1-Regel, damit der Wettbewerb mit gleichen Waffen ausgetragen werden könne. "Es kann nicht sein, dass Klubs, die ihre Geschäftsanteile zu 100 Prozent verkaufen, im Wettbewerb stehen mit Vereinen, die das nicht dürfen." Wenn am Ende einer Saison ein Verlust ausgeglichen werden muss, hätten diese Vereine andere Möglichkeiten. Bobic hingegen betonte, dass er schon vor Jahren gesagt habe, "dass die 50+1-Regel irgendwann fallen wird, auch wenn das kein Wunsch von mir ist, weil sich der Fußball dahin verändert. Irgendwann werden wir an den Punkt kommen, wo wir uns fragen werden, wie wir noch mehr Geld erwirtschaften können", so der Ex-Stürmer.

Bei der Verteilung der TV-Gelder wurden auch die Parameter diskutiert, die dieser zugrunde liegen. Rettig nannte Beispiele aus Italien, wo die Größe der Städte relevant sei. "Da hätten wir in Hamburg keine Probleme", so Rettig mit einem Lächeln, "aber das ist nicht zielführend". Besser wäre, wenn zum Beispiel die Fair-Play-Wertung berücksichtigt werden würde. "Angesichts des aktuellen Verfalls der Sitten würde das ein Anreiz sein. Gelbe und Rote Karten könne man zählen, daraus ergibt sich ein objektives Ranking", so Rettig, bei "vielen anderen Parametern wäre dies Willkür".

Ein nicht ganz einfaches Unterfangen war es auch, den Begriff des "Traditionsvereins" genauer zu definieren. "Leverkusen ist als Klub älter als Köln. das ist Fakt", sagte Jörg Jakob, "aber wir wissen doch alle, was ein Traditionsverein ist. Das ist etwas, was man fühlt."

Rettig sagte hierzu, dass sich bei der Frage nach der Tradition jeder das rauspicke, was ihm dabei helfe, um am meisten vom Kuchen abzubekommen - "letztlich ist Tradition ein dehnbarer Begriff". Zudem stellte er die Frage in den Raum, ob "gute Arbeit über die letzten zehn Jahre weniger wert sein soll als gute Arbeit in den 70er Jahren".

RB Leipzig: Im Fußball ändert sich etwas

Angeregte Talkrunde

Angeregte Talkrunde im Studio.

Ein Punkt, der unweigerlich zu RB Leipzig führte. "Ob Leipzig die Bundesliga auch bereichert?", fragte Moderator Hagemann. Die Runde drückte sich zunächst vor klaren Aussagen, ehe Rettig relativ klar Stellung bezog. "Bei Leipzig war erst das Geld da und dann kam der sportliche Erfolg, alle anderen müssen erst sportlichen Erfolg haben und erst dann kommt das Geld." Bobic hob hingegen hervor, dass "für die Stadt Leipzig der Aufstieg eine Rieseneuphorie geben wird, da kann man sich für die Menschen in Leipzig, die nach Bundesliga-Fußball ausgehungert waren, nur freuen. Das wird funktionieren."

Jakob wies darauf hin, dass "am Ende der Saison mindestens zwei Traditionsvereine absteigen und mit RB Leipzig kommt einer der kritisch gesehenen Klubs hoch - das belegt, dass sich etwas verändert."

Zwar würde sich auch Rettig als Geschäftsführer des FC St. Pauli nicht gegen Geldgeber wehren, aber er lehnte das Vorbild England mit seinen Klub-Investoren ab, weil die lediglich am Profit interessiert seien. Und verwies damit auf die immens hohen Ticketpreise auf der Insel. Zum Vergleich wurde eine Grafik eingeblendet, auf der die günstigsten Dauerkarten-Preise des FC Arsenal und des FC Bayern zu sehen waren: 1400 € bei den Gunners, 140 € bei den Münchnern. "Das sind Lichtjahre", so Moderator Hagemann.

Abstieg oder kein Abstieg - das ist hier die Frage

Zum Abschluss der einstündigen Talk-Runde wurde der Fokus nochmals auf das aktuelle Geschehen gelenkt, jeder Gast bekam eine Frage zum Abstiegskampf gestellt.

Herr Peters, warum hat der VfB Stuttgart den Abstieg nicht verdient? Antwort: "Weil er in Wolfsburg gewinnen kann."

Herr Bobic, warum hat Eintracht Frankfurt den Abstieg nicht verdient? Antwort: "Weil sie unter Trainer Niko Kovac die Kurve gekriegt haben."

Herr Rettig, warum hat Werder Bremen den Abstieg nicht verdient?" Antwort: "Weil sie ideologisch ganz nah beim FC St. Pauli sind."

Herr Jakob, was glauben Sie: Wer muss runter? Antwort: "Angesichts der Szenen in Stuttgart ist der VfB in so einem mentalen Tief, dass es schwer wird, da rauszukommen, auch wenn es noch möglich ist. Stuttgart hat klar die schlechtesten Karten."

kon