Handball

Symbolfigur Weinhold fürchtet nicht das kroatische Schicksal

Europameister von 2016 im Gespräch mit dem kicker

Symbolfigur Weinhold fürchtet nicht das kroatische Schicksal

Er ist seit über einem Jahrzehnt bei der Nationalmannschaft dabei: Linkshänder Steffen Weinhold.

Er ist seit über einem Jahrzehnt bei der Nationalmannschaft dabei: Linkshänder Steffen Weinhold. imago

Am 24. Januar 2016 tat Steffen Weinhold das, was ein guter Kapitän tut. Er stellte sich bedingungslos in den Dienst der Mannschaft - und nahm beim 30:29 gegen Russland in der Hauptrunde 15 Sekunden vor Schluss eine schwere Verletzung in Kauf, um den Sieg zu sichern. Weinhold fiel für das restliche Turnier aus, Deutschland holte sensationell den EM-Titel. In der Folge kämpfte der gebürtige Mittelfranke immer wieder mit Verletzungen, die auch mental eine Belastung bedeuteten. "Man möchte immer gesund sein", erklärt Weinhold jetzt im Gespräch mit dem kicker: "Die Belastung war mit WM, EM, Champions League, Bundesliga und DHB-Pokal enorm hoch. Wenn du nicht verletzt bist, kommst du auf 80 bis 100 Spiele im Jahr. Leider waren auch zwei, drei langwierigere Verletzungen dabei. Das ist nie leicht. Man muss aber schauen, dass man sich wieder zurückkämpft und daran glaubt, dass man dann gesund bleibt."

Das klappt gerade, womit auch seine ansteigende Leistungskurve zu erklären ist. Die Heim-WM hat er fest im Blick, über ein Jahrzehnt gehört der 32-Jährige bereits zur deutschen A-Nationalmannschaft. Das nötige Selbstvertrauen für die schweren Aufgaben bei der WM-Endrunde holt sich Weinhold im Verein. Mit dem THW Kiel marschiert der Halbrechte mit dem kompromisslosen Zug auf die Lücke gerade durch die Liga. Auch er hat seinen Anteil, dass die Zebras nun bereits bei 17 Pflichtspielsiegen in Serie stehen.

In der Summe macht es das dann einfach aus.

Steffen Weinhold über den starken Lauf des THW

"Da gibt es sicherlich mehrere Gründe", beginnt Weinhold seine Ausführungen: "Wir haben in dieser Saison kaum Verletzte, alle sind mal gesund. Wenn du die Belastung nicht teilen kannst, ist es immer schwierig." Speziell der wiedergenesene Domagoj Duvnjak und Sommer-Neuzugang Hendrik Pekeler seien in puncto Stabilität "ein großes Plus". Nicht zu vergessen der Mann hinter Cheftrainer Alfred Gislason, der das Leben als Profi des THW besser kennt als kaum ein anderer: "Mit Filip Jicha haben wir auch einen Co-Trainer dazubekommen, der auf viele kleine Details achtet, die auch die einzelnen Spieler nochmal individuell weiter nach vorne bringen", lobt Weinhold. "In der Summe macht es das dann einfach aus." Dazu komme das Selbstverständnis, das so eine Erfolgsserie mit sich bringt. Ein solches hatte der sonst so erfolgsverwöhnte Rekordmeister (zehnmal Deutscher Meister zwischen 2005 und 2015) beispielsweise in der letzten Saison schmerzlich vermisst.

Gewisse Zeit brauchte es auch, bis Weinhold mit der Nationalmannschaft in die Erfolgsspur fand. "Nach dem WM-Titel 2007 war es ja so ein bisschen mau, es gab eine Durststrecke von drei oder vier Jahren. Wir hatten uns auch nicht für Olympia 2012 qualifiziert", erinnert sich Kiels "Sportler des Jahres 2016". Erst 2013 ging es mit der DHB-Auswahl aufwärts. "Das war meine erste WM, in Spanien wurden wir mit einer recht jungen Mannschaft Fünfter. 2016 war aber sicherlich das beste Jahr mit der Nationalmannschaft." EM-Gold und Olympia-Bronze hingen bereits um seinen Hals, nun soll möglichst eine WM-Medaille her.

Die Aufgabe im Januar wird durch die schwere Verletzung von Hoffnungsträger Julius Kühn ( Kreuzbandriss ) aber nicht unbedingt einfacher. Das sieht auch Weinhold so: "Julius ist schon ein großer Ausfall für uns. Er ist einer unserer stärksten Rückraumspieler - vor allem aus der zweiten Reihe. Mit ihm fehlt uns Wurfkraft." Auch Nationalmannschaftskollege Matthias Musche hatte den Ausfall im großen kicker-Interview bitterlich beklagt .

"Einen Handball spielen, der die Zuschauer begeistert"

Beim EM-Triumph in Polen "opferte" sich Steffen Weinhold für den Sieg gegen Russland.

Beim EM-Triumph in Polen "opferte" sich Steffen Weinhold für den Sieg gegen Russland. imago

Generell gebe es für das Halbfinale, das vom DHB angepeilt wird, keine Garantie. "Die Spitze ist sehr breit und liegt sehr eng beieinander. Es gibt sieben oder acht Mannschaften, die am Ende oben stehen könnten. Da werden Kleinigkeiten entscheiden", so Weinhold, der anfügt: "Objektiv betrachtet sind drei oder vier Mannschaften aber schon noch ein wenig vor uns. Unser Ziel ist, einen Handball zu spielen, der die Zuschauer begeistert und sie mitnimmt."

Bereits in der Vorrunde will Weinhold "ins Rollen kommen". Der Spirit von 2016 soll bestmöglich aufleben: "Während eines Turniers ist es so, dass sich eine gewisse Dynamik entwickelt - oder eben nicht." Die deutsche Gruppe mit Team Korea, Brasilien, Frankreich, Russland und Serbien hält der 1,91-Meter-Hüne für alles andere als einen Selbstläufer. Darüber hinaus erinnert er: "Sollten wir in die Hauptrunde kommen, ist die Konstellation ja auch noch so, dass du mit Frankreich, Spanien und Kroatien zwei Favoriten hinter dir lassen musst, um ins Halbfinale zu kommen."

Diese Nation geht nochmal deutlich emotionaler an so ein Turnier ran.

Steffen Weinhold über EM-Gastgeber Kroatien

Übermäßigen Druck, unter dem in der Vergangenheit beispielsweise Kroatien als Gastgeber der EM 2018 zusammenbrach, fürchtet Weinhold nicht. "Ich glaube tatsächlich, dass der Druck für die Kroaten im eigenen Land noch größer war, als das für uns der Fall ist. Diese Nation geht nochmal deutlich emotionaler an so ein Turnier ran", weiß der Familienvater. Seine Gedanken an den Januar sind durchweg positiv: "Auch für uns ist das eine Drucksituation, aber für mich ist es gerade eher eine Vorfreude auf volle Hallen und Fans, die uns nach vorne peitschen."

Maximilian Schmidt

Das ist der finale deutsche Kader für die Heim-WM