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Kiel im kicker-Check: Jicha darf nicht gehen!

THW-Situation steht und fällt mit dem Kapitän

Kiel im kicker-Check: Jicha darf nicht gehen!

Ist in der aktuellen Situation eigentlich unverzichtbar für den THW: Kapitän Filip Jicha.

Ist in der aktuellen Situation eigentlich unverzichtbar für den THW: Kapitän Filip Jicha. imago

Canellas und Dissinger vergrößern die THW-Sorgen

Am Mittwochabend unterbrachen die Kieler ihre schweißtreibende Arbeit für den nächsten Härtetest auf die neue Saison: Bei Absteiger HC Erlangen, der sich gut verstärkt hat und als einer der Favoriten auf den direkten Wiederaufstieg gilt, kam der ersatzgeschwächte THW zu einem 34:29. Ohne die angeschlagenen Christian Sprenger, Steffen Weinhold, Niklas Landin, Torsten Jansen und die Langzeitverletzten Filip Jicha und Dominik Klein taten sich die "Zebras" im ersten Abschnitt schwer. Die giftigen Erlanger bereiteten den müden Kielern reichlich Probleme, erkämpften sich bis zur Pause gar ein Unentschieden (16:16).

Zu allem Überfluss: Joan Canellas fiel mit einer Fußverletzung für die restliche Spieldauer aus. Und gleich zum Start der zweiten Hälfte der nächste Schockmoment: Neuzugang Christian Dissinger, in seiner Karriere bereits mit zwei Kreuzbandrissen gestraft, blieb liegen und hielt sich das Knie. Hinterher stellte sich aber glücklicherweise heraus, dass es sich dabei lediglich um einen Pferdekuss handelte.

Trotz der noch weiter verschärften Personalsituation tüteten die Kieler am Ende souverän den 34:29-Erfolg ein. Vor allem auch weil die Erlanger sich immer mehr Fehler leisteten und Keeper Nikolas Katsigiannis heiß lief: Der Ex-Erlanger vernagelte für ganze neun (!) Minuten seinen Kasten und war Garant für den Sieg der "Zebras".

Die Neuzugänge: Landin hilft, Überraschungstüte Rückraum

Brachte die Ex-Kollegen im zweiten Abschnitt an den Rand der Verzweiflung: THW-Keeper Nikolas Katsigiannis.

Brachte die Ex-Kollegen im zweiten Abschnitt an den Rand der Verzweiflung: THW-Keeper Nikolas Katsigiannis. imago

Welche Lehren lassen sich aus dem Test ziehen? Dass Katsigiannis den Serienmeister verstärken würde, davon war bei Bekanntgabe seines Wechsels schon auszugehen. Noch mehr gilt das für Keeper Niklas Landin, der den Kielern endlich den Torhüter von Weltklasseformat zurückbringt, der nach dem Abgang von Thierry Omeyer (nach Paris) fehlte. Anders als zwischen den Pfosten gestaltet sich die Situation mit den Sommer-Zugängen Dissinger (N-Lübbecke) und Alexander Williams (eigene Jugend).

Der enorm verletzungsanfällige Dissinger ist zumindest keine Sofortverstärkung auf höchstem Niveau. Dankbar über das Angebot aus Kiel sieht der 2,02-Meter-Hüne noch gehörig Steigerungspotenzial: "Wenn ich so spiele wie in den letzten Spielen der Vorsaison, hat sich das Thema ganz schnell wieder erledigt. Ich habe viel Arbeit vor mir", so der 23-Jährige auf der Vereinswebsite. Derart realistisch wird Trainer Alfred Gislason wohl auch die Situation bei Williams einschätzen können. Dem 18-Jährigen täte Spielpraxis in der 2. oder 3. Liga gut, die große Verantwortung käme für ihn viel zu früh.

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Über zu großen Druck braucht Neuling Rogerio Moraes Ferreira (kommt aus Brasilien) nicht nachzudenken. Mit René Toft Hansen und Patrick Wiencek sind die Kieler bestens aufgestellt, der 21-Jährige kann behutsam aufgebaut werden. Gegenteiliges galt vergangene Spielzeit für Linksaußen Rune Dahmke, der den Sprung ins kalte Wasser und die Verletzung von Dominik Klein (Kreuzbandriss) aber bestens nutzte und nun auf seiner Position gesetzt scheint. Um ihn zu entlasten, hat der Verein mit Torsten Jansen die perfekte Ergänzung gefunden. "Ich dränge mich nicht rein, ich ordne mich ein", sagte der 38-Jährige jüngst den "Kieler Nachrichten".

Die Arrivierten: Sorgenkinder Duvnjak und Canellas

Ungewiss ist die Situation ohnehin vielmehr auf der "Königsposition" im linken Rückraum und der Spielmacherposition. Allen voran Domagoj Duvnjak, der mit der Empfehlung als Welthandballer und CL-Sieger (beides 2013) im vergangenen Sommer zum THW stieß, enttäuscht bislang auf ganzer Linie. Dem 27-jährigen Kroaten ist ganz offensichtlich der unwiderstehliche Drang zum Tor, der ihn lange auszeichnete, abhandengekommen.

Ihm fehlt zu häufig die Durchsetzungskraft: Domagoj Duvnjak.

Ihm fehlt zu häufig die Durchsetzungskraft: Domagoj Duvnjak. imago

Weniger dramatisch, aber ähnlich auffällig ist dies bei Canellas, der für seine Spanier bei der WM im Januar zwar glänzte, im THW-Dress aber auch noch nicht seine alte Form wiedergefunden hat. Die stabilste Position findet sich auf Halbrechts: Mit Wurfmaschine Marko Vujin und dem wendigen Steffen Weinhold hat Gislason die perfekte Mischung gefunden. Auch auf Außen haben Niclas Ekberg und Sprenger internationale Klasse.

Die Abgänge: Palmarsson-Verlust schmerzt, Jichas wäre nicht zu verkraften

Mehr als das verstrahlte Aron Palmarsson über Jahre hinweg, schwang sich vom Rookie zu einem der besten Handballer der Welt auf. Sein Weggang nach Veszprem tut den Kielern - speziell ob der Formschwankungen bei Duvnjak und Canellas - richtig weh. Seine "einfachen" Tore durch unglaubliche Hüft- wie Schlagwürfe sowie seine Übersicht werden dem THW fehlen.

Ein doppelter Abgang wäre zu viel: Aron Palmarsson (li.) ist weg, Filip Jicha könnte gehen.

Ein doppelter Abgang wäre zu viel: Aron Palmarsson (li.) ist weg, Filip Jicha könnte gehen. imago

In der jetzigen Situation wäre also an einen Verkauf von Kapitän und Identifikationsfigur Filip Jicha nicht zu denken. Sowohl der qualitative als auch menschliche Verlust ist für die Norddeutschen praktisch nicht auffangbar. Die Ablöse von einer Million Euro, die mittlerweile seitens des FC Barcelona im Raum steht, würde zwar langfristig in Kombination mit dem Wegfall einer hohen Gehaltszahlung für die Kieler finanzielle Entlastung bedeuten. Aber: Aktuell gefährdet ein Verkauf des Tschechen nicht nur die internationale, sondern selbst die nationale sportliche Zielsetzung. Sein Stellenwert für die Mannschaft ist enorm hoch, ein adäquater Ersatz ließe sich so kurz vor Rundenbeginn im Bereich des finanziellen Spielraums kaum noch finden.

Dabei ist Barcelona, das eben um Jicha buhlt, das beste Beispiel: Die Katalanen blitzten reihenweise auf der Suche nach einem Ersatz für Nikola Karabatic (Paris St. Germain) ab. Erst waren Mikkel Hansen, der in Paris bis 2019 verlängerte, und Momir Ilic (Veszprem schob einen Riegel vor) nicht zu kriegen, dann sollen auch Duvnjak und Canellas ihr Veto eingelegt haben. Manager Thorsten Storm wäre also gut beraten, sich einen Transfer des aktuell an einer Schambeinentzündung laborierenden Jicha genauestens zu überlegen.

Haken an der Geschichte: Jicha hatte erst kürzlich erklärt, dass er gehen "muss" . "Als Sportler muss ich bleiben, als Familienvater habe ich dagegen fast schon die Pflicht, nach Barcelona zu gehen", so der Kieler Spielführer. Aus finanzieller Sicht seien vier Jahre in Katalonien mit fünf in Norddeutschland gleichzusetzen. Soll es etwas mit Jichas Verbleib werden, müsste der THW also in Sachen Gehalt nochmal eine deutliche Summe drauflegen. Der 33-Jährige, dessen Vertrag in Kiel mit Option auf eine weitere Spielzeit bis 2016 läuft, spielt seit 2007 bei den Norddeutschen und gewann so ziemlich alles, was es zu gewinnen gibt.

msc

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