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SCM im kicker-Check: Macht Sveinsson den Gislason?

Magdeburger sehnen sich nach den goldenen Zeiten

SCM im kicker-Check: Macht Sveinsson den Gislason?

Gibt seit 2014 erfolgreich in Magdeburg den Takt vor: Trainer Geir Sveinsson.

Gibt seit 2014 erfolgreich in Magdeburg den Takt vor: Trainer Geir Sveinsson. Getty Images

Stiebler: "Die Mannschaft trägt seine Handschrift"

13 Jahre ist es her, dass die Magdeburger da standen, wo sie ihre treuen Anhänger gerne auch heute noch sehen würden. An der nationalen wie internationalen Spitze: deutscher Meister und Super-Cup-Sieger 2001, Champions-League-Sieger und Gewinner der Vereins-EM 2002. Damals zogen sich Spielergrößen wie Stefan Kretzschmar, Olafur Stefansson und der Franzose Joel Abati noch den SCM-Dress über. Im Jahr 2015 sieht das ein wenig anders aus – und doch irgendwie ähnlich.

Der Trainer ist wie damals Alfred Gislason, der mittlerweile die überaus erfolgreichen Geschicke beim THW Kiel leitet, ein Isländer: Geir Sveinsson. An seiner Seite hat der 51-Jährige mit Steffen Stiebler einen der weiß, wie begeisterungsfähig das Magdeburger Umfeld ist. Der damalige Abwehrchef ist heute Sportlicher Leiter – und hat auch die Personalie Sveinsson "auf dem Gewissen". Bei der Vorstellung des langjährigen isländischen Kapitäns und Rekordnationalspielers im Juli 2014 gestand Stiebler: "Bei unseren Gesprächen haben wir sofort gemerkt, dass Geir zum Handballstandort Magdeburg passt." Zwölf Monate später wurde er mit seiner Einschätzung der "attraktiven skandinavischen Philosophie" nur bestätigt: Platz vier in der Liga und der Einzug ins Pokalfinale lassen die Hoffnung in Sachsen-Anhalt wieder wachsen.

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Noch im Juni 2015 hatte der Klub Sveinsson mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2017 belohnt. Stiebler geriet dabei nur so ins Schwärmen: "Er hat sich schnell an das Umfeld der Bundesliga gewöhnt, die Mannschaft trägt seine Handschrift. Er pflegt einen sehr kommunikativen und positiven Umgang mit der Mannschaft." Klingt ganz nach einer perfekten deutsch-isländischen Symbiose – wie schon in den glorreichen 2000ern.

Speziell vorne brannte der SCM in der vergangen Spielzeit regelmäßig ein Feuerwerk ab – und stellte mit seiner brandgefährlichen rechten Seite um Torschützenkönig Robert Weber (271 Treffer), Jure Natek (120) und Andreas Rojewski (96) mit 1074 Toren nach Kiel (1095) und den Löwen (1093) den drittstärksten Angriff der Liga. Nur auf links haperte es noch, ein Problem, dem sich die Magdeburger im Sommer – auch für die Konkurrenz – eindrucksvoll entledigten.

Neuzugänge: Riese Lemke und Dänen-"König" Damgaard

Als ersten Neuzugang für die Spielzeit 2015/16 kamen Stiebler & Co. direkt mit einem echten Kracher um die Ecke: Vom TBV Lemgo eiste man den 2,10 Meter großen Halblinken Finn Lemke los. Der 23-Jährige zählt in Deutschland zu den größten Rückraum-Hoffnungen und steht bei Bundestrainer Dagur Sigurdsson hoch im Kurs. Lemke entschied sich auch auf Vereinsebene für den vielversprechenden Island-Faktor: "Seit den persönlichen Gesprächen mit der Geschäftsführung und dem Trainer bin ich vollends überzeugt, dass der Wechsel nach Magdeburg genau der richtige Schritt für mich ist."

Schindet allein mit seiner Größe bei den Angreifern Eindruck: 2,10-Meter-Hüne Finn Lemke.

Schindet allein mit seiner Größe bei den Angreifern Eindruck: 2,10-Meter-Hüne Finn Lemke. imago

Bei der Sondierung der unterschiedlichsten Offerten erwies sich der SCM als attraktivste: "Wir freuen uns, dass sich Finn trotz weiterer Angebote finanzkräftiger Klubs für unseren Standort entschieden hat", so Stiebler: "Finn hat zudem alle Möglichkeiten, zu einem der dominierenden Rückraumspieler der HBL zu werden." Näher an seiner Bremer Heimat ist Lemke in Magdeburg nicht, das spielt aber schon länger keine Rolle mehr. "Ich bin Fan von Werder Bremen. Für die Fankurve fehlt als Handballprofi jetzt die Zeit. Aber ich verfolge sehr viel im Internet, was bei Werder passiert."

So etwas wie Heimweh dürfte auch Michael Damgaard bei dessen erster Station außerhalb Dänemarks plagen. Mit der Empfehlung als bester Torjäger der dänischen Liga im vergangenen Jahr (254 Treffer für Holstebro) kommt der Perspektivmann nach Magdeburg. Der 25-Jährige passte nach dem Lemke-Transfer genau ins Profil: "Mit Finn und Michael haben wir im linken Rückraum zwei torgefährliche, aber gänzlich unterschiedliche Spielertypen verpflichtet. Michael kommt über die Dynamik und hat sehr starke individuelle Fähigkeiten", so Stiebler.

Und auch für die Position am Kreis sahen die Verantwortlichen Handlungsbedarf. Vom letztjährigen Champions-League-Dritten KS Vive Kielce kommt Zeljko Musa nach Sachsen-Anhalt. Dabei soll der 29-Jährige eine Lücke schließen, die für viele im Umfeld kurz- bis mittelfristig nicht geschlossen werden kann – und von Publikumsliebling Bartosz Jurecki (wandert zu Chrobry Glogow ab) gerissen wurde. "Nachdem wir uns entschieden haben, den Veränderungsprozess im Team weiter voranzutreiben, war Zeljko Musa unser Wunschkandidat auf dieser Position", erklärte Stiebler. Ein positives Zeichen, dass der Klub die nachhaltige Entwicklung über alles stellt, ohne dabei mit Sentimentalitäten den Verstand zu benebeln.

Der große Vorteil des kroatischen Nationalspielers: Mit SCM-Spielmacher Marko Bezjak spielte der 2,00-Meter-Hüne von 2010 bis 2012 beim slowenischen Topklub Gorenje Velenje zusammen – und harmonierte prächtig. Musas Zielsetzung ist eindeutig: "Ich möchte dazu beitragen, dass sich der SCM sportlich weiter so gut entwickelt, in der Zukunft wieder in Europa eine feste Größe wird und auch perspektivisch um Titel mitspielen kann."

Abgänge: Jurecki und die "schmerzhafteste Entscheidung"

Ackerte neun Jahre lang bedingungslos für den SCM: Kreisläufer Bartosz Jurecki.

Ackerte neun Jahre lang bedingungslos für den SCM: Kreisläufer Bartosz Jurecki. imago

Überhaupt notwendig wurden die Überlegungen mit Musa durch die Entscheidung, den Weg ohne den 36-jährigen Jurecki weiterzugehen. Der sympathische Pole, der in neun Jahren beim SCM alle Herzen eroberte und zum absoluten Publikumsliebling wurde, bekam vor der Saison kein neues Arbeitspapier mehr. "Die Entscheidung den Vertrag von Bartosz nicht nochmals zu verlängern, ist sicherlich die schwierigste und schmerzhafteste in den letzten Jahren", gab Stiebler zu. Dennoch wird die neuere Magdeburger Legende gerade im Teamgefüge und Umfeld fehlen, das bewiesen auch die tränenreichen Minuten, als dessen Trikot unter die Hallendecke gezogen wurde .

Von diesem Status weit entfernt war Espen Lie Hansen, dessen Wechsel nach Bregenz in beiderseitigem Einvernehmen im Sommer über die Bühne ging. Der Norweger, der nach seinem Wechsel im vergangenen Juli nie wirklich in Magdeburg ankam, reißt auf Halblinks nur eine kleinere Lücke, die Lemke und Damgaard mehr als zu schließen wissen.

Kader: Svensson, der große Förderer

Hilft dem Torhüter-Duo enorm weiter: der Schwede Tomas Svensson (Mitte).

Hilft dem Torhüter-Duo enorm weiter: der Schwede Tomas Svensson (Mitte). imago

Seinen Kasten zu schließen weiß auch das Torhüter-Duo Jannick Green und Dario Quenstedt. Der 26-jährige Green spielt hinter Niklas Landin (THW Kiel) in der dänischen Nationalmannschaft nur die zweite Geige, ist in Magdeburg seit 2014 aber ein sicherer Rückhalt. Gleiches gilt für Quenstedt, der den nötigen Identifikationsfaktor mitbringt: Der 25-Jährige stammt aus dem Magdeburger Raum.

Das wichtigste Mosaiksteinchen für das Torwart-Trio, das von Nachwuchsmann Philip Ambrosius komplettiert wird, ist Torwarttrainer Tomas Svensson, der neben Sveinsson ebenfalls einen neuen Vertrag erhielt: "Perfekt ist die Kombination mit Tomas, der mit Blick auf seine Persönlichkeit und Erfahrung für den SCM viel mehr ist, als nur ein Torwarttrainer. Jannick, Dario und auch Philip werden von der weiteren Zusammenarbeit erheblich profitieren", ist sich Stiebler sicher. Das nötige Siegergen bringt der ehemalige schwedische Weltklassekeeper mit: Er wurde in seiner langen Karriere zweimal Weltmeister, dreimal Europameister und ist sechsfacher Champions-League-Sieger!

Von solchen Titeln träumt auch Linksaußen Matthias Musche, der mit seiner unbekümmerten Art bei der Nationalmannschaft im Januar in Katar schon für Furore sorgte. Als Ersatz für die 23-jährige zuverlässige Stammkraft steht mit Yves Grafenhorst ein echtes Eigengewächs bereit. Seit 2003 steht der mittlerweile 31-Jährige beim SCM unter Vertrag, spielte in seiner Karriere nie bei einem anderen Verein und hält so die Fahne für den Traditionsklub wie kein zweiter hoch.

Im linken Rückraum sind die Magdeburger dagegen komplett neu aufgestellt, das dynamische Duo Lemke und Damgaard verspricht aber große Perspektive und viel Freude. Verständlicherweise werden beide Spieler auch erst gewisse Eingewöhnungszeit brauchen, bleiben die beiden Akteure aber verletzungsfrei, geben sie dem Team zweifelsfrei einen großen Qualitätsschub.

Bezjak und Musa: Zwei alte Weggefährten

Auf der Mitte setzt der SCM vor allem auf Erfahrung: Der 31-jährige Michael Haaß ist für die Defensive von Bedeutung, der slowenische Nationalspieler Bezjak könnte in Kombination mit seinem alten Weggefährten Musa am Kreis zu einer echten Magdeburger Waffe werden. Eine solche sind Natek und Rojewski auf der rechten Rückraumseite längst, eine ähnliche Ausbeute wie im letzten Jahr wäre keine Überraschung. Dazu kommt, dass sich der Traditionsverein für die nächste Spielzeit bereits die Dienste des "hochinteressanten" Nemanja Zelenovic gesichert hat .

Auf Rechtsaußen ackert für die Magdeburger mit Robert Weber die Zuverlässigkeit und Torgefahr in Person. Seine Ausbeute aus der vergangenen Spielzeit mit 271 Toren war immerhin die viertbeste, die je in der Geschichte der Bundesliga erreicht wurde . Verletzt sich der Österreicher, könnte die Sveinsson-Sieben angesichts der blutjungen und unerfahrenen Ersatzleute Andre Czech (Jahrgang 1996) und Nico Richter (1997) aber Probleme bekommen.

Dieser Grund zur Sorge besteht auf der Kreisläuferpositon vorerst nicht mehr: Musa wird mit ein wenig Eingewöhnungszeit vorne mit Bezjak viel Unruhe stiften, dazu hinten gemeinsam mit Lemke für mehr Stabilität sorgen. Der neu formierte, hochgewachsene Innenblock soll die mit Abstand schwächste Defensive der Top fünf in der vergangenen Saison (994 Gegentore) zunehmend stabilisieren. Tatkräftige Unterstützung darf sich Musa dabei vom Dänen Jacob Bagersted erhoffen.

msc

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