Nationalelf

Ter Stegens irritierende Coolness

Keeper ließ die richtige Einstellung vermissen

Ter Stegens irritierende Coolness

"Ich sehe den Ball nicht mehr vor lauter Wasser": Marc-André ter Stegen.

"Ich sehe den Ball nicht mehr vor lauter Wasser": Marc-André ter Stegen. Getty Images

Aus dem Trainingslager in Ascona berichtet Thiemo Müller

Von einem "Fluch" sprach gar ein Reporter nach dem 1:3 gegen die Slowakei, was ter Stegen als "Quatsch" abtat. Doch an den Fakten gibt es nichts zu deuteln. In seinem sechsten Länderspiel unterlief dem hoch veranlagten Schlussmann bereits die dritte denkwürdige Minus-Leistung. Dem rabenschwarzen Einstand folgte im Juni 2013 beim 3:4 in den USA jener groteske Patzer, als ter Stegen einen harmlosen Rückpass von Benedikt Höwedes ins eigene Netz stolperte. Und nun also der nächste haarsträubende Fauxpas mit dem "Tunnel" nach Kuckas mittigem Flachschuss kurz nach ter Stegens Einwechslung zur Halbzeit. Eine Peinlichkeit, die zwangsläufig die Debatte neu anstieß, ob nicht doch der im DFB-Trikot regelmäßig zuverlässige Ron-Robert Zieler das EM-Ticket eher verdient gehabt hätte.

Derweil bleibt Bundestrainer Joachim Löw nichts anderes übrig, als ter Stegens neuerlichen Patzer möglichst unaufgeregt einzuordnen: "Der Platz war nass, der Ball war rutschig. Ich weiß, dass er den normalerweise hält. Das Vertrauen in Marc-André ist nicht beeinträchtigt." Bemerkenswert gelassen reagierte auch der Unglücksrabe selbst, der zwar die Schuld voll auf sich nimmt ("mein Fehler, gar keine Frage"), aber auch anmerkt: "Ich sehe den Ball nicht mehr vor lauter Wasser." Zerknirscht wirkte ter Stegen schon kurz nach Schlusspfiff ganz und gar nicht: "Ich werde die Situation nicht überbewerten, es war ein Freundschaftsspiel. Ich werde ab Montag wieder gut trainieren, dann geht es weiter."

Ter Stegen ließ sich nicht auf Bedingungen ein

Mag es auch grundsätzlich eine Stärke sein, sich mit Fehlern im Nachhinein nicht zu lange aufzuhalten - ter Stegens demonstrative Coolness konnte am Sonntagabend auch irritierend wirken. Speziell vor dem Hintergrund, dass er grundsätzlich nicht die passende Einstellung zu den nach einem Wolkenbruch widrigen Bedingungen zu finden schien.

Bereits kurz vor Anpfiff der zweiten Halbzeit schüttelte er in Anbetracht der Platzverhältnisse resignierend den Kopf. Nach dem Gegentor spielte er einen Abstoß demonstrativ zu kurz und verlieh seinem Ärger über den Rasen gestikulierend Ausdruck. Über die Bereitschaft, solche äußeren Umstände top-professionell anzunehmen - auch in einem Freundschaftsspiel - dürften Löw und Torwarttrainer Andy Köpke mit ihrem Schützling vermutlich intensiver reden als über das Gegentor an sich. Die Gefahr, dass ter Stegens "Nationalelf-Fluch" zunehmend zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird, ist inzwischen nicht mehr von der Hand zu weisen. "Ich weiß, was Marc-André kann und schon gezeigt hat", sagte Löw am Sonntagabend. Verbunden mit dem Zusatz: "Beim FC Barcelona."