Bundesliga

Pizarro: Ein Star in der Nebenrolle

Werder-Stürmer zwischen Heilsbringer und Reinfall

Pizarro: Ein Star in der Nebenrolle

Der Euphorie folgte die Ernüchterung: Claudio Pizarro ist auf dem Bremer Boden der Tatsachen angekommen.

Der Euphorie folgte die Ernüchterung: Claudio Pizarro ist auf dem Bremer Boden der Tatsachen angekommen. picture alliance

Pizarro, so träumten einige, würde die Grün-Weißen zumindest wieder ein Stückchen näher an das sportliche Niveau des Rivalen von der Isar heranbringen, dem Werder einst über Jahre hinweg sogar im Titelrennen Paroli bot. Doch vor der aktuellen Auflage des früheren Nord-Süd-Schlagers und Pizarros Wiedersehen mit den Bayern am kommenden Samstag ist an der Weser längst Ernüchterung eingekehrt.

Dabei begann alles so verheißungsvoll, auch auf dem Rasen. Bei seinem ersten Kurzeinsatz, am vierten Spieltag in Hoffenheim, bereitete Pizarro in der Nachspielzeit den Treffer zum 2:1 von Sturmkollege Anthony Ujah vor, Werder siegte am Ende sogar mit 3:1 und stand auf Platz sechs, punktgleich mit Schalke. Direkt nach Abpfiff bestätigte Pizarro vor laufender Kamera, seine neue Mannschaft sei tatsächlich ein Kandidat für die Europa League. Und nach einer Nacht des Darüberschlafens setzte der Routinier noch einen drauf: Auch die Champions-League-Qualifikation sei möglich, "warum nicht?".

Scharfe Lemke-Schelte für Pizarro

Neue, forsche Töne an der Weser, wo zuvor ein einstelliger Tabellenplatz als Maß aller Dinge galt. Die Verantwortlichen fanden es gut, zumindest offiziell. "Auch dafür haben wir Claudio geholt, dass er seine Siegermentalität in die Mannschaft einbringt", lobte etwa Sportchef Thomas Eichin. Einziges Problem: Dem "Dreier" in Hoffenheim folgte kein Sieg mehr, stattdessen vier Niederlagen am Stück, u.a. gegen die Aufsteiger Ingolstadt und Darmstadt sowie das bis dahin sieglose Schlusslicht Hannover.

Pizarros Versuch, Werder etwas vom viel zitierten "Bayern-Gen" einzupflanzen, wurde prompt viel kritischer bewertet. Die schärfste Schelte kam von Aufsichtsrat und Ex-Manager Willi Lemke: "Ich habe mich da sehr gewundert. Das war ganz unbremisch und nicht besonders schlau." Aber, so Lemke, "jungen Leuten passiert so etwas mal". Ein spöttischer Zusatz, der genau genommen sogar Pizarros grundsätzliche Reife als Führungsfigur infrage stellt. Und selbst Trainer Viktor Skripnik kanzelte seinen einstigen Mitspieler ungewohnt barsch ab, als dieser seine Europa-Ambitionen mitten in der Niederlagenserie nochmals untermauerte: "Das zeigt, dass Claudio lange nicht bei uns gewesen ist."

Oldie fehlt es an Laufvermögen

Sicher wäre es verfehlt, Pizarro die Verantwortung für den Absturz zu geben, "nur weil er von Europa gesprochen hat", wie Co.-Trainer Torsten Frings zu Recht festhält. Dennoch: Pizarros Start als "Leader" neben dem Platz ist in der öffentlichen Wahrnehmung zwangsläufig misslungen. Noch gravierender wirkt sich der Umstand aus, dass der Angreifer auch auf dem Feld seine Rolle noch nicht gefunden hat.

Dem Traumdebüt in Hoffenheim folgte die Heimpremiere gegen Ingolstadt ab Beginn der zweiten Halbzeit als "Zehner". Dabei bestätigte Pizarro zwar Qualitäten als Ballverteiler, als entscheidende Erkenntnis setzte sich aber auch bei Skripnik fest: Im Mittelfeld fehlt es dem Oldie schlichtweg am geforderten Laufvermögen. Gleiches scheint generell (noch) für 90-Minuten-Einsätze zu gelten. Gegen Leverkusen durfte Pizarro über die volle Distanz als Stürmer ran. "Damit", erklärte Frings später, "haben wir ihm vielleicht keinen Gefallen getan." In Hannover folgte dann wieder ein 30-minütiger Jokereinsatz, bei dem der Hoffnungsträger indes wie ein Fremdkörper wirkte. So weit, so ernüchternd.

Vorbildliche Berufsauffassung

Zumindest für all diejenigen, die an (Fußball-)Märchen glauben. Gemessen an einer realistischen Erwartungshaltung ist Pizarros bisheriges Wirken dagegen keine Enttäuschung, sondern eine Bestätigung des Absehbaren. In der gesamten vergangenen Saison absolvierte er für den FC Bayern in allen drei Wettbewerben rund 370 Pflichtspielminuten - schon jetzt hat er für Werder nahezu die Hälfte auf dem Buckel. Zugleich liegt hinter Pizarro eine Spielzeit mit diversen muskulären Verletzungen, während ihm eine komplette Sommervorbereitung mit der Mannschaft fehlt.

So gesehen bedeutet es schon einen bemerkenswerten Fortschritt, wie schnell und beschwerdefrei sich Pizarro an die volle Belastung des Mannschaftstrainings und den zunächst wieder ungewohnten Spielrhythmus angepasst hat. Folge einer augenscheinlich vorbildlichen Berufsauffassung: "Im Kraftraum ist Claudio immer der Erste", bestätigt etwa Torhüter Felix Wiedwald. "Jeder Einsatz bringt ihn weiter", betont zudem Eichin.

Nebenrolle gegen Bayern München

Demnach könnte auch die aktuelle Länderspielreise Teil einer positiven Entwicklung werden, auch wenn sie gewiss nicht die ideale Vorbereitung aufs Bayern-Spiel darstellt. Beim 0:2 in Kolumbien führte Pizarro die peruanische Elf jüngst als Kapitän aufs Feld, wurde nach 74 Minuten ausgewechselt. Diesen Mittwoch folgt das Heimspiel gegen Chile. In Bremen zurückerwartet wird Pizarro erst am Freitag, soll dann zumindest noch am Abschlusstraining teilnehmen.

Ein Großteil der öffentlichen Aufmerksamkeit wird sich dann wegen des Wiedersehens mit den alten Kameraden wieder einmal auf den Publikumsliebling richten. Faktisch dürfte der Star aber sowohl am Samstag als auch bis auf weiteres allenfalls eine Nebenrolle spielen. Daraus abzuleiten, Pizarros drittes Werder-Engagement werde als Reinfall enden, wäre aber zumindest vorschnell. Entscheidend wird am Ende sein, wie oft Pizarro aus seiner Nebenrolle das Optimum herausholt - wie beim Acht-Minuten-Einsatz in Hoffenheim.

Thiemo Müller

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