WM

Lloris: "Die Wahrheit liegt auf dem Platz"

Frankreich: Vor dem Duell gegen Deutschland

Lloris: "Die Wahrheit liegt auf dem Platz"

Schüler und Lehrer: Mamadou Sakho und Didier Deschamps (re.).

Schüler und Lehrer: Mamadou Sakho und Didier Deschamps (re.). Getty Images

Aus Brasilien berichtet: Jörg Wolfrum

Dieser Freitag kann auch wieder so ein Tag werden, einer, der mal für eine Wegscheide stehen wird. So wie der 19. November. Das sei damals der Abend gewesen, der alles verändert habe. Sagt Didier Deschamps auf die Frage, was denn nun anders sei im Vergleich zu vor zwei Jahren, dem unglücklichen Auftritt bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine und der Entwicklung seither.

Am 19. November 2013 qualifizierte sich Frankreich gegen eben diese Ukraine für die WM im Fußball-Traumland Brasilien. Und sie tat es nach einem 0:2 im Hinspiel in Kiew für manche unerwartet. Doch dann folgte in Paris eben eine dieser magischen Nächte, am Ende stand nach Toren von Karim Benzema und zweimal Mamadou Sakho, jeweils durch Vorarbeit von Franck Ribery, ein 3:0.

"Das war’s", sagt Nationaltrainer Deschamps, bewusst verkürzend gibt sich der Weltmeister von 1998. Das Erlebnis des Abends, eine verloren geglaubte Qualifikation noch umgebogen zu haben und die Sogwirkung darauf auf die Mannschaft, die Psyche der Spieler. Das sei es gewesen. Technische, taktische, aber vor allem auch persönliche Dinge hätten die Bleus "hierher" gebracht. Hierher, das ist: das legendäre Maracana-Stadion, in dem am Freitag um 18 Uhr MESZ das Viertelfinale gegen Deutschland ansteht.

Frankreich habe immer starke Spieler gehabt, aber nun sei das Team "zu einer Einheit gewachsen", sagte Deschamps gut 24 Stunden vor dem Match am Rande des Abschlusstrainings im Stadion. Vor allem auch "mental. Der Stolz ist da, das Trikot zu tragen". Das Trikot der Equipe Tricolore. Die Mannschaft tritt heute auf und neben dem Platz als Einheit auf, kein Vergleich zum Hauen und Stechen und allgemein rüpelhaftem Auftreten etwa bei der WM unter Raymond Domenech oder 2012 bei der EURO unter Laurent Blanc. Wohl auch deshalb hat Deschamps vor der WM einen Quertreiber wie Manchester Citys Samir Nasri aus dem Kader gestrichen. Und prompt hatte sich dessen Freundin danach in wüster Art über Twitter beschwert.

Bei den 23, die nun in Brasilien und Rio sind, ist die "mentale Einstellung ist hervorragend. Das ist ganz wichtig bei einer WM." Wer wüsste das besser als der 102-malige Nationalspieler, als Aktiver Weltmeister von 1998. Kapitän war er damals.

Deschamps will Nigeria und Schweiz vergessen

Hugo Lloris

Trainieren für Deutschland: Hugo Lloris. Getty Images

Ein klarer, verdienter 2:0-Sieg gegen Nigeria brachte den Franzosen das Duell mit Deutschland. Zählt jetzt aber nicht mehr, wie auch das 5:2 gegen die Schweiz aus der Gruppenphase. Deschamps weiß, dass die Schlagzahl nun erhöht werden muss. "Die Anforderungen werden immer höher. Deutschland ist auf dem Papier natürlich Nigeria überlegen. Auch wir müssen uns daher auf allen Ebenen verbessern."

Dass DFB-Manager Oliver Bierhoff Frankreich als Titelkandidaten bezeichnete, löste bei Deschamps zunächst nur ein "Bierhoff ist nett" aus. Um dann aber nachzulegen: "Er kann alles sagen. Ich auch. Es gibt bei einem Turnier immer Mannschaften, die man herausheben kann. Deutschland und Frankreich gehören dazu. Natürlich werden wir alles versuchen."

Dass es ein Clash der Systeme werde, davon wollte der Coach dann aber doch nichts wissen. Man spiele doch bisher taktisch fast gleich, "einzig die Spieler sind unterschiedlich. Es geht um das Profil des Einzelnen. Wen bringe ich, wen bringt der Gegner? Das ist der Schlüssel, ob defensiv oder offensiv etwas anderes entsteht." Deschamps macht sich da natürlich profunde Gedanken, auch wenn er nach außen salopp sagt: "Spielt Lahm auf Rechts, dann spielt er nicht in der Mitte. Oder umgekehrt."

Doch dann wird er schnell wieder ernst: Er habe bei Deutschland im bisherigen Turnierverlauf "Änderungen in den Personalien, aber keine im System" gesehen. Und auch keine wirklichen Schwierigkeiten, selbst beim 2:2 gegen Ghana nicht. Beim 4:0 gegen Portugal habe das Löw-Team natürlich die Rote Karte gegen Pepe begünstigt. Aber Vorsicht, so der 45-Jährige: "Deutschland hat eine solide Mannschaft, starke Individuen, die den Ball fordern und dem Gegner ihren Rhythmus aufzwingen wollen."

Wir wollen die schönste Seite des Geschichtsbuchs in Sachen Duelle gegen Deutschland jetzt schreiben.

Didier Deschamps

Das will er morgen verhindern, vor dem vermeintlich großen Duell verspüre er bei seiner Equipe aber "keine Angst, nur Freude". Diesen Begriff hatte auch Hugo Lloris vor dem Training verwendet: "Freude, hier zu sein." Alles sei möglich, sagte der Tottenham-Torhüter, er meinte es natürlich positiv für Frankreich. "Wir haben Vertrauen ins uns."

Um womöglich nach den verlorenen Halbfinals 1982 und 1986 den WM-Coup gegen Deutschland zu schaffen? Mit Blick auf die Historie spricht dann doch wieder Nationaltrainer Deschamps: "Wir haben keinen Druck." Und deshalb wolle man alles geben, um "die schönste Seite des Geschichtsbuchs" in Sachen Duelle mit Deutschland "jetzt zu schreiben". Beispielhaft sei da etwa Mamadou Sakho. Der Liverpool-Profi habe sich seit dem 19. November "weiterentwickelt, er ist ein richtig wichtiger Spieler für uns geworden", lobte Deschamps den 24-Jährigen.

Ob man Kontakt gehabt habe zu Franck Ribery, der beim "Das war’s Abend" gegen die Ukraine ja eines der entscheidenden Tore gemacht hatte, wurde Keeper Lloris dann noch gefragt. Zumal der Bayern-Spieler ja vielleicht etwas über die Taktik der Deutschen verraten könnte? Der 27-Jährige kurz und knapp: "Nein." Ob Deutschland Favorit sei? "Die Wahrheit liegt auf dem Platz." Sprach's und ging, voller Zuversicht. Der Kapitän der Grande Nation.