WM

Sampaoli: "Kampfkraft, Courage und Charakter"

Chile spielt ohne Angst und mit Vidal

Sampaoli: "Kampfkraft, Courage und Charakter"

Möchte mit erhobenem Haupt vom Platz: Chiles Trainer Jorge Sampaoli.

Möchte mit erhobenem Haupt vom Platz: Chiles Trainer Jorge Sampaoli. Getty Images

Aus Belo Horizonte berichtet Jörg Wolfrum

Stunden zuvor hatte ein anderer Verteidiger erklärt: "Wir müssen Vorsicht walten lassen, sonst erleben wir ein Überraschung." Es scheint, als hätten sich da zwei widersprochen. Doch weit gefehlt, beide hatten die gleiche Stoßrichtung, denn die Sache mit der "Überraschung", der bösen natürlich, hatte ja Brasiliens Abwehrchef Thiago Silva ausgesprochen.

Am Tag vor dem Spiel im Stadion Mineirao von Belo Horizonte schienen die Verhältnisse verrückt, dort die angriffslustigen Chilenen, so hatten sie sich ja schon in all den WM-Tagen präsentiert, inklusive Vorbereitung. Und all die Macho-Sprüche gipfelten immer wieder in Aussagen der beiden Stars Alexis Sanchez und Arturo Vidal: "Wir wollen Weltmeister werden."

Dumm nur, dass es jetzt gegen Brasilien geht, den Gastgeber. Der hat zwar nicht gänzlich überzeugt bei diesem Turnier, deshalb haute Kapitän Thiago Silva ja auch nicht verbal auf den Tisch. Aber gänzlich überzeugt hat ja Chile auch nach den beiden Auftakt-Siegen gegen Australien und Spanien zum Gruppenabschluss beim 0:2 gegen die Niederlande nicht. Und schon beim 1:3 gegen Australien hatte man ein eher leicht zu verteidigendes Kopfball-Tor kassiert, Gary Medel war da nicht ausreichend gesprungen. Dennoch spricht Verteidiger Mena zu Recht davon, "dass wir uns Respekt erarbeitet haben". Nicht nur bei der WM.

Etwa, schob Trainer Jorge Sampaoli nach, im März beim 0:1 im Test in Stuttgart gegen Deutschland. "Jenseits des Resultats möchte ich, dass die Mannschaft auch nach dem Brasilien-Spiel wie damals mit erhobenem Haupt vom Platz gehen kann." Vor knapp vier Monaten waren die Chilenen sogar vom schwäbischen Publikum mit Applaus verabschiedet worden nach einem couragierten Auftritt. Früh attackiert hatte die lauf- und kampfstarke Roja damals, war immer wieder sofort in die sich bietenden Räume gestoßen.

Ein solches Match erwartet Sampaoli, der argentinische Coach, auch gegen Brasilien. "Wir können ohne Angst aufspielen und zeigen, dass wir der Herausforderung gewachsen sind, gegen den fünffachen Weltmeister in dessen Heimat anzutreten." Stand Freitagabend könnte Verteidiger Medel, der mit dem Patzer beim Kopfballtor der Australier, wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel aber "nicht spielen", so Sampaoli. Doch abschreiben wollte er den Abwehrspieler von Cardiff City nicht: "Er hat diesen unglaublichen Willen, dass er bis morgen einsatzfähig ist. Wir werden bis zur letzten Minute auf ihn warten."

Sampaoli bestätigt: "Vidal kann spielen"

Sampaoli verglich da Medel mit dem Ex-Leverkusener Vidal, der ja erst am 7. Mai am Meniskus operiert worden war, und längst wieder einsatzfähig - wenn er vielleicht auch noch nicht bei 100 Prozent steht. Doch Sampaoli bestätigte: "Vidal kann spielen." Beide hätten diese "Kraft und Einstellung", die man nicht lernen könne, hatte der Trainer dieser Tage schon mehrfach gesagt. Sollte Medel ausfallen, wird vermutlich Miiko Albornoz ins Team rücken.

So oder so werde das Spiel aber "über die Räume" entschieden: Die Roja müsse sie besetzen, Jorge Valdivia als ein Spieler, der es versteht, die Bälle zu stecken, wäre daher eine Option im Mittelfeld. "Er sucht die Räume", sagte Sampaoli. Zugleich dürfe sein Team diese den Brasilianern aber "nicht anbieten". Das spräche eher für eine defensivere Vierer- statt Dreierkette in der Abwehr. Doch dann würde ein Akteur im Mittelfeld fehlen für das hohe Pressing, dass die Chilenen zugleich auszeichnet. Wer auch immer spielt: "Kampfkraft, Courage und Charakter", sind gefragt, unterstrich Sampaoli.

"Brasilien muss seine Geschichte bestätigen. Wir müssen erst noch Geschichte schreiben", gab der Trainer als Losung aus. Es war zugleich eine Aufforderung an seine Mannschaft. Brasilien spielte mit sieben ja mehr Endspiele als Chile K.o.-Matches bei WM-Endrunden (fünf). "Wir können ohne Angst aufspielen. Es ist ein Traum für uns", betonte Sampaoli, für den es als Argentinier ja zugleich gegen den Erzrivalen seines Heimatlandes geht. Hoffentlich folgt kein böses Erwachen. Werden sich die Anhänger der Chilenen denken.