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"Keine alten, von der Wirklichkeit entrückten Funktionäre"

Interview mit DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg

"Keine alten, von der Wirklichkeit entrückten Funktionäre"

Sieht den DFB grundsätzlich gut aufgestellt: Vizepräsident Eugen Gehlenborg.

Sieht den DFB grundsätzlich gut aufgestellt: Vizepräsident Eugen Gehlenborg. imago

Seit 1983 ist der Niedersachse ehrenamtlich im Verband tätig und seit 2009 Präsident des Norddeutschen Fußballverbandes. Im DFB-Präsidium ist er als Vize für Sozial- und Gesellschaftspolitik tätig. Im Interview mit dem kicker spricht er über Reinhard Grindel, den Ärger von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke über die Nominierung Grindels als Niersbach-Nachfolger, Franz Beckenbauers Kritik an Reinhard Rauball und Rainer Koch und die mögliche Aberkennung der Gemeinnützigkeit für den DFB.

kicker: Herr Gehlenborg, Ihr DFB-Präsidiumskollege Reinhard Rauball hatte angekündigt, die zu begleichenden 2,5 Millionen Euro an Steuern an das Frankfurter Finanzamt zu überweisen. Ist dies nun geschehen?

Gehlenborg: Das war so geplant, wurde aber auf Anraten von Steuerrechtsexperten zunächst zurückgestellt.

kicker: Da die 6,7 Mio. Euro nach bisheriger Darstellung der Auslösung einer persönlichen Schuld Franz Beckenbauers bei Robert Louis-Dreyfus dienten: Prüft der DFB, dieses Geld von Franz Beckenbauer zurückzufordern?

Gehlenborg: Die Prüfung einer solchen Rückforderung kann und wird erst dann erfolgen, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen.

Hier sitzen nicht – wie in einigen Medien dargestellt – alte, von der Wirklichkeit entrückte Funktionäre, sondern renommierte Richter, Anwälte, Abgeordnete, Leitungspersonal aus Ministerien und DFL-Führungskräfte.

Eugen Gehlenborg über den DFB

kicker: Vertreter der Profiklubs reagierten pikiert auf die Präsentation von Reinhard Grindel als Kandidat der Amateurverbände. Haben Sie Verständnis für diese Kritik?

Gehlenborg: Die Reaktion wäre dann berechtigt, wenn es – wie leider kolportiert – die Auffassung der Regional- und Landesverbände wäre, dass Personalpolitik vor lückenlose Aufklärung geht und man in Windeseile einen Kopf durch den anderen ersetzen will, wie es Hans-Joachim Watzke behauptet hat. Dies ist nachweislich nicht der Fall. Auch den Vertretern der Verbände ist bewusst, dass eine Präsidentenwahl vor Klärung der offenen Fragen weder sachdienlich noch hilfreich für die gewählte Person und im Sinn des DFB wäre. Im Übrigen ist es nicht nur das demokratische Recht der Verbandsvertreter, sondern es liegt auch in deren Verantwortung, möglichst einen einheitlichen Vorschlag zu machen.

kicker: Am Freitag stellte das DFB-Präsidium klar, dass zunächst die 2006er-Affäre aufgeklärt werden müsse, ehe ein Wahl-Bundestag einberufen werden könne. Gibt es einen konkreten Zeitplan?

Gehlenborg: Das DFB-Präsidium hat sich nicht mit einem neuen Zeitplan befassen müssen. Es gab lediglich eine Klarstellung der unveränderten gemeinsamen Positionen. Zunächst vollständige Sachaufklärung, dann Prüfung der Konsequenzen und anschließend Wahl eines neuen Präsidenten. Es besteht aber Einigkeit, dass sich die Aufklärung nicht endlos hinziehen darf. Die damit befassten Institutionen gaben uns die Auskunft, dass ein außerordentlicher Bundestag mit der Wahl eines neuen Präsidenten Mitte oder Ende März 2016 möglich sei.

kicker: Muss sich der DFB umstrukturieren in ein Unternehmen mit hauptamtlicher Geschäftsleitung und einem Kontrollorgan wie einem Aufsichtsrat?

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Gehlenborg: Es gehört zu unserer Verantwortung, Bewährtes zu erhalten und Neues zu gestalten. Insoweit müssen wir bis zum ordentlichen Bundestag im November 2016 gemeinsam prüfen, welche Strukturen sich bewährt haben und wo es Änderungsbedarf gibt. Das von einigen DFL-Vertretern favorisierte Modell mit Aufsichtsrat und hauptamtlichem Vorstand ist eines, das uns im WM-Organisationskomitee die aktuellen Probleme eingebrockt hat. Auch sind die jüngsten Erfahrungen in der Wirtschaft mit diesem Modell nicht gerade eine Empfehlung. Große Nationalverbände in Europa haben erst kürzlich öffentlich eine Ausrichtung ihrer Verbände analog zur DFB-Struktur diskutiert. Der WM-Titel oder die geplante DFB-Akademie sind für mich ein Beleg dafür, dass dieser DFB grundsätzlich gut aufgestellt ist.

kicker: Hat das Modell mit einem ehrenamtlichen DFB-Präsidenten ausgedient?

Gehlenborg: Der DFB ist mit einem ehrenamtlichen Präsidenten bis dato gut gefahren. Es handelte sich dabei um Persönlichkeiten, die sowohl im so genannten öffentlichen Leben als auch im Berufsleben sehr erfolgreich waren. Warum sollte das Modell ausgedient haben? Man darf auch von einem hauptberuflichen Präsidenten keine Perfektion erwarten. Der gesamte DFB wird über seine Verbände ehrenamtlich getragen, eine hauptberufliche Lösung auf Bundesebene würde an der Basis sehr kritisch gesehen. Gleiches gilt für das Präsidium. Hier sitzen nicht - wie in einigen Medien dargestellt - alte, von der Wirklichkeit entrückte Funktionäre, sondern renommierte Richter, Anwälte, Abgeordnete, Leitungspersonal aus Ministerien und DFL-Führungskräfte.

kicker: Richter, Abgeordnete und Ministerialbeamte wissen nicht, wie man Unternehmen führt...

Gehlenborg: Der DFB ist ein gemeinnütziger Verein, der dem Gemeinwohl zu dienen hat. Hier steht der DFB in der Verantwortung, sowohl betriebswirtschaftlich als auch nach gesellschaftlich-sozialen Belangen handeln zu müssen. Die gemeinnützige Kompetenz ist nachweislich bei den oben genannten Personen vorhanden, zumal sie in der Regel auch einen Regional- oder Landesverband verantwortlich leiten. Unterstützung erhalten sie durch Hauptamtliche, die mit entsprechenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen im Präsidium vertreten sind.

kicker: Braucht der DFB eine Ethikkommission?

Eugen Gehlenborg: Ob das opportun ist, werden die laufenden Untersuchungen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zeigen. Es gehört zur Verantwortung des Präsidiums, offenkundige Optimierungsmöglichkeiten umzusetzen. Aber es gilt auch, nicht dem Zeitgeist hinterherzulaufen.

Meines Erachtens sind die bisherige politische Arbeit und seine Verbindungen auf Bundesebene wichtig für seine sportpolitische Kompetenz und Handlungsfähigkeit.

Eugen Gehlenborg über Reinhard Grindel

kicker: Grindel hat angekündigt, für den Fall seiner Wahl aus dem Bundestag auszuscheiden. Dennoch: Stand er nicht zu lange im Spannungsfeld zwischen Politik, unter anderem als stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses, und Sport, um das Amt unbeschädigt angehen zu können?

Gehlenborg: Meines Erachtens sind die bisherige politische Arbeit und seine Verbindungen auf Bundesebene wichtig für seine sportpolitische Kompetenz und Handlungsfähigkeit. Eine Beschädigung oder Beeinträchtigung mit Blick auf das Wirken als Präsident sehe ich darin jedenfalls nicht.

kicker: Haben Sie Angst, dass der DFB seine Gemeinnützigkeit verliert?

Gehlenborg: Es geht um eine eventuelle Aberkennung der Gemeinnützigkeit für 2006. Die Rechtmäßigkeit der damaligen Steuerermäßigung wird von den Behörden überprüft. Sollte sich, was noch nicht geklärt ist, herausstellen, dass diese nicht rechtens war, so wird es zu Sanktionen einschließlich der Aberkennung der Gemeinnützigkeit für 2006 kommen. Eine grundsätzliche Aberkennung befürchte ich nicht.

kicker: Theo Zwanziger kritisiert die Verbindungen zwischen Freshfields-Chef-Ermittler Christian Duve und DFB-Präsidialbüroleiter Friedrich Curtius. Wie sehen Sie diese Verbindung?

Gehlenborg: Die bisherigen Ergebnisse verdeutlichen, dass Kritik an der Bestellung unberechtigt ist.

kicker: Franz Beckenbauer wirft Reinhard Rauball und Rainer Koch vor, trotz eines persönlichen Briefes nicht das Gespräch mit ihm gesucht zu haben. Wie haben sich Rauball und Koch dafür vor dem Präsidium gerechtfertigt?

Gehlenborg: Sowohl Herr Rauball als auch Dr. Koch, die gemeinsam mit Reinhard Grindel ein hoch professionelles Krisenmanagement leisten, haben nachweislich auf den Brief von Franz Beckenbauer positiv geantwortet. Allerdings haben die jüngsten dramatischen Ereignisse die Terminfindung für ein gemeinsames Gespräch erschwert.

Interview: Benni Hofmann