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Das erste Mal: "Maracanazo" endet glimpflich

Neue Arena findet nicht ungeteilte Zustimmung

Das erste Mal: "Maracanazo" endet glimpflich

Beindruckende Kulisse: Das neue Maracana-Stadion in Rio de Janeiro

Beindruckende Kulisse: Das neue Maracana-Stadion in Rio de Janeiro imago

Für den kicker in Brasilien: Hans-Günter Klemm

Denn auch ich habe mein persönliches Maracanazo erlebt, ein schreckliches Erlebnis, das alle Futebol-Fans in Brasil mit dem Verlust der sicher geglaubten Weltmeisterschaft 1950 bei der Niederlage gegen Uruguay ertragen mussten und bis heute noch beklagen. Es war beim ersten Arbeitseinsatz. Argentinien gegen Bosnien-Herzegowina. Die Zeit war knapp, um rechtzeitig in den Komplex zu gelangen, der offiziell "Estádio Jornalista Mário Filho" heißt. Zuvor noch eine Stippvisite bei den Holländern, die auf dem Flamengo-Gelände üben. Dann mit dem Auto durch Botafogo zur Metro, mit der grünen Linie sechs Stationen bis Maracana. Weil die Straßen weiträumig abgesperrt waren, wie Jörg Wolfrum, mein Kollege, des Spanischen mächtig ist und somit auch portugiesisch auf Ballhöhe, mitbekommen hatte.

Eine Stunde noch bis zum Anpfiff. Chaos vor der Station. Eine Menschenmasse, ein Gedränge, ein Geschubse, ein Gegröhle. Mir wird unheimlich, erstmals seit zehn Tagen in Brasilien. Der Geldbeutel wird gesichert, vorn in die Hosentasche, Hand immer am Barem und am Plastikgeld. Gemeinsam mit einem Kollegen von dpa bin ich unterwegs. Wir schauen uns an. Ein Blick, der besagt alles besagt. Vorsicht, es lauert Gefahr!

Langfinger schlugen zu

Wir quälen uns durch die Leute. Gut angekommen im Stadion. Denkste! Die Überraschung folgt. Als ich auf die Presstribüne will, greife ich zu meiner Akkreditierung. Schon immer platziere ich dort meine Pressekarte. Es ist immer gut gegangen. In Korea, in Südafrika, in Frankreich sowieso und erst recht beim Sommermärchen in Deutschland 2006. Einmal ist immer das erste Mal. In Brasilien ist es passiert. Ich schaue, ich suche, ich greife in alle Taschen. Vergeblich, keine Karte da. Flinke Finger müssen sie mir gestohlen haben, ohne dass ich es bemerkt habe. Begehrt sind die Tickets, wie wir gesehen haben. Auf dem Schwarzmarkt wurden Karten mit dem Originalpreis von gut 80 Euro für 300 bis 400 Euro angeboten. Diesen Kurs wird meine Karte erzielt haben – nur mit dem Unterschied, dass der Käufer betrogen worden ist. Denn ohne die Presse-Zulassung ist das Ticket wertlos.

Ein Schock für mich, doch zum Glück keine Katastrophe. Aktuell müssen wir bei diesem späten Spiel nicht arbeiten. Ich könnte zur Not im Medien-Zentrum alles im TV sehen. Doch wer schon vor Ort ist, der möchte live auf den Rängen in der Riesenschüssel dabei sein. Also zu den FIFA-Leuten. Die können helfen, stellen ein Ersatzticket aus.

Ende gut, alles gut

Als die Nationalhymnen gespielt werden, höre ich noch die letzten Takte. Fünf Minuten vor dem Anpfiff sitze ich auf meinem Platz. Gemeinsam mit 73.350 Besuchern verfolge ich in der für 360 Millionen Euro renovierten Arena die Partie. Mir gefällt das neue Maracana, was nicht bei allen Brasilianern der Fall ist. Sie nörgeln über die moderne Konstruktion. Für mich ist es eine zweckmäßige Architektur, die dennoch irgendwie den Charakter des alten, 1950 erbauten Schauplatzes erhalten hat – trotz der zahlreiche Umbauten. Einst sollen bis zu 200.000 Menschen hier herein gepasst haben. Auch Popstars wie Frank Sinatra, Tina Turner und Paul McCartney zogen die Massen an. Weltrekord, für kulturelle Veranstaltungen, so steht es im Reiseführer: 195.000 Musikfans bei einem Konzert der Gruppe "a-ha" 1990 bei Rock in Rio II., fast so viele hat auch Papst Johannes Paul II. angelockt, als er 1980 eine Messe hielt.

Ich bin fasziniert. Ich genieße den Augenblick, mitunter weniger die eher in geringen Dosen verabreichten Künste der Profis als den Blick auf das imposante Rund, wo die argentinischen Fans das Maracana auf den Rängen erobern wie weiland die "Urus" auf dem Spielfeld. Alles gut am Ende. Mein Maracanazo ist noch glimpflich ausgegangen - im Gegensatz zum echten der Brasilieiros.

Bom dia, Brasil! Die kicker-Redakteure Mounir Zitouni, Jörg Wolfrum, Hans-Günter Klemm und Oliver Bitter (v.l.).

Bom dia, Brasil! Die kicker-Redakteure Mounir Zitouni, Jörg Wolfrum, Hans-Günter Klemm und Oliver Bitter (v.l.).