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Das "Team Melli" auf einer "Mission Impossible"

Der Iran will erstmals die Gruppenphase überstehen

Das "Team Melli" auf einer "Mission Impossible"

Auf sie kommt es vor allem an: Irans Kapitän Javad Nekounam (re.) und der Ex-Wolfsburger Ashkan Dejagah (li.).

Auf sie kommt es vor allem an: Irans Kapitän Javad Nekounam (re.) und der Ex-Wolfsburger Ashkan Dejagah (li.). Getty Images

WM-Historie des Team Melli

Der Iran nahm bislang viermal an einer Weltmeisterschaftsendrunde teil. Das Debüt erlebte das "Team Melli", wie die Auswahl kurz genannt wird und was für "Die Nationalmannschaft" steht, im Jahr 1978 in Argentinien. Des Weiteren qualifizierten sich die Iraner 1998 (Frankreich) und bei der 2006 in Deutschland stattfindenden WM. Bei den bisherigen drei Endrunden kamen die Iraner jeweils nicht über die Vorrunde hinaus. Den ersten WM-Zähler konnte der Iran schon bei der Premiere ergattern, als das Team Melli gegen die Schotten 1:1 spielte. Bei der WM in Deutschland sprang ebenfalls nur ein Punkt heraus – 1:1 gegen Angola.

Spielersteckbrief Nekounam
Nekounam

Nekounam Javad

Das unbestrittene Highlight in Irans bisheriger WM-Historie stellt das Turnier 1998 in Frankreich dar. Dort gelang der Mannschaft der erste Erfolg – und was für einer! Mit 2:1 besiegte der Iran den politischen Erzfeind USA, allerdings machten die beiden Nationalmannschaften klar, dass es sich um ein sportliches Duell handelte und sendeten mit dem Überreichen von Blumen und einem gemeinsamen Mannschaftsfoto vor dem Spiel ein deutliches Signal der Völkerverständigung. Nach dem Erfolg gegen die USA hätten die Iraner gar ins Achtelfinale einziehen können, doch eine 0:2-Niederlage gegen Deutschland (Tore Bierhoff, Klinsmann) stand dieser Sensation im Weg. Dennoch waren die Auftritte der iranischen Nationalelf derart überzeugend, dass Spieler wie Pashazadeh (Leverkusen), Mahdavikia (Bochum) ihren Kollegen Daei und Bagheri (beide Bielefeld) in die Bundesliga folgten. Welchen Stellenwert der iranische Fußball damals genoss, belegt die Tatsache, dass Daei, der Welttorjäger von 1996, vor der WM seinen Wechsel von den Arminen zum FC Bayern bekanntgab.

Bislang gab es nur einen weiteren Vergleich zwischen dem Iran und einer Auswahl des DFB. Im Oktober 2004 bestritt die deutsche Auswahl unter ihrem neuen Trainer Klinsmann ein Testspiel in Teheran, das die Deutschen vor 110.000 Zuschauern im ausverkauften Azadi-Stadion 2:0 gewannen.

Highlight der iranischen WM-Geschichte: Der Sieg gegen die USA, inklusive gemeinsamen Mannschaftsfoto.

Highlight der iranischen WM-Geschichte: Der Sieg gegen die USA, inklusive gemeinsamen Mannschaftsfoto. Getty Images

Irans Weg zum Zuckerhut

Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Brasilien hielt für das Team Melli Licht und Schatten bereit. In der ersten Phase des Weges zum Zuckerhut standen die K.o.-Spiele gegen die Malediven, die mit 4:0 und 1:0 gewonnen wurden. Unter den Torschützen im Juli 2011 fand sich auch noch der ehemalige Bayern-Profi Ali Karimi, der für die Endrunde aber wohl keine Rolle mehr spielen dürfte. In der nachfolgenden Gruppenphase setzten sich die Iraner als Gruppenerster mit drei Siegen und drei Remis vor Katar, Bahrain und Indonesien durch. Auch in der abschließenden Phase konnte sich Team Melli als Gruppenerster behaupten und verwies die Hauptkonkurrenten Südkorea und Usbekistan die weiteren Plätze. Bemerkenswert: Beide Spiele gegen die ebenfalls für die WM qualifizierten Südkoreaner gewann der Iran jeweils mit 1:0. In 16 Qualifikationsspielen hatten sie zehn Partien gewonnen und zwei verloren – darunter das schmerzhafte 0:1 im Libanon. In allen Spielen erzielten die Iraner 30 Tore und kassierten nur sieben.

Carlos Queiroz, ein streitbarer Trainer

Der Portugiese Carlos Queiroz übernahm das Team Melli am 4. April 2011 und führte sie damit durch die gesamte Qualifikation nach Brasilien. Sein Name ist untrennbar verbunden mit der "Goldenen Generation" Portugals um die späteren Weltklassesspieler Luis Figo und Rui Costa, mit denen er 1991 als U-20-Trainer seinen WM-Titel 1991 verteidigte.

Daumen hoch? So richtig will Trainer Carlos Queiroz nicht dran glaben.

Daumen hoch? So richtig will Trainer Carlos Queiroz nicht dran glauben. Getty Images

Für Aufsehen sorgte, dass der heute 61-Jährige sich erst mit Südafrika für die WM-Endrunde 2002 in Japan und Südkorea qualifizierte, dann aber wegen verbandsinterner Dissonanzen noch vor Turnierbeginn seinen Posten aufgab. Stattdessen wurde er im selben Jahr Assistenztrainer von Sir Alex Ferguson bei Manchester United. Dorthin kehrte er auch wieder in selber Position zurück, nachdem ein zehnmonatiges Engagement als Nachfolger von Vincente del Bosque bei Real Madrid wenig erfolgreich endete – die Königlichen wurden in der Meisterschaft nur Vierter. Im Juli 2008 übernahm er von Luiz Felipe Scolari, dem heutigen Nationaltrainer Brasiliens, die Nationalmannschaft Portugals. Dieses Engagement endete im September 2010, als er FIFA-Funktionäre während Dopingkontrollen vor der Weltmeisterschaft in Südafrika wüst beschimpfte. Beim Turnier selbst erreichte er mit Portugal das Achtelfinale (0:1 gegen Spanien), doch wurde er wegen seiner defensiven Ausrichtung kritisiert.

Allerdings sollte diese Spielphilosophie nicht sonderlich überraschen, denn fast alle von ihm trainierten Teams waren prinzipiell defensiv ausgerichtet. Dieser taktische Grundgedanke findet sich auch im Team Melli wieder. Seit der bereits erwähnten Niederlage gegen den Libanon wuchs die Kritik im Iran an Queiroz' teilweise harschem Umgangston sowie der Auswahl der Spieler für das Nationalteam. Ihm wird vorgeworfen, dass er sich zu wenig auf Spieler aus dem Iran fokussiere und stattdessen im Ausland spielende Profis mit doppelter Staatsbürgerschaft bevorzuge. Dass Queiroz im Januar dieses Jahres das Angebot einer Vertragsverlängerung ausschlug, drückt zusätzlich auf die Stimmung in einem wahrlich Fußball-begeisterten Land.

Das Team Melli

Aus der Bundesliga kennt man Torwart Daniel Davari und Ashkan Dejagah (ehemals Wolfsburg und Hertha, jetzt FC Fulham). Allerdings ist der Braunschweiger Schlussmann, der bislang drei Länderspiele für den Iran absolvierte, alles andere als unumstritten. Nach seinem Patzer bei der jüngsten 1:2-Testspielniederlage Anfang März gegen Guinea setzte es persönliche Anfeindungen. Im Mittelfeld zieht ist nach wie vor Javad Nekounam die Fäden. Der Kapitän des Team Melli erlebte seine beste Zeit in Osasuna (2006-2012), doch ist der schussgewaltige Mittelfeldspieler mit 33 Jahren auch nicht mehr der jüngste – auch wenn er mit sechs Toren in der Qualifikation der beste Torschütze war. Überhaupt ist die prinzipielle Altersstruktur ein Kernproblem der Mannschaft: Die Hälfte der insgesamt 36 Akteure, die in der Qualifikation eingesetzt wurde, bewegte sich jenseits der 30-Jahre-Marke. Erfahrung ist folglich vorhanden, kritisiert wird in den heimischen Medien das fehlende Tempo und die mangelnde Laufbereitschaft. So entbrannte eine Kontroverse zwischen Trainer Queiroz und den Medien, ob Nekounam gegen Guinea sechs Kilometer lief oder wie der Coach angab knapp zwölf Kilometer.

Ein beachtenswerter Spieler ist der 26-jährige Stürmer Reza Ghoochannejhad, der nach mehreren Stationen in den Niederlanden im Januar zum englischen Zweitligisten Charlton Athletic wechselte, wo er allerdings bislang nicht zur Startelf gehörte. Der 1,80 Meter große Angreifer schoss den Iran mit dem 1:0 in Südkorea zum Zuckerhut, es war der neunte Länderspieltreffer in elf Partien.

Wir stehen dreimal vor einer 'Mission Impossible.

Carlos Queiroz

Stimmen & Stimmung

Trainer Queiroz will "die Iraner stolz machen" und peilt den erstmaligen Einzug in die K.o.-Phase an, doch richtigen Optimismus kann der Coach nicht versprühen. "Wir stehen dreimal vor einer 'Mission Impossible'", sagte Queiroz im Januar. In der Tat wäre das Achtelfinale in der Gruppe mit Argentinien, Nigeria und Bosnien-Herzegowina eine Sensation. Läuft es normal, reisen die Iraner als Punktelieferant nach Brasilien, auch weil die Vorbereitung auf große Turniere stets etwas wenig Zielführendes anhaftet. Stand heute werden die Iraner ein Trainingslager in Südafrika absolvieren, zudem soll es Testspiele gegen Weißrussland, Montenegro, Trinidad&Tobago sowie Angola geben.