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Belgien wie Deutschland: Nicht mal der Hotdog schmeckt nach dem 2:1 im WM-Viertelfinale gegen Brasilien in Kasan

Der bemerkenswerte Umgang mit dem 2:1 gegen Brasilien

Belgien wie Deutschland: Nicht mal der Hotdog schmeckt

Man muss auch gewinnen können: Belgiens Abwehrchef Vincent Kompany tröstet Neymar nach dem 2:1-Sieg gegen Brasilien.

Man muss auch gewinnen können: Belgiens Abwehrchef Vincent Kompany tröstet Neymar nach dem 2:1-Sieg gegen Brasilien. Getty Images

Aus Kasan berichtet Jörg Wolfrum

Wäre ja noch schöner, zwei Spiele haben sie ja noch. Also sagte der Ex-Hamburger Vincent Kompany nach Belgiens Halbfinaleinzug, dem ersten seit 1986 bei der WM in Mexiko: "Das ist noch nicht das Ende." Was er meinte: "Wir haben viele Spieler im Team, die diesen Weg richtig bis ans Ende gehen wollen." Das Wort Titelgewinn nahm er nicht in den Mund nach dem 2:1 gegen Brasilien am Freitagabend in Kasan .

Aber die Bestimmtheit, mit der er das "Ende" als etwas Positives betonte, ließ daran keinen Zweifel aufkommen. Auch wenn er - natürlich - sagte: "Wir konzentrieren uns jetzt darauf, Frankreich zu schlagen, um ins Finale zu kommen." Aber schon jetzt sei es "einzigartig, welches Level dieses Land im Fußball erreicht hat".

Gesperrter Meunier: "Ich habe mich aufgeopfert gegen Neymar"

Romelu Lukaku, der vor 42.873 Zuschauern, die überwiegend die Selecao angefeuert hatten, nach einer guten halben Stunde den vorentscheidenden Konter zum zwischenzeitlichen 2:0 gefahren hatte, meinte: "Wir haben gegen die stärkste Mannschaft des Turniers gewonnen. Darüber freuen wir uns." Doch "gegen Frankreich wird es noch schwieriger".

Das sieht auch Thomas Meunier so. Gegen die Tricolore brauche es am Dienstag in St. Petersburg "ein weiteres Wunder", meinte der Meunier, der wegen seiner Gelben Karte dann jedoch gesperrt sein wird. "Ich habe mich aufgeopfert gegen Neymar", so der defensive Mittelfeldspieler von Paris St. Germain, der im Spiel gegen den Ball - und also nach der Pause praktisch die gesamte Zeit - aus dem Mittelfeld auf die rechte Außenverteidiger-Position rückte, wodurch die Roten Teufel vom 3-4-3 auf ein 4-3-3 wechselten.

Der Teamgeist stimmt - "alle arbeiten mit"

"Alle arbeiten mit", unterstrich dann auch der Ex-Wolfsburger Kevin De Bruyne eines der Erfolgsgeheimnisse der Belgier. "Wir haben viele gute Spieler, aber es kommen auch viele zum Einsatz", will heißen: Der Mannschaftsgeist stimme. Wobei, der ManCity-Mann ragte dann, freilich im Schatten von Keeper Thibaut Courtois, dennoch heraus bei den Belgiern, nicht nur wegen seines Tores am Ende des wunderbaren Konters, den Lukaku eingeleitet hatte.

Auch deshalb könne man positiv Richtung Finale blicken. Aber Vorsicht: "Frankreich war für mich schon vor dem Turnier einer der Favoriten", so De Bruyne. "Doch wenn wir ins Finale kommen wollen, dann müssen wir eben gewinnen." So einfach sei dies, wobei: Bei "50:50" stünden die Chancen. Sagte es und wirkte extrem nüchtern dabei.

So nüchtern hatten auch die Deutschen ihren Sieg über Brasilien analysiert

Wie alle Belgier übrigens, sich schlichen da nach dem großartigen Erfolg durch den Bauch der Kasan-Arena, als wären sie ausgeschieden. Wobei dies kein schlechtes Zeichen sein muss: Volle Konzentration auf die nächste Aufgabe als oberste Maxime. Das erinnerte ein wenig an den kühlen Kopf, mit dem die Deutschen vor vier Jahren in Belo Horizonte unmittelbar nach dem 7:1 gegen Brasilien im Halbfinale ihren Sieg analysiert hatten. Auch da hatte man aus jeder Zeile rausgehört: Es war nur ein Schritt auf dem Weg zum Ziel.

Also nochmal aus belgischer Sicht: "In der Kabine war es ruhig", sagte De Bruyne. "Natürlich sind wir froh mit dem Erreichten." Aber man wolle mehr. Das hatte zuvor ja auch schon Meunier gesagt und als Einziger ein wenig ausgeschert im Bauch der Arena. Denn er stand da und hatte einen angebissenen Hotdog in der Hand. Aber auch das wirkte eher so, als schmecke der ihm nicht.

Trainer Martinez freut sich so sehr, dass er sogar in der Mixed-Zone spricht

Und so strahlte am Freitagnacht am meisten fast noch Trainer Roberto Martinez, aber der ist ja auch Spanier, und er war so erfreut, dass er auch dort sprach, wo sonst eigentlich nur Spieler sprechen: in der sogenannten Mixed-Zone, also dem Weg zwischen Umkleidekabine hin zum Mannschaftsbus. "Unglaublich, wirklich. Die erste Halbzeit war hervorragend", freute sich Coach. Sein Team habe aber generell, auch nach dem Wechsel, mit "Herz, Leidenschaft und Taktik" agiert, sich "als Mannschaft präsentiert". Es gehe bei so einer WM "oft mehr um das Bewusstsein, um den Glauben". Und den habe seine Mannschaft.

Nein, vom Titel träume er, Martinez, noch nicht. Aber: "Ich bin so stolz auf diese Mannschaft." Auf die nun übrigens auch die Fans so stolz sein könnten wie auf jene, die es 1986 in Mexiko in Halbfinale geschafft hatte.

Matchwinner Courtois: "Brasilien dachte wohl schon, es sei im Finale"

Damals scheiterte sie an Argentinien, mit dem legendären Keeper Jean-Marie Pfaff. An Argentinien erinnerte der aktuelle, Courtois, nun auch wieder: "Vor vier Jahren sind wir nach einem frühen Gegentor an Argentiniern gescheitert." Beim 0:1 war das im Viertelfinale. Nun sei man gereift. Auch aus der Viertelfinal-Niederlage gegen Wales bei der EM 2016 habe man gelernt. Und: "Brasilien dachte wohl schon, es sei im Finale." Und seine tollen Paraden, auch die ganz am Ende? "Oh la la."

Das richtige "oh la la" soll aber erst noch kommen. Wie hatte Abwehrchef Kompany gleich noch gesagt? "Wir müssen es jetzt durchziehen."