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Mit Willians Frau im Flugzeug - "Diesmal gewinnt Brasilien"

Unterwegs in Russland: Ist sie es, oder ist sie es nicht?

Mit Willians Frau im Flugzeug - "Diesmal gewinnt Brasilien"

kicker-Redakteur Jörg Wolfrum

kicker-Redakteur Jörg Wolfrum kicker

In Russland unterwegs: Jörg Wolfrum

Man sieht zuerst die Lederstiefel, mit Nieten. Dann dreht sie sich um, und man denkt: "Das gibt es nicht." Man ist im Flugzeug, Platzsuche, Reihe acht. Dort das Fenster, wollte man nicht, Gang ist besser. Mal schnell aufstehen bei Gelegenheit, Beine ausstrecken und so.

Spielersteckbrief Willian
Willian

Borges da Silva Willian

Die Frau vor einem richtet sich mittlerweile ein, am Fenster. Die Mitte bleibt leer, der Passagier aus Guatemala wechselt nach hinten, ist noch etwas Platz im Flieger, das Baby in Reihe fünf brüllt ihm zu laut, sagt er. Dann setzt man sich - und noch bevor der Smalltalk mit der verbleibenden Sitznachbarin starten könnte, gefriert einem erneut der Blick, rattert es im Hirn.

Tausendmal gesehen, nur wo? Und wann? Kennt man sich gar? Oder alles nur Einbildung? Muss wohl sein. Wie gesagt, man sitzt im Flieger, Airline Red Wings, Flughafen Sotschi, da hinten wölbt sich das Olympiastadion, ist ja alles nah hier, hingedonnert erst vor ein paar Jahren, nebenan ist die Formel-1-Strecke. Und mit der Geschwindigkeit von 1000 PS schwirrt einem nun der Kopf. Wer nur sitzt da?

Ist da ... Anitta? Der brasilianische Hip-Hop- und Funk-Star, der vor einem Jahr mit dem Superhit "Vai Malandra", was auf Deutsch so viel bedeutet wie "Los geht's, schlimmes Mädchen", nicht nur Brasilien eroberte und dann Südamerika, sondern längst auch weltweit für Aufsehen gesorgt hat. In der Silvesternacht war Anitta, die eigentlich Larissa de Macedo Machado heißt, in Rio de Janeiro an der Copacabana vor zweieinhalb Millionen Zuschauern aufgetreten.

Fast alle waren - so ist es am 31. Dezember Tradition unterm Zuckerhut - weiß gekleidet. Weiß, die Farbe des Friedens. Nun aber sitzen sie hinten im Flugzeug mit dem kanariengelben Trikot: die Fans der Selcao auf dem Weg von der Team-Base der Nationalmannschaft, dem mondänen Swissotel in Sotschi, zum zweiten Gruppenspiel an diesem Freitag in St. Petersburg gegen Costa Rica. Es geht für Neymar und Co. fast schon um den Einzug ins Achtelfinale.

In "Vai Malandra" indes geht es um eine starke Frau und viele von denen, die - nicht nur im Video - oft nur als Schmuck dienen. Pop und Gesellschaftskritik zugleich. Anitta also. Oder doch nicht?

Erst mal Start. Dann Essen. Dann Siesta, "cochilo" auf Portugiesisch. Dann "Vai", los geht's. "Tudo bom?" Alles ok? Ein wenig dies, ein wenig das. Dann: "Com licenca." Mit Erlaubnis, ich bin Journalist. Sind Sie Anitta, die bekannte Sängerin?

Anitta? Nein, Willians Ehefrau!

Und, welch' Überraschung: "Nein." Immerhin, sie lacht. Dann aber, nun wirklich die Überraschung: Ohne zu zögern packt die Dame ihr Smartphone aus, zeigt die Schutzhülle und strahlt: Willian 19, steht darauf, unterlegt mit brasilianischen Farben. "Mein Ehemann."

Direkter, aber auch sympathischer geht es kaum. Und nun weiß man auch, woher man das Gesicht kannte... Vor ein paar Jahren hat sie Bilder von sich mit Babybauch (Zwillinge) und ihrem Gatten machen lassen.

Sie reist einen Tag früher von Sotschi aus an als der Rest der Spielerfrauen, die erst am heutigen Spieltag aus dem subtropischen Strandressort einfliegen, aus der Sonne ins zumindest am Donnerstag regnerisch-kühle St. Petersburg. Sie treffe am Abend vor dem Spiel Freunde.

kicker-Redakteur Jörg Wolfrum beim zufälligen Treffen mit Willians Frau Vanessa im Flieger nach St. Petersburg.

kicker-Redakteur Jörg Wolfrum beim zufälligen Treffen mit Willians Frau Vanessa im Flieger nach St. Petersburg. kicker

"Mein Mann hat doch vor ein paar Jahren in Russland gespielt, Anschi", sagt die Frau. Machatschkala heißt die Stadt in der Republik Dagestan, dort spielten auch mal Samuel Eto'o und Roberto Carlos, die waren da aber schon längst über ihren Zenit hinaus.

Für Willian war es ein Intermezzo auf dem Weg nach oben, in die Premier League. "Ein halbes Jahr lang", sagt seine Gattin. 2013 war das, vor dem Wechsel zum FC Chelsea, mit dem er seither zweimal englischer Meister geworden ist und, vor ein paar Wochen erst, Pokalsieger. "Er kann Russisch. Aber nicht wegen der Zeit bei Anschi, sondern zuvor bei Schachtar." Von 2007 bis 2013, in Donezk, Ukraine. "Alle haben dort Russisch gelernt." Was sie meint: Die aktuellen WM-Kollegen ihres Gatten: Fernandinho, Fred, der Ex-Münchner Douglas Costa. Oder was man halt so lernen könne, angesichts der schwierigen Sprache, schiebt sie nach. Da sei es in London schon einfacher.

Unsere Männer sind einfach voller Selbstvertrauen.

Und, wird das was mit einem erneuten Treffen zwischen Deutschland und Brasilien bei dieser WM? "Klar. Aber stellt euch darauf ein: Diesmal gewinnt die Selecao." Wegen des Eindrucks aus dem Mexiko-Spiel, fragt man? "Nein. Unsere Männer sind einfach voller Selbstvertrauen", sagt die Reisebegleitung. "Sie glauben wirklich daran, dass sie es schaffen können." Gemeint ist nicht so sehr die Revanche gegen Deutschland, vielleicht ja schon im Achtelfinale. Sondern der WM-Sieg. "Es herrscht so eine tolle Atmosphäre im Team, so eine gute Stimmung."

Vielleicht liegt es ja doch am Sehnsuchtsort Sotschi, dorthin wollte eigentlich auch der DFB-Tross, Brasilien kam dann aber zuvor. Sommer, Sonne, Schwüle, Palmen, Meer... sie müssen sich dort wirklich fühlen wie zu Hause, die Stars der Selecao.

Willians Frau sagt, dass auch die Spielerfrauen am heutigen Freitag nach dem zweiten Auftritt gegen Costa Rica gleich wieder zurück nach Sotschi fliegen. Dabei wäre St. Petersburg ja nun wirklich auch sehenswert. Planänderung vielleicht? "Das Ziel ist Moskau. Wir wollen alle nach Moskau." Luschniki-Stadion ist gemeint. 15. Juli. WM-Finale.

Willians Gattin jedenfalls hat keine Zweifel. Und wer schon mal im Endspiel steht...

Mittlerweile ist die Landung geglückt. Man gibt die Visitenkarte weiter. "Jörg, Deutsch für Jorge." Okay, über den zufälligen Treff einen Blog zu schreiben? "Okay." Dann steht man auch schon im Bus auf dem Rollfeld. Verabschiedung. "Ich heiße Vanessa."

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