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Neunmal 1:0! Die WM der Minimalisten - Knappe Ergebnisse dominieren bislang in Russland

Knappe Ergebnisse und Standards dominieren in Russland

Neunmal 1:0! Die WM der Minimalisten

Die WM 2018 in Russland: bislang ein Turnier der minimalistischen Ergebnisse.

Die WM 2018 in Russland: bislang ein Turnier der minimalistischen Ergebnisse. imago

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Gastgeber Russland statistisch wie auch sportlich gesehen bislang das Team der Stunde ist? Die Sbornaja führt die etwas leichter eingestufte Gruppe A nach einem 5:0 zum Auftakt gegen Saudi-Arabien und einem 3:1 gegen Mohamed Salahs Ägypten mit dem prächtigen Torverhältnis von 8:1 an. Das Achtelfinale ist bereits erreicht - was den Russen auch mit tollen Toren von Denis Cheryshev oder Spielmacher Aleksandr Golovin gelang.

In Erinnerung bleibt dem neutralen WM-Zuschauer natürlich auch das furiose 3:3 zwischen Spanien und Portugal , das schier alles bot, was das Fußballer-Herz benötigt.

Ein Tor Vorsprung? Reicht auch!

Ansonsten aber regiert doch ein wenig die Tristesse bei dieser Weltmeisterschaft. Taktik steht bislang über allem, Risikobereitschaft wird dagegen besonders bei den vermeintlichen Außenseitern recht klein geschrieben. Anders sind folgende Fakten nicht zu erklären: Neunmal hat es bislang bei insgesamt 20 Partien (Stand Mittwochabend) ein 1:0 bei dieser WM gegeben, viermal ein 2:1. Deutliche Ergebnisse stellen die absolute Minderheit dar: Lediglich Russlands beide Auftritte sowie das 3:0 der Belgier gegen Fußball-Exot Panama oder das 2:0 der Kroaten gegen ein enttäuschendes Nigeria lassen sich in die Schublade "klare Resultate" schieben.

Allein am Mittwoch sorgten Spanien, Portugal und Uruguay für gleich drei knappe 1:0-Siege. Das hatte es in der WM-Geschichte zuvor nur am 25. Juni 1982 (Spanien) und am 23. Juni 2010 (Südafrika) gegeben. Experten erklären sich den Trend zum diesem Ergebnis damit, dass die Teams qualitativ viel enger zusammengerückt sind. Der ehemalige Bundesliga-Coach Martin Schmidt glaubt indes, dass der Turnierbeginn mit der langen Vorbereitungszeit zu tun hat - und das sich dieser Umstand bald ändern wird : "Irgendwann müssen die Außenseiter auf Sieg spielen." Andere wiederum glauben, dass Favoriten wie Brasilien, Argentinien oder Deutschland ganz einfach noch nicht auf Betriebstemperatur sind.

Europa dominiert: Queiroz widerspricht Hierro

"Wer glaubt, hier Kantersiege feiern zu können, der irrt sich", rechtfertigte sich zum Beispiel Spaniens Nationaltrainer Fernando Hierro nach dem knappen 1:0 gegen Außenseiter Iran. Statistisch gesehen hatte der frühere Welt- und Europameister die Partie klar im Griff: 68 Prozent Ballbesitz, 17:5 Schüsse, 6:2 Ecken. Doch die Iraner verteidigten kompromisslos, verschoben ihre Reihen taktisch geschickt und pressten die ballverliebten Spanier. Exemplarisch für die meisten "Kleinen".

"Es gibt hier 32 brillante Mannschaften, von denen keine etwas verschenkt", sagte Hierro hinterher fast entschuldigend. Der frühere Abwehrspieler glaubt außerdem nicht daran, dass die Topteams noch in einen Torrausch verfallen: "Wer Weltmeister werden will, muss leiden."

Vor acht Jahren war die Lücke von Europa zu Afrika und Asien groß, vor vier Jahren war sie groß - und sie wird mit jeder Weltmeisterschaft größer.

Carlos Queiroz, Trainer Iran

Irans Nationaltrainer Carlos Queiroz widersprach Hierro indes. Für den Portugiesen sind die europäischen Nationen weiter enteilt als je zuvor - trotz der zum Großteil knappen Ergebnisse: "Ich bin seit 37 Jahren im Geschäft, und meine klare Meinung ist: Vor acht Jahren war die Lücke von Europa zu Afrika und Asien groß, vor vier Jahren war sie groß - und sie wird mit jeder Weltmeisterschaft größer." Für Queiroz' These spricht, dass außer Weltmeister Deutschland und Polen kein europäisches Team in den ersten 20 WM-Spielen verloren hat. Doch die Europäer glänzen nicht gerade mit Spielwitz; auch den Südamerikanern fehlte es in der ersten Turnierwoche oft an Ideen gegen tapfer kämpfende Außenseiter.

Carlos Queiroz

Carlos Queiroz hat eine klare Meinung: Europa hat den Rest abgehängt. imago

"Wir haben das Ergebnis geschafft", sagte exemplarisch Uruguays Trainer Oscar Tabarez nach dem 1:0-Arbeitssieg gegen Saudi-Arabien: "Für alles andere weiß ich nicht, ob es eine Lösung gibt. Aber wir werden daran arbeiten."

Ecken, Elfmeter, Einwurf: Die WM der Standards

Die teilnehmenden Nationen haben offenkundig auch eifrig an Standardsituationen gearbeitet, denn 60 Prozent aller bislang erzielten Tore (Stand Mittwochabend) fielen nach ruhenden Bällen. In Zahlen ausgedrückt: Von insgesamt 45 Treffern fielen nur 18 aus dem Spiel heraus, 27 nach Standards. Aufgedröselt: neun nach Ecken, acht nach Elfmetern, vier nach direkt verwandelten Freistößen, fünf nach Freistößen, eines nach Einwurf.

Insgesamt sahen die Fans auch schon fünf Eigentore. Der Höchstwert für eine WM in dieser Pechvogel-Statistik liegt bei sechs - so viele Missgeschicke passierten vor 20 Jahren bei der Weltmeisterschaft in Frankreich.

mag/sid