WM

"Wir wollen gooooooooool rufen. Ganz laut."

Unterwegs in Russland - WM-Debütant Panama greift ein

"Wir wollen gooooooooool rufen. Ganz laut."

kicker-Redakteur Jörg Wolfrum.

kicker-Redakteur Jörg Wolfrum.

In Russland unterwegs: Jörg Wolfrum

Im Hintergrund strahlt das Fisht Stadium, also das Olympiastadion von 2014, in dem in diesen Tagen Fußball-WM ist. Zumindest auf dem Papier, wobei: Am Freitag gab es dort das Supermatch zwischen Portugal und Topfavorit Spanien, 3:3, ein Torreigen und Rassekick. Da war was los gewesen, auch drum herum. Ist ja schließlich nur einen Steinwurf hin zum Schwarzen Meer, zwar Steine statt Sand am Strand, aber macht nichts. Das Wasser ist warm, mehr Russen als WM-Touristen sind daher hier, viele aus dem sibirischen Teil, Urlaub machen: Sommer, Sonne, Strand.

Panama - Vereinsdaten
Panama

Gründungsdatum

01.01.1937

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Weltmeisterschaft - Vorrunde, 1. Spieltag
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Fußball-WM? Läuft so am Rande in der Stadt Adler, 30 Kilometer entfernt von Sotchi, wo 2014 all die Installationen hingewuchtet wurden: Stadion, Eisarena, Medalplaza, Hockey. Weil Olympia aber nach zwei Wochen vorbei war, wurde nun die WM hierhergeholt. In eine Stadt, wo es sonst keinen Fußball gibt. "The show must go on", dröhnt passend aus den Lautsprechern der Bobo-Bar an der Strandpromenade, als spielten Putin und Infantino DJ. Gut besucht die etwas exklusivere Location, Unterhaltung bei Rotwein, irgendwann setzt Klavierbegleitung ein, nicht schlecht. Im Eck irgendwo sogar ein TV, guckt nur keiner drauf.

Brasilien vs. Schweiz? Nur wenige Fans fiebern mit

Leinwände, wirklich große, gibt es dafür in der Fresh-Bar direkt am Strand, 20 Meter weiter unten auf den faustgroßen Kieselsteinen, ein paar Schritte nur, und man steht im Meer. Hier also kann man bestens gucken. Ist aber keiner da zum Gucken. Ist ja nur Brasilien, das sich da gerade gegen die Schweiz zu einem 1:1 müht, ist ja nur der fünfmalige Weltmeister, ist nur Neymar, zurück nach fast vier Monaten Verletzungspause. Man ist allein mit sich, seinen Gedanken und dem Ausgleichstor durch den Hoffenheimer Steven Zuber. Nochmal: Vormittags sind hier alle Liegen besetzt, und auch am Sonntagabend ist es durchaus idyllisch. Das Meer plätschert, kein Wind, doch wir suchen ja WM-Atmosphäre in einem WM-Spielort, weiter also.

Auf zum Katok-Icerink, Eis-Hockey auch im Sommer. Gut, angesichts der Temperaturen aktuell statt auf Eis auf Plastik, das könnte ein Vorbote auf die nächste WM am nächsten irren Ort sein, 2022 in Katar. Ein Puck ist Moment im Katok-Icerink nicht im Einsatz, immerhin aber ist dies ein Sportlertreff, eine Handvoll Leute also fiebert mit Brasilien mit beim Auftaktmatch des vermeintlichen Topfavoriten. Wobei: Nachdem Neymar in der Nachspielzeit den Ball ein letztes Mal erfolglos in den Strafraum chipt ist Schluss, im Nu löst sich das Häufchen Interessierter auf, man bleibt alleine zurück.

Panamas Fans hoffen auf zweites "Costa Rica"

Dayra (l.) und Daymara

Dayra (l.) und Daymara, Fans von Panama in Sotchi. kicker

Und dann passiert doch noch etwas, das Fisht Stadium mit seinem russisch weiß-blau-rot angestrahltem Dach ist Zeuge. Zwei Anhängerinnen aus Panama tauchen auf. Wie aus dem Nichts. Dayra und Daymara, am Sonntagnachmittag eingetroffen am Flughafen Sotchi, zeitgleich mit der Nationalmannschaft Belgiens, der Gegner des WM-Debütanten Panama. "Komische Stimmung, alles so ruhig hier", sagt Dayra. Aus Panama sei man an einem Badeort anderes gewohnt. "Wir sind laut und lachen und kreischen und immer ist was los, erst recht am Abend. Wo sind alle nur?" Aber immerhin sei es hier "sehr sauber". Putin lässt auch permanent putzen.

Vier- bis fünftausend Anhänger aus Panama haben sich auf den Weg gemacht zu dem Highlight für das kleine Land mit dem großen Kanal, fast 20 Stunden Flugzeit, für Dayra und Daymara ging es von Panama-City direkt nach Istanbul, dann weiter nach Moskau, auf dem Rückflug machen sie einen 24-Stunden-Stopp in Havanna, Kuba. Eine einmalige Chance. Nun stehen sie am Schwarzen Meer - und überraschen mit fußballerischer Sachkenntnis. "Wir hoffen auf eine Entwicklung wie in Costa Rica", betont Dayra. Seit der ersten WM-Teilnahme des Nachbarlandes 1990 ging es mit dem dortigen Fußball steil bergauf, Costa Rica ist aktuell schon zum fünften Mal bei der WM dabei. Panama gibt sein Debüt. "Das ist jetzt nicht mehr zu stoppen. Costa Rica oder Mexiko sind unsere Vorbilder. Und überlegen Sie mal: Mit Kolumbien, Panama und Costa Rica hat es ein Drei-Länder-Eck an die WM geschafft, wer hätte das dieser Region vor Jahren zugetraut?" Wo Dayra Recht hat, hat sie Recht.

Am Montag schauen sie Panama gegen Belgien im Fisht Stadium, am Sonntag folgt dann England in Nischni Nowgorod, den letzten Gegner Tunesien schenken sich die beiden. "Wir fliegen lieber zu Deutschland gegen Südkorea nach Kasan." Ja warum das denn?

"Wir wollen den Weltmeister sehen" - Aber bitte mit 'Re-Us'

"Wir wollen den Weltmeister sehen, auch deshalb sind wir hier." Was sei das denn gewesen gegen Mexiko? Kann ja nichts werden, "wenn Leroy Sané nicht dabei ist und Marco Reus (auf Spanisch sprechen sie den Dortmunder 'Re-Us' aus) nur eingewechselt wird". Man ist als Reporter verblüfft. "Dass Mario Götze nicht dabei ist, kann man verstehen, zu wenig von ihm seit Brasilien. Ich finde Timo Werner sowieso besser", mischt sich Begleiter Eduardo ein, der plötzlich mit einem Becher Bier dazukommt. "Aber Sanés Ausschluss war sicher eine disziplinarische Maßnahme, kein Zweifel."

Sorry, an eine Titelverteidigung des Campeon aus Alemania glaubt das Trio daher nicht. Für Panama wünschen sie sich heute keineswegs einen Sieg. Ok, dagegen hätten sie auch nichts. Aber auf was sie wirklich hoffen, ist auf einen Treffer des WM-Debütanten: "Wir wollen goooooooooooooool schreien. Und nochmal goooooooooooool. Ganz laut", betont Daymara und strahlt vor lauter Vorfreude.

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