Nationalelf

Löws leidenschaftliches Plädoyer

DFB-Elf hat wenige Probleme, aber viele Aufgaben

Löws leidenschaftliches Plädoyer

Zusammen: Bundestrainer Joachim Löw gibt das Motto für die Titelverteidigung aus.

Zusammen: Bundestrainer Joachim Löw gibt das Motto für die Titelverteidigung aus. imago

Aus Eppan/Südtirol berichtet Oliver Hartmann

Joachim Löw hatte einige Überraschungen an diesem ersten kompletten Trainingstag in Südtirol parat. Zum einen durften die Medienvertreter am Donnerstag im Sportzentrum Rungg fast die komplette Übungseinheit des aktuell 19-köpfigen Kaders verfolgen, was höchst selten der Fall ist. Zum anderen setzte sich der aufgeräumt und gutgelaunt wirkende Bundestrainer bei der Pressekonferenz über seinen DFB-Sprecher Jens Grittner hinweg und erlaubte nach dem eigentlich schon verkündeten Ende der Fragerunde weitere Wortmeldungen. Löws Kernaussage in der 45 Minuten währenden Pressekonferenz lautete: Die Nationalmannschaft hat dreieinhalb Wochen vor dem WM-Ernstfall gegen Mexiko keine ernsthaften Probleme, aber viele Aufgaben. "Ich habe ein sehr gutes Gefühl", so Löw.

Personell sind bis auf Jerome Boateng alle Spieler weitgehend beschwerdefrei, auch Manuel Neuer und Mesut Özil machten am Donnerstag einen präsenten Eindruck. Özil hatte seit dem Halbfinal-Aus in der Europa League gegen Atletico Madrid vor drei Wochen wegen Rückenproblemen nicht mehr für Arsenal gespielt. Nach einer Untersuchung am Mittwoch bei DFB-Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt bekam er grünes Licht für den Einstieg ins Training. Löw ist sich sicher, dass der Mittelfeldspieler rechtzeitig wieder fit wird: "Ich weiß, wie man mit Mesut umgeht, damit er in der Lage ist, bei der WM ein hohes Tempo zu gehen."

Kein Risiko bei Boateng

Bei Jerome Boateng (Oberschenkelverletzung) gab sich der Bundestrainer zurückhaltender. Nach einer Untersuchung bei Müller-Wohlfahrt am Freitag soll entschieden werden, ob der Abwehrspieler nach Eppan reist oder weiter in München aufgebaut werden soll. "Wir wollen keinen Fehler machen", sagte Löw: "Ich denke, er kann in der nächsten Woche zumindest teilweise ins Mannschaftstraining einsteigen."

Die Mannschaft körperlich WM-tauglich zu machen und spieltaktisch auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten, sind die Kernaufgaben auf dem Übungsplatz. Vor allem aber will Löw in den zwei Südtiroler Trainingswochen wieder jenen Spirit wecken, der die deutsche Mannschaft auch 2014 durchs Turnier bis zum WM-Titel getragen hat. "Jeder muss wissen, dass er nur ein Puzzleteil ist. Alleine kann niemand Weltmeister werden, er braucht alle anderen", sagte der Bundestrainer und ließ ein leidenschaftliches Plädoyer folgen: "Spieler müssen ihr eigenes Ego manchmal ein bisschen zurücknehmen und das große Ganze im Blick haben. Wenn das jeder macht und jeder mit jedem mit Respekt umgeht, dann ist schon vieles am Laufen. Dann ist auch das Gefühl vorhanden: Wir sind eine Mannschaft."

"Kramer stand am Ende im Finale auf dem Platz"

Löw erinnerte dabei an die Rolle von Per Mertesacker ("Ein Superbeispiel") 2014 in Brasilien, der nach dem Achtelfinale seinen Stammplatz verlor: "Er hat danach seine Kumpels und Freunde unglaublich unterstützt." Und er rief die Rolle des Dauerreservisten Christoph Kramer in Erinnerung: "Er stand am Ende im Finale auf dem Platz, weil er nie nachgelassen hat, immer ehrgeizig war und alle anderen unterstützt hat."

Löws Worte waren nicht nur Statements nach außen, sondern auch an die eigenen Spieler, die die PK mehrheitlich auf ihren Zimmern im Fünf-Sterne-Hotel Weingarten mitverfolgt haben dürften. Löw nahm sich bei dieser Gelegenheit auch selbst in die Pflicht: "Am Ende muss jeder Spieler wissen, wie seine Rolle in der Mannschaft aussieht. Jeder Spieler muss sich zu dieser Gruppe zugehörig fühlen. Das muss auch ich als Trainer schaffen, jedem das Gefühl zu geben, er hat eine Aufgabe, er spielt eine wichtige Rolle."

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