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Rosen oder Rauswurf? Zidanes dreieinhalb Baustellen - Warum Real Madrid in der Krise steckt

Warum Real Madrid in der Krise steckt

Rosen oder Rauswurf? Zidanes dreieinhalb Baustellen

Flasche leer? Für Cristiano Ronaldo, Zinedine Zidane und Real ist die Situation bedrohlich.

Flasche leer? Für Cristiano Ronaldo, Zinedine Zidane und Real ist die Situation bedrohlich. Getty Images

Den Champions-League-Titel einmal zu verteidigen war schon ein historischer Triumph, aber wer Mitte August die zwei Supercup-Spiele gegen den FC Barcelona gesehen hat, der kam nicht drum rum, zu denken, dass der Henkelpott auch im Mai 2018 wieder mit nach Madrid fährt. Selten hat Real seinen Erzrivalen aus Katalonien derart dominiert, selten wirkten Cristiano Ronaldo & Co. trotz unzähliger Erfolge in den Vorsaisons so hungrig - und selten herrschte bei Barça ob des Neymar-Abgangs eine solche Unruhe.

Ronaldo stand zusammengerechnet nur etwas mehr als eine halbe Stunde auf dem Feld, was zwar für ein Tor und eine skurrile Rote Karte reichte, doch die Show gehörte den Marco Asensios auf dem Feld. Selbst die, die man eigentlich in der B-Garnitur vermutet hätte, konnte Barcelona nicht aufhalten. Wer, bitteschön, sollte dieses Real also stoppen?

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Die Antwort: Betis, Girona, Tottenham, Villarreal - und Barcelona. Ein gutes - aber inhaltlich sehr schlechtes - halbes Jahr nach dem Supercup-Triumph hängt der Haussegen in Valdebebas so schief, wie er zuletzt unter Zidanes Vorgänger Rafa Benitez gehangen hatte. Und der gewann keinen einzigen Titel mit Real.

Natürlich verkommt es zur Gewohnheit, in Madrid nach einer gewissen Zeit die Trainer-Diskussion zu eröffnen. Besonders wenn Primus Barcelona weiter entfernt ist (19 Punkte) als die Abstiegszone (16). Es fühlt sich zwar irgendwie merkwürdig an, Zidane nach elf Titeln in zwei Spielzeiten zu hinterfragen, doch das derzeitige Real ist nicht das Real aus dem Vorjahr. Warum?

Der Angriff: Ronaldo so harmlos wie seit zwölf Jahren nicht

Baustelle 1: Selbst Schlusslicht Las Palmas hat einen treffsichereren Torjäger (Loic Remy, fünf Tore) als der Champions-League-Sieger (Ronaldo, Gareth Bale, Asensio, Isco - alle vier). CR7 war letztmals im Dress von Manchester United so harmlos in der Liga (2005/2006, drei Treffer zum selben Zeitpunkt). In jener Saison war Real übrigens noch schlechter als jetzt (30 statt wie aktuell 32 Zähler) - dazwischen jedes Mal besser. Der Portugiese wirkt wie so viele seiner Kollegen völlig überspielt. Gareth Bale hat nach seiner Verletzung wenigstens für lichte Momente gesorgt. Auf Karim Benzema, derzeit verletzt, war auch fit kein Verlass.

Alarmierende Zahlen sind auch sonst genügend vorhanden: Zwei Heimpleiten in Folge ohne eigenen Treffer wie nun gegen Barça (0:3) und Villarreal (0:1) hat es ebenso seit zwölf Jahren nicht mehr gegeben. Villarreal hatte vorher noch nie im Bernabeu gewonnen. 28 Schüsse gaben Ronaldo & Co. auf den Kasten der Submarinos ab, keiner landete im Netz.

Das Zentrum: Dominanz ohne Effizienz

Baustelle 2: Genauso wie Sergio Ramos, Marcelo und Ronaldo stehen Luka Modric und Toni Kroos völlig zu Recht im Team des Jahres der UEFA. Genau wie die Kollegen in der Defensive und Offensive haben aber auch die Mittelfeldmotoren mit ungewohnten Leistungsschwankungen zu kämpfen. "Wer sagt, wir würden schlecht spielen", echauffierte sich Kroos nach der jüngsten Pleite bei Twitter, "hat von Fußball keine Ahnung." Und: "Wir haben gut gespielt und müssen so weitermachen." Natürlich nicht genauso, und die Überlegenheit kann man Real tatsächlich nicht absprechen - das Tottenham-Debakel und die zweite Clasico-Hälfte mal ausgenommen -, nur springt eben viel zu wenig dabei heraus.

Baustelle 2,5: Im zuletzt aufgebotenen 4-2-2-System kam über die Flügel zu wenig, dazu rückten Kroos und Modric nicht zwingend nach; auf der anderen Seite lief Real am Ende nach eigener Ecke in einen Konter - das passiert schon mal. Dass Rechtsverteidiger Dani Carvajal und Linksverteidiger Marcelo bei jedem Angriff mit vorpreschen, ist auch nicht neu - nur stehen beide auf den offensiven Flügen oftmals alleine da, denn Bale und Ronaldo warten im Zentrum - meist vergebens. Bei gegnerischen Kontern wiederum fehlen Carjaval und Marcelo hinten, gegen Betis hatte Real so in der Nachspielzeit das 0:1 kassiert. Die gesamte Balance ist Real abhanden gekommen.

Die Transfers: Nicht nur James fehlt

Baustelle 3,5: "Ich brauche keine Neuen", betont Zidane nicht erst seit Eröffnung des winterlichen Transferfensters und hat damit vielleicht Recht. Auf dem Platz steht noch immer das Team, das zweimal hintereinander die Königsklasse dominiert hat; auf der Bank sitzen jedoch nicht mehr die Leute, die den Konkurrenzkampf um mindestens zwei, drei offenere Positionen angestachelt haben - das hatte Ronaldo schon einmal bemängelt.

Ein bislang ganz schwacher Theo (für 30 Millionen von Atletico gekommen), ein mehr oder weniger stagnierender Mateo Kovacic und ein zweimal für Wolfsburg erfolgreicher Borja Mayoral bringen nicht die gleiche Qualität für Pokalspiele (zuhause zwei Unentschieden gegen Zweitligisten) oder die Schlussminuten in ausgeglichenen Partien (letzte Saison elf Tore in den letzten fünf Minuten, diese Saison keins) wie Pepe (Besiktas), James (Bayern) und Alvaro Morata (Chelsea). Das nötige Kleingeld für Winterneuzugänge wäre vorhanden.

Wie geht's weiter?

Die Meisterschaft ist dahin, keine Frage - das hat Zidane nach ständigen Durchhalteparolen inzwischen genauso erkannt ("Uns bleiben der Pokal und die Champions League") wie Kroos ("Unser Saisonziel ist, unter den ersten Vier zu landen").

Genau deswegen darf sich Real schon jetzt in Gänze auf den 14. Februar konzentrieren: Dann steigt das Achtelfinal-Hinspiel gegen Paris Saint-Germain und seine Monster-Offensive um Neymar, Edinson Cavani und Kylian Mbappé. Die drei alleine haben schon mehr Ligatore erzielt (44) als Reals ganzer Kader (32). Scheiden die Königlichen aus, sind dreieinhalb von vier Beinen an Zidanes Trainerstuhl abgesägt. Genauso wahrscheinlich ist gleichzeitig, dass langjährige Wackelkandidaten wie etwa Benzema gehen dürfen - und eine weitere Verlängerung mit Ronaldo aufgeschoben wird.

Mario Krischel