Der VfL-Erfolg über die Hamburger hatte viele Väter, Nazim Sangaré war auf jeden Fall einer von ihnen. Unermüdlich beackerte er die rechte Seite, erst vor bzw. neben einer Dreier-, dann in einer Viererkette. Und zu zwei Toren leistete er noch die Vorarbeit. Zurückhaltung war auch nach dem Spiel nicht sein Ding. "Ich bin ehrlich", verriet er am Mikrofon des vereinseigenen Videokanals: "Ich habe mit dem Sieg gerechnet."
Sangaré wusste diese forsche Aussage eines Drittliga-Spielers zum Duell mit einem Erstligisten auch zu untermauern: "Wir sind keine Thekentruppe, wir trainieren mindestens so oft wie die." Und die eigenen Stärken habe man eingebracht. "Läuferisch kann man uns nichts vormachen", meinte Sangaré und hatte sogar kurz nach der Pokal-Überraschung schon den Blick für die nahe Zukunft: "Wenn wir das noch im Ligaalltag über die Bühne bringen, kann uns keiner halten."
Am Sonntag war nicht Alltag, sondern Feiertag an der Bremer Brücke. Auch wenn es kein Flutlichtspiel war, ging es mal wieder heiß her in Osnabrück. Speziell nach dem Platzverweis für Marcel Appiah in der 18. Minute war die Unterstützung der Zuschauer ein wichtiger Faktor für den Drittligisten. "Die Zuschauer haben uns spüren lassen, dass wir kein Mann in Unterzahl waren. Es hat sich angefühlt, als wenn wir in Gleichzahl waren."
Ich habe gefühlt 20 Blasen unter den Füßen, aber jede Blase lohnt sich.
Nazim Sangaré
Dennoch war es ein hartes Stück Arbeit, bis das 3:1 über den Hamburger SV feststand. Sangaré hoffte auf zwei freie Tage zur Erholung: "Ich bin wirklich komplett am Ende. Ich bin, glaube ich, selten so viel gelaufen. Ich habe gefühlt 20 Blasen unter den Füßen, aber jede Blase lohnt sich."
Mit der aufopfernden Laufarbeit sorgten die Osnabrücker dafür, dass die Partie einen Verlauf nahm, wie von Trainer Joe Enochs vorgezeichnet. "Dass sie mehr Ballbesitz haben werden, ist für uns klar", hatte Enochs angekündigt, "Ballbesitz heißt aber noch lange nicht, dass man erfolgreich spielt." Und das unterstrichen die Lila-Weißen am Sonntag, als sie mit nur 24 Prozent Ballbesitz, aber zielstrebigen Kontern und effizienter Chancenverwertung die Überraschung schafften. Dabei nutzte der VfL tiefstehend zudem aus, dass der HSV gerade erst aus der Vorbereitung kommt und noch nicht im Spielrhythmus ist.
"Hamburger Jung" Arslan jubelt innerlich
Für Ahmet Arslan war das Aufeinandertreffen mit dem Bundesliga-Dino von vornherein noch einmal etwas besonderer. Erst vor einem Jahr war der 23-Jährige vom HSV nach Osnabrück gewechselt, hatte nun im Vorfeld angekündigt: "Auf dem Spielfeld gibt es keine Freunde mehr." Das unterstrich Arslan auf dem Platz, rackerte im Mittelfeld und erzielte zudem das zwischenzeitliche 3:0. Ausgelassen jubeln wollte er allerdings nicht. "Innerlich habe ich gejubelt wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal ein Geschenk bekommt", beschrieb er im Anschluss zwar seine Emotionen, nach außen habe er sich aber ob seiner HSV-Vergangenheit bewusst zurückgehalten: "Ich muss sagen, dass ich dem Verein ein bisschen was zu verdanken habe, dass ich ein 'Hamburger Jung' bin. Ich wollte es nach außen hin nicht so zeigen."
Die letzten 17 Minuten bis zum Schlusspfiff waren für mich die Hölle.
VfL-Trainer Joe Enochs
Dass es trotz Arslans Treffer und wegen des unmittelbar folgenden Handelfmeter-Treffers der Hamburger in der Schlussphase gefühlt noch eng wurde, setzte auch Enochs zu, der zuletzt im Umfeld in die Diskussion geraten war. "Die letzten 17 Minuten bis zum Schlusspfiff waren für mich die Hölle", gestand er ein, nachdem sein Plan gegen den hohen Favoriten aufgegangen war. Zunächst hatte er sein Team mit einer ungewohnten Dreierkette mit Neuzugang Adam Susac im Zentrum ins Rennen geschickt, nach der Roten Karte auf ein 4-4-1 umgestellt. "Wir wollten das Zentrum dichthalten und zielstrebig unsere Konter zu Ende spielen." Das gelang dreimal optimal und zeigte das Potenzial der Mannschaft, die sich in der 3. Liga mit zwölf Gegentreffern in vier Spielen bisher alles andere als sattelfest in der Defensive gezeigt hatte.