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Boateng: "Ich habe fast ein Jahr lang getrunken"

Ex-Schalker gewährt tiefe Einblicke

Boateng: "Ich habe fast ein Jahr lang getrunken"

"Ich konnte nicht Fußball spielen, also habe ich mir einen Lamborghini gekauft": Kevin-Prince Boateng.

"Ich konnte nicht Fußball spielen, also habe ich mir einen Lamborghini gekauft": Kevin-Prince Boateng. imago

Eines Tages schaute sich Kevin-Prince Boateng im Spiegel an und sah alt aus. Dabei war er gerade einmal 20 Jahre jung. Er hatte ein Jahr hinter sich, in dem er nur offiziell Fußballprofi war, aber eigentlich nicht Fußball spielte. Und Profi war er schon gar nicht.

"Ich war jeden Abend bis sechs Uhr morgens unterwegs, wog ungefähr 95 Kilo, dick vom Trinken und schlechten Essen", sagte er nun in einem bemerkenswert offenen Interview mit dem englischen "Guardian". Boateng, gebürtiger Berliner, war 2007 von Hertha BSC zu Tottenham Hotspur gewechselt, doch Trainer Martin Jol offenbarte ihm schon nach einem Monat, dass er nicht mit ihm plane. "Du willst mich nicht? Dann genieße ich das Leben" - so habe er darauf reagiert.

Spielersteckbrief K.-P. Boateng
K.-P. Boateng

Boateng Kevin-Prince

Ich hatte keine echten Freunde, die gesagt hätten: Geh trainieren! Meine haben gesagt: Lass uns ausgehen.

Kevin-Prince Boateng

"Jetzt weiß ich, wie schlimm das war. Sechs Tage die Woche in Nachtclubs, trinken, fast ein Jahr lang", so Boateng. "Ich war erst 20, da denkst du nicht, es könnte etwas schiefgehen. Du siehst das Geld reinkommen, denkst: 'Dann hole ich mir den Spaß eben woanders.' Mädchen, Clubs, Freunde - falsche Freunde."

Er sei "total allein" gewesen in London, seine damalige Frau verließ ihn. "Ich hatte keine echten Freunde, die gesagt hätten: Geh trainieren! Meine haben gesagt: Lass uns ausgehen." Die Fans interessiere das nicht, sie beurteilten einen nur nach Leistung, er habe das früher bei Hertha ja auch so gemacht, sagt Boateng. "Du bist nur eine Nummer in diesem System, und wenn du nicht funktionierst, tauschen sie die Nummer aus. Das musste ich erst lernen." Auch von Tottenham hätte damals nie jemand gefragt, wie es ihm geht.

Klopp? "Er weiß, wann du einen Drink brauchst und wann ein Wasser"

Er dagegen habe versucht, sein "Glück zu kaufen": "Ich konnte nicht Fußball spielen, also habe ich mir einen Lamborghini gekauft. Für eine Woche bist du dann glücklich, danach benutzt du ihn nicht mal mehr." Dann, an jenem Morgen, der Blick in den Spiegel. "Ich habe zu mir gesagt: Das kannst nicht du sein. Ich will nicht dieser Kerl sein. Ich habe etwas in mir: Ich bin Fußballer", sagt Boateng rückblickend. Er habe zwei "echte" Freunde angerufen, Kühlschrank und Haus auf Vordermann gebracht und fortan das Trinken und Weggehen gelassen. "Ich habe zu kochen begonnen, ich wollte mich gesund ernähren, von einem Tag auf den anderen."

Sportlich ging es aufwärts, er wechselte auf Leihbasis zu Borussia Dortmund - und traf Jürgen Klopp. "Er ist der beste Trainer der ganzen Welt", schwärmt Boateng. "Er weiß, wann er dich pushen und wann trösten muss, wann du einen Drink brauchst und wann ein Wasser. Er hat alles." Selbst die Ersatzspieler, die nur "fünf Minuten in sechs Monaten" zum Einsatz kamen, hätten sich wichtig gefühlt.

Boateng will im Fußball bleiben - als Berater

Boateng war nach einem halben Jahr wieder weg, der BVB zog die Kaufoption aus finanziellen Gründen nicht. Er spielte danach für Portsmouth, den AC Mailand ("Dort hatte ich meine beste Saison"), Schalke und jetzt Las Palmas - und sagt: "Ich hatte eine Karriere, von der viele träumen. Ich bin glücklich, aber ich weiß, dass ich mehr aus ihr hätte machen können, wenn ich früher fokussiert gewesen wäre, früher hart gearbeitet hätte."

Jetzt ist Boateng 29. Was plant er nach der Karriere? "Meine Vorstellung ist, jungen Spielern zu helfen". Er will als Berater im Fußball bleiben. "Wenn du 18 bist, weißt du gar nichts, und heute bekommst du mit 18 fünf Millionen im Jahr. Du kaufst die Welt, das ist genau das, was du denkst: Ich kann die Welt kaufen. Ich kaufe Freunde, Mädchen, Autos, alles. Ich kaufe Liebe, ich kaufe Glück. Mit 18 hörst du nicht auf deine Eltern, deswegen brauchst du jemanden, der dich anleitet", sagt Boateng. "Ich hatte so jemanden nicht."

jpe

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