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"Briefträgerfußball": Hiddink zum Rapport

Arjen Robben: "Ich koche von innen"

"Briefträgerfußball": Hiddink zum Rapport

Bangt nach nur vier Spielen als Trainer der Niederlande um seinen Job: Guus Hiddink.

Bangt nach nur vier Spielen als Trainer der Niederlande um seinen Job: Guus Hiddink. Getty Images

Ob Gylfi Sigurdsson weiß, was er mit seinen zwei Toren (10. und 42. Minute) beim 2:0-Sieg gegen die Niederlande, dem ersten überhaupt im elften Aufeinandertreffen, angerichtet hat? Island hat der Mittelfeldmann von Swansea City in ungekannte Jubelstürme geschossen; drei Spiele, drei Siege, kein Gegentor, Tabellenplatz eins der Gruppe A, punktgleich mit den Tschechen. Beim Kontrahenten aus den Niederlanden herrscht dagegen blanke Ratlosigkeit nach der zweiten Pleite im dritten Quali-Spiel und schon satten sechs Punkten Rückstand auf die beiden Kontrahenten.

"Es ist wirklich schmerzhaft, hier verloren zu haben", gestand Robin van Persie nach der Schlappe in Reykjavik ein. Die Aussage kam einem bekannt vor, denn ähnliche Worte wählte der Kapitän bereits nach der überraschenden Last-Minute-Pleite bei den Tschechen (1:2). Die Niederlage am zweiten Spieltag war vielleicht noch mit einem schlechten Tag und einem individuellen Fauxpas beim späten Siegtreffer zu begründen. Doch nach dem nächsten biederen Auftritt schrillen die Alarmglocken. "Ja, das ist peinlich", erklärte Arjen Robben: "Ich koche von innen."

EM-Qualifikation - 3. Spieltag
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EM-Qualifikation - Tabelle - Gruppe A
Pl. Verein Punkte
1
Island Island
9
2
Tschechien Tschechien
9
3
Niederlande Niederlande
3
Trainersteckbrief Hiddink
Hiddink

Hiddink Guus

Niederlande - Vereinsdaten
Niederlande

Gründungsdatum

01.01.1889

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Fast auf den Tag genau drei Monate ist es her, da schoss sich die Elftal durch ein 3:0 im Spiel um Platz drei gegen Brasilien zu WM-Bronze. Geschlagen nur von den Argentiniern, in der Lotterie Elfmeterschießen im Halbfinale, war die Niederlande einer der strahlenden Gewinner der Weltmeisterschaft am Zuckerhut. Jetzt liegt das kleine Land fußballerisch in Trümmern, so scheint es.

Ratlosigkeit und leere Blicke: Die holländische Elftal nach der nächsten schmerzhaften Qualifikationspleite.

Ratlosigkeit und leere Blicke: Die holländische Elftal nach der nächsten schmerzhaften Qualifikationspleite. Getty Images

"Wir müssen unsere Emotionen im Zaum halten, einen genauen Blick auf den Zustand des holländischen Fußballs werfen und darüber reden, wie wir vorangehen", äußerte sich Bondscoach Guus Hiddink leicht kryptisch und wohl auch mit Hintergedanken an seinen Job. Der steht ohne Frage bereits nach drei Pflichtspielen zur Debatte, nachdem die Elftal erneut nicht wie die Mannschaft aussah, die bei der WM hinten sicher und vorne eiskalt zugeschlagen hatte. Oder anders gesagt: wie eine Mannschaft mit erkennbarer Spielidee. "Briefträgerfußball" nannte es De Volkskrant despektierlich. Auch Hiddink gestand ein: "Es geht um fehlendes Tempo. Wir spielen zu langsam."

"Guus ist ein fantastischer Coach", sprang Kapitän van Persie seinem Nationaltrainer reflexartig schützend zur Seite. Das ist wohl auch bitter nötig, denn die Medien haben den Hauptschuldigen in Hiddink ausgemacht. "Hiddink sät die Zweifel", titelt der Telegraaf in seiner Online-Ausgabe und schreibt: "Wenn der Trainer gefragt wird, ob er im nächsten Monat weiterhin an der Seite der Elftal steht, tut er alles, um die schmerzhafte Frage zu vermeiden." "Totale Ohnmacht sowohl auf dem Feld als außerhalb", machte die Zeitung Trouw derweil aus, während das Algemeen Dagblad "keine Inspirationen" bei Hiddink feststellen konnte. "Oranje ist im Auflösungszustand", lautete das Fazit des Telegraaf.

Bei allem Respekt, er ist nun 67 Jahre alt. Seine Sichtweise ist veraltet.

Ronald de Boer kritisierte Guus Hiddink scharf

Die Kritiker lassen sich freilich auch nicht lange bitten. "Es sieht nicht so aus, als sei die Führung bei Oranje in Ordnung", lästerte beispielsweise Ex-Nationalspieler Ronald de Boer bei Sky Sports und schob hinterher: "Es gibt keinen Plan. Hiddink vermittelt den Spielern nicht, was er will. Bei allem Respekt, er ist nun 67 Jahre alt. Seine Sichtweise ist veraltet."

Hiddink kehrte dem van Gaalschem 5-3-2 den Rücken und kehrte zum 4-3-3 zurück. Die defensive Stabilität ist seitdem dahin. "Wir sollten uns nicht hinter Systemen verstecken", wollte Robben keine systemtechnischen Ausreden gelten lassen, "wir sind das 4-3-3 seit der Jugend gewohnt." Der Flügelstürmer legte mit Blick auf Leistung und Tabelle den Finger in die Wunde: "Es ist zwei vor zwölf. Wir müssen nicht denken, dass wir gut sind. Denn wir sind nicht gut." Vielmehr stellte Robben hervor, was vor drei Monaten noch völlig undenkbar schien: "Wir gehören nicht mehr zu den besten Ländern. Wir beginnen wieder bei Null."

KNVB bestellt Hiddink zum Rapport ein

Mit zwei Tagen Verspätung reagierte nun auch der Königlich-Niederländische Fußballverband (KNVB) und bestellte Hiddink zum Rapport. "Was wir beim letzten Mal (1:2-Niederlage gegen Tschechien, d.Red.) als Zwischenfall angesehen haben, erhält jetzt einen strukturellen Charakter", sagte KNVB-Direktor Bert van Oostveen.

Neben Hiddink wurde dessen kompletter Trainerstab einbestellt. "Wir werden alles analysieren. Das wird schneller und intensiver sein als nach dem Tschechien-Spiel", kündigte van Oostveen eine harte Aufarbeitung an.

Allerdings geht es nun auch um seine Person. Denn auch der KNVB-Präsident wird in den Medien heftig kritisiert. Immerhin war er es, der Hiddink eingestellt hatte und dadurch jüngere Kandidaten überging.