2. Bundesliga

"Janßen hätte früher die Reißleine ziehen müssen"

Eduard Geyer im ausführlichen kicker-Interview

"Janßen hätte früher die Reißleine ziehen müssen"

Drückt den Ost-Teams im Abstiegskampf die Daumen, kritisiert Dynamo aber auch scharf: Eduard Geyer.

Drückt den Ost-Teams im Abstiegskampf die Daumen, kritisiert Dynamo aber auch scharf: Eduard Geyer. Imago

kicker: Mit Dynamo Dresden gewannen Sie als Spieler und Trainer drei Meistertitel, mit Cottbus prägten Sie eine Ära. Wem drücken Sie im Abstiegsduell am Freitag mehr die Daumen, Herr Geyer?

Eduard Geyer: Mir tut es unheimlich leid, sollte Cottbus absteigen. Das wäre ein sehr großer Einschnitt und hat mich in letzter Zeit sehr beschäftigt. Die Erfolge mit Dynamo liegen schon etwas länger zurück, aber ich bin nach wie vor Dresdner und will, dass der Klub in der 2. Liga bleibt. Doch wenn es schlecht läuft, steigen beide ab. Es ist traurig für den Ostfußball, wenn man sieht, dass mit Aue drei Teams unten rumkrebsen.

2. Bundesliga - 28. Spieltag
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Trainersteckbrief Janßen
Janßen

Janßen Olaf

Dynamo Dresden - Vereinsdaten
Dynamo Dresden

Gründungsdatum

12.04.1953

Vereinsfarben

Schwarz-Gelb

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kicker: Ist es ein Endspiel für Cottbus?

Geyer: Für Cottbus ist es die letzte Chance auf den Relegationsplatz. Energie hat zu Hause zu viele Punkte liegen lassen. Es heißt zwar Stadion der Freundschaft, aber man sollte vielleicht doch nicht zu freundschaftlich mit den Gegnern umgehen. Die sollten schon die Angst spüren, dort antreten zu müssen. Das hat in dieser Saison schon sehr gefehlt.

kicker: Für wen wäre ein Abstieg schlimmer?

Geyer: Für Cottbus. Dynamo ist finanziell auch nicht auf Rosen gebettet, hat aber bessere Voraussetzungen. Man sieht an Erfurt, Rostock oder Chemnitz, wie schwer es ist, in der 3. Liga zu bestehen.

Nur mit der weichen Tour, diesem Wiener Walzer, kommt man nicht weiter. Für zwölf sieglose Spiele ist der Trainer verantwortlich.

Eduard Geyer

kicker: Befürchten Sie, dass Cottbus bei einem Abstieg nicht wiederkommt?

Geyer: Es hängt davon ab, wie weit man in der Lage ist, ein neues Team zu formen. Das wird ein großer Spagat. Es muss viel zusammenpassen, um wieder aufzusteigen.

kicker: Ist fehlende Kontinuität in der sportlichen Leitung das Grundübel?

Geyer: Eine hohe Fluktuation ist immer negativ und deutet auf Fehler bei der Personalauswahl hin. Sicherlich hat man mit den Trainern und Sportdirektoren nicht immer die glücklichste Hand gehabt.

kicker: Sie hatten Ihre Hilfe angeboten. Ist der Klub mittlerweile auf Sie zugekommen, oder ist das Thema erledigt?

Geyer: Für mich ist es nicht erledigt, aber es kommt immer darauf an, in welcher Funktion. Bislang gab es keine weiteren Gespräche.

kicker: Eine Zeitung wählte für eine Geschichte über Trainer Jörg Böhme die Zeile "Edes Enkel". Wie erleben Sie ihn?

Geyer: Ich kenne Böhme als Spieler, da war er ein bisschen verrückt. Und grundsätzlich ändert man sich im Leben nicht so sehr. Als Trainer vermag ich ihn nach so kurzer Zeit noch nicht beurteilen. Aber sein Auftreten ist okay, er hat die Mannschaft am Nerv getroffen. Das Spiel bei Union war zwar ein Rückschritt, aber ich wünsche ihm, den Fans, dem Vorstand, die nötigen Punkte zu holen.

kicker: Geht es für Dynamo auch nur noch um den Relegationsplatz?

Geyer: Wer Dynamos letzte Spiele gesehen hat, muss zu diesem Schluss kommen. Da war zu wenig Überzeugung, Biss und Leidenschaft. Um zu Hause zu siegen, muss man mit Kampf, Willen und über Standards Dinge erzwingen. Bleibt das aus, wird es schwer.

Wird von Geyer kritisiert: Dynamo Dresden Trainer Olaf Janßen.

Wird von Geyer kritisiert: Dynamo Dresden Trainer Olaf Janßen. Imago

kicker: Kann Dynamo Abstiegskampf?

Geyer: Es ist immer die Frage, ob man Spieler hat, die bereit sind, willensmäßig an die Leistungsgrenze zu gehen und alles andere hinten anzustellen. Offenbar haben einige zu viel mit Dingen zu tun, die außerhalb des Platzes und der Reichweite des Trainers liegen.

kicker: Stellt sich Olaf Janßen nach Ihrem Geschmack zu sehr vor die Mannschaft?

Geyer: Von ihm hätte ich mir viel früher mehr Leidenschaft und Engagement im rigorosen Einfordern von Leistung gewünscht. Das darf man nicht erst nach zwölf sieglosen Spielen machen, dann ist es zu spät. Janßen hätte eher die Reißleine ziehen müssen, vom Potenzial her muss dieser Kader die 2. Liga halten. Nur mit der weichen Tour, diesem Wiener Walzer, kommt man nicht weiter. Für zwölf sieglose Spiele ist der Trainer verantwortlich.

kicker: Vor der Saison hatten Sie der Mannschaft zugetraut, ins Mittelfeld vorzurücken. Eine Fehleinschätzung?

Geyer: Ich denke weiterhin, dass Dresden vom Potenzial her mithalten kann mit Bochum, Düsseldorf, Aalen oder Ingolstadt. Es ist keine Frage der Qualität, sondern der Mentalität. Die Mannschaft ist mir zu lieb. Ich sehe nie, dass sich die Spieler gegenseitig in die Wolle kriegen oder sich pushen.

Es ist keine Frage der Qualität, sondern der Mentalität. Die Mannschaft ist mir zu lieb. Ich sehe nie, dass sich die Spieler gegenseitig in die Wolle kriegen oder sich pushen.

Eduard Geyer

kicker: Trotz der Talfahrt hält die Klubführung am Trainer fest. Das richtige Signal?

Geyer: Das müssen die Verantwortlichen einschätzen. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass sich manche dieser Personen viel mehr mit sich beschäftigen, als es gut ist. Eigentlich gibt es nur die Mannschaft, den Trainer und die sportliche Leitung. Alles andere ist Beiwerk. Aber anstatt dafür zu sorgen, dass das Team funktioniert, herrscht zu wenig Einigkeit und zu viel Schönfärberei. Zu viele beschäftigen sich zu sehr mit sich selbst und lancieren Dinge in eine bestimmte Richtung, um in der Presse, im Rundfunk, im Fernsehen dabei zu sein. Es werden zu viele falsche Signale in die Öffentlichkeit getragen. Dynamo hat zu viele Gremien.

kicker: Verbinden Sie mit Sportdirektor Ralf Minge die Hoffnung, dass im sportlichen Bereich dauerhaft Kompetenz und Kontinuität im Klub einzieht?

Geyer: Das kann ich nicht sagen. Minge ist zu kurz im Amt. Ich sehe aber auch keine Dinge, die das Team nach vorne gebracht haben.

kicker: Gibt es Spieler, von denen Sie besonders enttäuscht sind?

Geyer: Es gibt einige, von denen ich mehr erwartet habe. Poté tritt auf der Stelle, Dedic ist unsichtbar, Ouali zu wechselhaft, Bregerie war schon stärker, auch Losilla steht neben seinen Schuhen. Zudem sind die Außenbahnen schwach besetzt, aus dem Mittelfeld kommt zu wenig. Dynamo hat nicht annähernd 15 gleichwertige Spieler. Deshalb bringen auch Hauruck-Aktionen nichts, wie etwa kurzerhand zwei Spieler zu suspendieren. Das geht meistens nach hinten los.

kicker: Was passiert, falls Dresden verliert?

Geyer: Es haben sich alle zum Trainer bekannt und vielleicht wurde mit der Stärkung von Janßen die richtige Entscheidung getroffen. Was bei einer Niederlage passiert, kann ich nicht voraussagen.

Interview: Uwe Röser