Regionalliga

Der Klassenkampf im Osten

Leipzig: Derby elektrisiert die Beteiligten

Der Klassenkampf im Osten

Bleibt cool: RB-Coach Alexander Zorniger lassen die Kampfansagen vor dem Derby gegen Lok kalt.

Bleibt cool: RB-Coach Alexander Zorniger lassen die Kampfansagen vor dem Derby gegen Lok kalt. imago

Es war der 6. Mai 2011. 18.500 Fans strömten zum Regionalliga-Spiel Preußen Münster gegen die U 23 von Borussia Mönchengladbach. Deutscher Rekord in der 4. Liga. Fällt er am Sonntag in Leipzig? "Wir arbeiten daran", sagt Steffen Kubald (50), der beim 1. FC Lok Sicherheitschef und Mädchen für vieles andere ist. 9000 Tickets sind im Vorverkauf bereits abgesetzt, die Nachfrage reißt nicht ab. Nach Einschätzung des Verbandes ist das Derby kein Sicherheitsspiel der Kategorie I, vor allem wegen der handzahmen Red-Bull-Zuschauer nur "bedingt störanfällig" und der Kategorie II zugehörig. Bedeutet unter anderem: Im früheren Zentralstadion darf sogar Bier an den Getränkeständen ausgeschenkt werden.

Kleines Derby? Nur Kategorie II? Für eingefleischte Lok-Fans ist es das Spiel des Jahres, wobei es um mehr als drei Punkte geht. Weil Übertreibung veranschaulicht, werden Emotionen geschürt, wird gar der Klassenkampf zwischen den beiden Vereinen ausgerufen.

Ungleiche Voraussetzungen

Tradition trifft Kommerz, wahrer Fan trifft Operettenpublikum, Fußballklub trifft Dosen-Klub. Das einstige Feindbild Chemie Leipzig ist abgetaucht, das neue wird mit neuen Inhalten gefüttert - und dabei zuweilen überfüttert. Den neuen RB-Coach Alexander Zorniger (44) lässt das laute Säbelrasseln kalt. "Wir treffen in dieser Regionalliga Woche für Woche auf viele Widerstände. Die müssen wir brechen. Und dafür arbeiten wir jeden Tag sehr hart."

Steffen Kubald war früher nie um eine Kampfansage verlegen, hält sich diesbezüglich diesmal aber zurück. "Wir wollen gegen RB punkten und den Zuschauerrekord knacken", kündigt er an.

Der 50-Jährige erlebte sein erstes Ortsderby 1973, schlug sich gerne und oft, wurde irgendwann ruhiger. Und er war zur Stelle, als Lok-Nachfolger VfB Leipzig, der sich 1993/94 ein Jahr in der Beletage des deutschen Fußballs aufhielt, immer weiter finanziell in Schieflage geriet. Nach einem erneuten Insolvenzverfahren wurde 2004 nach einer Gläubigerversammlung die Auflösung des Traditionsvereins beschlossen. Zurück zu den Wurzeln, lautete das Motto in Probstheida, und Hebamme Kubald hielt ein properes blau-gelbes Baby in seinen Händen.

Stürmer Beck als Derby-Geschenk?

Christian Beck (links)

Gibt er gegen RB sein Debüt für Lok? Germania Halberstadts Ex-Stürmer Christian Beck (links). imago

Zig Aufstiege später hat der Geburtshelfer und einstige Präsident des neuen, alten 1. FC Lok zwar kein Vorstandsamt mehr inne, gilt aber als Graue Eminenz. Als solcher plant er den Derby-Coup. Nach kicker-Informationen will der Regionalliga-Aufsteiger seinen Fans zum Derby ein besonderes Geschenk machen, den Ex-Halberstädter Mittelstürmer Christian Beck als Neuzugang präsentieren. Der 25-Jährige, der in der vergangenen Saison 15 Tore für Germania erzielte, wäre beinahe bei RB gelandet und könnte ebenjenen Roten Bullen den Sonntag vermiesen.

RB-Kapitän Daniel Frahn (25) ist es "völlig egal", wer bei Lok aufläuft. "Es ist ein Derby, es geht um Stolz und um Ehre. Die drei Punkte bleiben bei uns, gar keine Frage." An seiner Seite würde zu gern Stefan Kutschke (23) stürmen, der beim 2:1-Sieg in Neustrelitz noch mit Gelb-Rot gesperrt war: "Wäre ich Trainer, würde ich mich aufstellen. Ich verkörpere alle entsprechenden Tugenden für dieses Derby."

Lok-Routinier und Abwehrchef Kevin Kittler (30) hält dagegen: "Das ist schließlich unser Heimspiel, wir werden uns nicht in die Hose machen, wollen etwas holen. Im Fußball ist alles möglich - und in dieser Regionalliga sowieso."

Es geht um Stolz und um Ehre.

RB-Kapitän Daniel Frahn

Die Lage vor dem so ungleichen Duell ist klar: RB hat mehr Geld, bessere Spieler, bessere Trainingsbedingungen, aber auch den quälenden Aufstiegsdruck. Lok hat eine glorreiche Vergangenheit, eine von Cheftrainer Marco Rose (35) befehligte willensstarke Truppe - und den nach wie vor weitaus größeren Anhang. Rose und Tamas Bodog, Co-Trainer bei RB, verbindet übrigens ein ganz besonderes Erlebnis: Sie stiegen 2004 mit Mainz 05 in die Bundesliga auf.

Red-Bull-Fußballchef Ralf Rangnick veranstaltet am Wochenende einen Workshop in Leipzig und bringt führende Köpfe von RB Salzburg und RB Leipzig zusammen, um die gemeinsame Stoßrichtung (attraktiv-offensiver Fußball) klar zu machen und das Wir-Gefühl zu stärken. Am Sonntag muss es besonders stark sein. Ein Leipziger Ortsderby gehört zu den härtesten. Auch wenn es nicht mehr das legendäre Duell Lok gegen Chemie ist.

Guido Schäfer