Bundesliga

Plattenhardt: "Das war ein krasses Spiel"

Hertha: Zwei Stürmer, die treffen - und ein Punkt der Moral

Plattenhardt: "Das war ein krasses Spiel"

Daumen hoch: Davie Selke (2.v.r.) nach Abpfiff in Wolfsburg.

Daumen hoch: Davie Selke (2.v.r.) nach Abpfiff in Wolfsburg. imago

Vedad Ibisevic beendete nach 900 torlosen Bundesliga-Minuten mit dem schnellsten Treffer der Saison seine Flaute. Karim Rekik gewann vorm zwischenzeitlichen 2:2 das Kopfball-Duell mit John Anthony Brooks, den er im Sommer in Berlin ersetzt hatte und der erstmals auf seinen Ex-Klub traf. Und Davie Selke, bisher Herthas "Mister Europa", setzte mit seinem Tor zum 3:3-Endstand nun auch in der Bundesliga die erste Duftmarke für die Berliner.

Am Ende der Dienstreise an den Mittellandkanal stand zwar nicht der erste Auswärtssieg der Saison für den Hauptstadt-Klub, aber das Resümee der Berliner fiel nach packenden 90 Minuten dennoch positiv aus. "Zweimal nach Rückstand so zurückzukommen, ist schon gut", sagte Langkamp. "Drei Tore auswärts - offensiv war das sehr, sehr gut und ging in die richtige Richtung. Aber man hat auch gesehen, dass uns die Balance ein bisschen gefehlt hat." Auch der Mann, der als Joker das kostbare Unentschieden sicherstellte, klang zufrieden. "Der Wille war da, auch wenn es vielleicht nicht unsere beste Leistung war", befand der eingewechselte Davie Selke.

Es ist ein ärgerliches Unentschieden für Wolfsburg und ein glücklicher Punkt für uns

Davie Selke

"Es ist ein ärgerliches Unentschieden für Wolfsburg und ein glücklicher Punkt für uns." Für den sorgte Selke, der nach drei Europa-League-Toren in zwei Spielen nun auch in der Bundesliga sein erstes Erfolgserlebnis für Hertha verbuchen konnte. "Es war schwierig reinzukommen, das Spiel war sehr wild und hart umkämpft", so der Ex-Leipziger, der binnen vier Tagen dreimal getroffen hat. Seinem Doppelpack am Donnerstag gegen Sorja Luhansk (2:0) ließ Selke das wichtige Tor in Wolfsburg folgen: "Das war fürs Team und für mich der versöhnliche Abschluss einer gelungenen Woche."

Ibisevic beendet Wartezeit und stellt neuen Rekord auf

Die beste Nachricht aus Berliner Sicht neben dem Ergebnis: Herthas Stürmer treffen wieder vermehrt. Nicht nur Selke trug sich am Sonntagabend in die Torschützenliste ein, auch Vedad Ibisevic erzielte endlich sein erstes Saisontor - 20 Sekunden nach dem Anpfiff. Es war das schnellste Tor der laufenden Bundesliga-Saison und Ibisevics viertes Tor in der Auftaktminute eines Bundesliga-Spiels - neuer Bundesliga-Rekord. Jupp Heynckes und Harald Spörl hatten jeweils dreimal innerhalb der ersten 60 Sekunden getroffen.

"Ein bisschen zu früh" sei sein Tor gefallen, scherzte der Bosnier mit Blick auf den Fortgang der Partie. "Es fühlt sich immer gut an zu treffen. Ich hatte gehofft, dass wir die Führung länger halten, aber es war ein verrücktes Spiel." Herthas Kapitän fühlte sich an das 4:4 erinnert, das er im März 2012 mit dem VfB Stuttgart in Dortmund hingelegt und bei dem er auch getroffen: "Das heute war wieder ein verrücktes Spiel. Solche Spiele gibt es immer mal wieder. Man freut sich am Ende, dass man nicht verloren hat. So, wie es gelaufen ist, können wir mit dem Punkt zufrieden sein."

Dardai: "Wir haben die Dinge deutlich angesprochen"

Blitzstart: Die Berliner bejubeln das 1:0 von Vedad Ibisevic (3.v.r).

Blitzstart: Die Berliner bejubeln das 1:0 von Vedad Ibisevic (3.v.r). imago

Auch sein bis dato letztes Tor hatte der Berliner Kapitän gegen Wolfsburg erzielt - beim 1:0-Heimsieg am 22. April. Dass seine 900-minütige Flaute endete, war eine Erleichterung für den Kapitän und das ganze Team. Ruhe und Sicherheit gab die frühe Führung den Berlinern indes nicht, im Gegenteil. "Wir haben mit dem Tor gut angefangen, aber danach hat uns das blockiert", bilanzierte Trainer Pal Dardai. "Da haben wir immer tiefer verteidigt, aber der Plan war ein anderer. Wenn du das machst, musst du fußballerisch Lösungen finden, aber das haben wir nicht hingekriegt. In der ersten Halbzeit war Wolfsburg viel besser. In der Halbzeitpause haben wir einen ehrlichen Dialog mit der Mannschaft geführt."

Mit anderen Worten: Es gab Klartext vom Coach. "Wir haben die Dinge deutlich angesprochen", erklärte Dardai. "Das war vielleicht auch schmerzhaft." Die Standpauke half, danach waren die Berliner wacher und aggressiver. "Wir hatten enormes Glück, dass wir zur Pause nicht höher zurücklagen", gestand Abwehrchef Sebastian Langkamp. "Wir haben versucht, nach vorn zu verteidigen, aber waren nicht gut gestaffelt und haben Bälle hinter die Abwehr bekommen. Da haben wir uns nicht gut angestellt. Das gilt es aufzuarbeiten."

Stark ratlos - Untersuchung am Montag

Auch der früh wegen einer Knieverletzung ausgeschiedene Niklas Stark konnte sich keinen Reim darauf machen, dass Hertha trotz der frühen Führung den Faden verlor: "Mit einem Tor zu starten kann einen eigentlich nicht verunsichern. Aber wir haben am Anfang ein bisschen versäumt, unsere Qualität auf den Platz zu bringen, und vergessen, die Wege nach hinten zu machen und Aggressivität reinzukriegen. In der zweiten Halbzeit haben wir das viel besser gemacht." Untersuchungen am Montag sollen bei Stark Aufschluss über das Ausmaß der Verletzung geben.

Am Sonntagabend sprach sich der U-21-Europameister, der wegen einer Rippenfraktur im Sommer einen großen Teil der Vorbereitung verpasst hatte, selbst Mut zu: "Ich wollte noch weitermachen, aber das hat nicht geklappt. Wir müssen abwarten, was die Tests ergeben, aber erstmal bleibe ich positiv." Coach Dardai schwant indes nichts Gutes. Es sei "kein kleines Ding", so der Coach. "Niklas hat versucht zu beißen. Aber wenn du mit einer Knieverletzung runtermusst, ist es immer etwas komplizierter."

Wir hatten zweimal Schwein, dass es jetzt den Video-Schiri gibt.

Marvin Plattenhardt
Glücklicher Punktgewinn: Marvin Plattenhardt und Mitchell Weiser (r.).

Glücklicher Punktgewinn: Marvin Plattenhardt und Mitchell Weiser (r.). imago

Den dritten Auswärtspunkt der Saison (nach den Unentschieden in Hoffenheim und Freiburg) nannte der Ungar mit Blick auf die drei eigenen Tore verdient, auch die Einwechsler Arne Maier, Alexander Esswein und eben Selke lobte er: "Meine Spieler haben bis zum Schluss gefightet, die Wechselspieler sind gut reingekommen." Angesichts der beiden - korrekterweise - mit Hilfe des Video-Assistenten wegen Abseitsstellungen zurückgenommenen Wolfsburger Tore empfahl Dardai, "die Szenen dem Publikum auf der Leinwand zu zeigen - das bringt sonst zu viel Unruhe rein".

Am Montag ist trainingsfrei, die nächste Übungseinheit hat Dardai für Dienstagnachmittag angesetzt. Er muss dann auf 15 Nationalspieler verzichten, darunter den kurzfristig statt zur deutschen U20 zur U 21 abgestellten Abwehrspieler Jordan Torunarigha. Auch Marvin Plattenhardt, der mit der A-Nationalmannschaft die Länderspiele gegen England und Frankreich bestreitet, ist unterwegs. Die 90 spektakulären Minuten vom Sonntagabend wird er so schnell nicht vergessen. "Es war ordentlich Tempo drin, es ging ordentlich zur Sache", resümierte der Linksverteidiger. "Wir hatten zweimal Schwein, dass es jetzt den Video-Schiri gibt. Das war ein krasses Spiel. Mit dem Punkt sind wir am Ende glücklich."

Steffen Rohr/Gunnar Meggers

Bilder zur Partie VfL Wolfsburg - Hertha BSC