In der abgelaufenen Saison war es wie so oft: Inters Hoffnungen auf die internationalen Fleischtöpfe zerstoben, wenn auch knapp verfehlten die Nerazzurri die Bühne Europa, auf die sie nach dem eigenen Selbstverständnis eigentlich gehören. Drei Trainer schafften es nicht, das Team aus der Modestadt wenigstens auf Platz 6 zu führen, den sich ausgerechnet Stadtrivale Milan krallte. Weder Frank de Boer noch dessen Nachfolger Stefano Pioli und zuletzt auch nicht Stefano Vecchi konnten die Träume der Fans des Traditionsklubs erfüllen.
Das müssen wir nutzen und in Antriebsenergie umwandeln.
Luciano Spalletti zur Erwartungshaltung bei Inter
Kein Wunder also, dass Inter die Gunst der Stunde nutzte, als sich die AS Rom von Luciano Spalletti trennte. Der 58-Jährige, der die Hauptstädter in der vergangenen Saison zur Vize-Meisterschaft führte, soll bei den Lombarden nach den Trainer-Kapriolen der Vergangenheit für Kontinuität sorgen - und für Stabilität, gepflegten Offensivfußball und natürlich nicht zuletzt für Titel. Die kann Spalletti vorweisen. In seinem Portfolio stehen zwei Pokalsiege in seiner ersten Amtszeit bei der Roma (2007, 2008) sowie mit Zenit Sankt Petersburg das Double 2010 und die Meisterschaft 2012. Der Coach ist sich bewusst, dass er sich bei Inter einer hohen Erwartungshaltung aussetzt: "Das müssen wir nutzen und in Antriebsenergie umwandeln", so Spalletti bei seiner Vorstellung Anfang Juni.
Starke Achse - und eine brilliante Offensive
Das Gerüst der Nerazzurri steht. In Keeper Samir Handanovic, Abwehrchef Miranda, Mittelfeld-Ass Joao Mario und Tormaschine Mauro Icardi kann Spalletti auf eine starke Achse bauen. Seine Aufgabe wird es sein, um diese Korsettstangen herum ein funktionierendes Gebilde zu formen. Dass es Spalletti, Verfechter des Angriffsfußballs, am liebsten wäre, die Tifosi mit attraktiven und mutigen Offensivkombinationen zu verwöhnen, scheint klar. Das Personal dazu steht ihm auch zur Verfügung, doch trotz aller Offensivkraft (72 Tore in der Saison 2016/17 - Icardi: 24, Perisic: 11, Eder: 8) sollte angesichts von 49 Gegentreffern auch nicht vergessen werden, rechtzeitig den Rückwärtsgang einzuschalten.
35 Tore in der vergangenen Saison: Inter hat in Ivan Perisic und Mauro Icardi ein brandgefährliches Angreifer-Duo. imago
In den Verteidigern Milan Skiriniar (von Sampdoria), Dalbert (Nizza) sowie den Mittelfeldspielern Matias Vecino und Borja Valero (beide Florenz) hat Inter seinen Kader in der Tiefe verstärkt und auch Erfahrung hinzugeholt. Und das Transferfenster ist ja noch bis Ende August offen, so dass ein eventueller Wunsch Spallettis nach weiterer Verstärkung dank der chinesischen Investoren nicht ungehört verhallen dürfte.
Findet Spalletti die Balance?
Prognose: Dass es Spalletti gelingen kann, die Balance zwischen geliebter Offensive und Defensive zu finden, hat er zuletzt bei der Roma bewiesen, die die Saison mit einem Torverhältnis von 87:36 Toren abschloss. Und viel wichtiger, auf Rang zwei des Tableaus. Die Inter-Fans dürfen anfangen, wieder zu träumen.