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Kommentar zu Deutschlands 3:0-Sieg gegen Russland: Jugend und Tempo allein reichen nicht

Kommentar zum Testspiel gegen Russland

Jugend und Tempo allein reichen nicht

Die Richtung stimmt, der Weg bleibt beschwerlich: Havertz, Sané und Gnabry.

Die Richtung stimmt, der Weg bleibt beschwerlich: Havertz, Sané und Gnabry. imago

Ein Kommentar von kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

Das Ergebnis und die Zahlen stimmten immerhin. Erstmals in 2018 gelangen der deutschen Nationalmannschaft drei Treffer in einer Partie, der vierte Sieg dieses Kalenderjahres war der erste gegentorfreie, dazu gab es in dieser Periode sechs Niederlagen und zwei Remis. Ohne gegnerischen Treffer war die DFB-Elf in diesem Jahr nur beim 0:0 gegen Frankreich zum Start in die Nations League geblieben. Eine jüngere Startelf als in Leipzig gegen Russland - sie hatte ein Durchschnittsalter von 24,46 Jahren - hatte Bundestrainer Joachim Löw letztmals 2017 beim Confederations Cup losgeschickt, im Halbfinale gegen Mexiko (4:1-Sieg) war sie 24,22 Jahre jung und gegen Kamerun am dritten Spieltag (3:1-Sieg) sogar lediglich 23,84 Jahre im Schnitt gewesen.

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Im Test gegen Russland legte diese verjüngte deutsche Mannschaft - Kapitän Manuel Neuer war neben Matthias Ginter der letzte übrig gebliebene Weltmeister in der Anfangsformation - forsch los und nutzte die Freiräume, die ihnen der in dieser Phase überforderte, zweitklassig erscheinende Gegner im Mittelfeld sowie im torgefährlichen Bereich gönnte, gerne aus. Der oft rochierende Drei-Mann-Sturm mit Gnabry-Werner-Sané machte regelmäßig die Flanken frei, damit Thilo Kehrer und Jonas Hector über die Seiten nachstoßen konnten.

Kai Havertz, mit einem insgesamt viel versprechenden Auftritt vorne in der Mittelfeldraute, hatte alle Freiheiten. So entstand ein klares Übergewicht für die deutsche Mannschaft, deren Dreierabwehr vor der Pause überhaupt nicht geprüft wurde. Die deutsche Mannschaft beherrschte diese ersten 45 Minuten komplett, mit viel Geschwindigkeit wurden die richtigen Laufwege gewählt. Serge Gnabry gefiel als Anspielpartner und Vollstrecker, Leroy Sané als Dribbler.

Die 1:0-Führung war das Produkt einer Passfolge, die der engagierte Thilo Kehrer aus dem rechten Mittelfeld nach Balleroberung einleitete, Gnabry servierte für Sané, der einschob. Beim 2:0 setzte sich Antonio Rüdiger im Luftduell nach Eckball durch, Niklas Süle staubte ab. Und das dritte Tor inszenierte Süle aus der Tiefe des Mittelkreises, der feine Techniker Havertz steckte durch auf Serge Gnabry, 3:0. Gegen die nachlässig verteidigenden Russen setzte die deutsche Mannschaft einige gute Tempoangriffe, doch einige Male fehlten der letzte Pass oder die präzise Hereingabe oder der konsequente Abschluss, wie bei Sanés riesiger Kopfballchance (23.).

kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

Nach dem Wechsel interpretierten die nun kompakteren Russen ihre 5-4-1-Formation energischer und konsequenter. Das deutsche Spiel erlahmte in langsamem Ballgeschiebe in die Breite oder nach hinten (oft zu Keeper Neuer), der vertikale flache Pass in die Spitze blieb aus oder kam nicht an, wenn er hoch getreten wurde. Gegen die nun gut die Räume verstellenden Russen mangelte es an der spielerischen Idee, schon die erste russische Defensivreihe wurde nicht mehr ausgespielt, der Schwung war weg. Die klare Führung wurde über die Zeit gebracht, die im ersten Abschnitt einigermaßen flotte Darbietung versandete in Langeweile.

Havertz: Ein Mann mit großer Zukunft

So liefert dieses Freundschaftsspiel wenige konkreten Antworten und Erkenntnisse. Dazu war diese russische Delegation im ersten Durchgang zu bieder. Und nach der 3:0-Führung genügte den Deutschen der Verwaltungsmodus. Mehr fiel ihr aber auch nicht mehr ein. Positiv bleibt aber, dass Havertz sicherlich ein Mann mit großer Zukunft ist. Gnabry, obwohl nicht immer perfekt in seiner Ballverarbeitung, belebt die Offensive, gleichfalls Sané, auch wenn er sich immer wieder Schlampigkeiten erlaubt. Insgesamt ist diese verjüngte DFB-Auswahl mit mehr Geschwindigkeit unterwegs, die sie umsetzt, wenn ihr Raum gewährt wird. Sie muss sich aber auch unter beengten Verhältnissen in Szene setzen oder Pressingsituationen erkennen und dann nutzen - was in Leipzig gar nicht geschah. Da fehlen noch die Automatismen, genauso die selbstverständlichen Ballstafetten.

Jugend und Tempo allein reichen nicht für die Weltspitze

Der Weg zurück in die Weltspitze ist noch lang und beschwerlich. Jugend und Tempo allein reichen vorerst, zumindest gegen limitierte Russen; aber nicht auf Dauer. Joachim Löw und seiner neu formierten Truppe bleibt noch viel Arbeit.

Bilder zur Partie Deutschland - Russland