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kicker-Kommentar zum 2:1 Deutschlands gegen Schweden - Pomadig, ziellos, nervenstark: Toni Kroos als Sinnbild der DFB-Elf

Kommentar von kicker-Chefreporter Oliver Hartmann

Pomadig, ziellos, nervenstark: Kroos als Sinnbild der DFB-Elf

Versöhnliches Ergebnis: Toni Kroos und Joachim Löw nach dem Schlusspfiff.

Versöhnliches Ergebnis: Toni Kroos und Joachim Löw nach dem Schlusspfiff. Getty Images

Aus Sotschi kommentiert Oliver Hartmann

Als Joachim Löw nach der Auftaktniederlage gegen Mexiko gefragt wurde, warum drei der letzten vier WM-Titelverteidiger bereits in der Vorrunde ausschieden, entgegnete er: "Warum das bei den anderen Nationen so war, weiß ich auch nicht. Uns wird es nicht passieren! Wir werden es schaffen!"

Bis zur 95. Minute in diesem denkwürdigen Krimi gegen Schweden sah es nicht mehr danach aus, als solle es die deutsche Mannschaft im Gruppenfinale am Mittwoch gegen Südkorea in der eigenen Hand haben, diese Prophezeiung des Bundestrainers in die Realität umzusetzen. Löw ging am Ende trotz Unterzahl totales Risiko, setzte auf Offensive pur, weil er davon ausgehen musste, dass ein Unentschieden wohl nicht reichen würde zum Weiterkommen. Der Mut wurde belohnt, und auch wenn der Sieg am Ende glücklich war, hatte ihn sich die Mannschaft auf Grund eines klaren Chancen-Plus fraglos verdient.

Dass es ausgerechnet Toni Kroos war, der nervenstark und technisch brillant den Freistoß zum erlösenden 2:1 in den schwedischen Winkel zirkelte, steht sinnbildlich für das bisherige Erscheinungsbild der DFB-Auswahl bei diesem Turnier. Nach drei pomadigen, überheblichen und ziellos vorgetragenen Halbzeiten legte die deutsche Mannschaft erst in den zweiten 45 Minuten von Sotschi jene Tugenden an den Tag, die für ein erfolgreiches Auftreten absolute Grundlage sind: Einsatzbereitschaft, Entschlossenheit, Behauptungswille. Folgerichtig bezeichnete Joachim Löw den Ausgang der Partie als "Sieg der Moral".

Dies gilt in ganz besonderem Maß für Kroos: Wie schon gegen Mexiko erfüllte der viermalige Champions-League-Gewinner auch gegen die Schweden zunächst seinen Auftrag als Taktgeber ungewohnt unzulänglich, stellvertretend dafür steht sein fataler Fehlpass vor dem 0:1 und der danach arg halbherzige Versuch einer Abwehrarbeit. Doch nach dem Seitenwechsel steigerte sich Kroos erheblich, bemühte sich endlich um Tempo und Zielstrebigkeit, wirkte endlich im Turnier angekommen. Und übernahm in höchst prekärer Situation Verantwortung.

Dieser so dramatisch errungene Sieg kann eine Initialzündung werden, ähnlich wie der in der Verlängerung erzielte 2:1-Sieg über Algerien im Achtelfinale vor vier Jahren. Aber so groß der Jubel in Sotschi nach dem Happy End auch war, dieser Erfolg ist nur ein erster kleiner Schritt, das erste von sechs Endspielen, wenn es mit der angestrebten Titelverteidigung etwas werden soll. Und dieses erste Endspiel hat auch aufgezeigt, wie nah Sieg und Niederlage beieinanderliegen, welch große Rolle auch der Faktor Glück spielt.

Glück bei Bergs erster Chance: Elfmeter möglich

Niemand hätte sich beschweren dürfen, wenn der polnische Schiedsrichter Szymon Marciniak schon nach zwölf Minuten die Attacke von Jerome Boateng gegen Marcus Berg mit dem eigentlich fälligen Elfmeter geahndet hätte. Die Aufgabe wäre dadurch schwerer geworden.

Ein Sieg mit zwei Toren Unterschied gegen die noch punktlosen Südkoreaner sichert unabhängig vom Ausgang des Duells zwischen Mexiko und Schweden das Weiterkommen . Löw hat mit seiner Aufstellung Zeichen gesetzt, indem er in Mesut Özil und Sami Khedira zwei seiner Lieblingsspieler aus der Mannschaft nahm. Beide Entscheidungen waren sportlich nachvollziehbar .

kicker-Chefreporter Oliver Hartmann

kicker-Chefreporter Oliver Hartmann

Für den weiteren Turnierverlauf aber ist es wichtig, dass Löw diese beiden Spieler wieder in Form bringt und auf sie je nach Gegner wieder setzen kann. Um bei dieser WM weit zu kommen, muss sich das deutsche Team noch erheblich steigern. Immerhin ist der erste Schritt gerade noch rechtzeitig getan.

Bilder zur Partie Deutschland - Schweden