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Der Geist von Gattuso

Milan dreht unter dem Weltmeister mächtig auf

Der Geist von Gattuso

Pure Leidenschaft: Trainer Gennaro Gattuso hat Milan wieder Leben eingehaucht.

Pure Leidenschaft: Trainer Gennaro Gattuso hat Milan wieder Leben eingehaucht. imago

Sechs Pflichtspielsiege in Serie, jeweils kein Gegentor kassiert - und seit Weihnachten 2017 in 13 Partien unbesiegt. Das jüngste Abschneiden von Milan erinnert an jene erfolgreichen Zeiten, nach denen sich der stolze Klub seit vielen Jahren sehnt.

Der Mann der Stunde, der diese beste Serie seit 2009 möglich macht: Trainer Gennaro Gattuso. Der Publikumsliebling, der mit den Rossoneri zwischen 1999 und 2012 unter anderem zwei Champions-League-Siege feierte und sich in Deutschland 2006 zum Weltmeister kürte, hat sich binnen kürzester Zeit auch als Trainer zum gefeierten Mann entwickelt.

AC Mailand - Die letzten Spiele
AS Rom Roma (A)
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Spielersteckbrief Calhanoglu
Calhanoglu

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N. Kalinic

Kalinic Nikola

Serie A - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
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69
2
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68
3
AS Rom AS Rom
53
Trainersteckbrief Gattuso
Gattuso

Gattuso Gennaro

AC Mailand - Vereinsdaten
AC Mailand

Gründungsdatum

16.12.1899

Vereinsfarben

Rot-Schwarz

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Gattuso und die Spezial-Umarmung

Denn genau seine emotionale Art scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein: Gattuso agiert mit hochrotem Kopf an der Seitenlinie, schreit, gibt dauerhaft Kommandos, zerrt eigene Spieler am Trikot - und watscht seine Schützlinge sogar direkt nach Spielschluss im wahrsten Sinne des Wortes ab. So geschehen zum Beispiel nach dem 1:0-Ligasieg gegen Sampdoria Genua am 25. Spieltag, als er den 33-jährigen Routinier Riccardo Montolivo liebevoll in den Nacken schlug. Der ehemalige Leverkusener Hakan Calhanoglu sah seinen Trainer derweil wutentbrannt auf sich zurennen - um dann ein freundliches Lächeln zu kassieren. Die ganz besondere Gattuso-Schiene eben.

Von dieser können auch ehemalige Weggefährten wie Carlo Ancelotti, der selbst die ein oder andere Spezial-Umarmung seines Spielers erhielt, oder Andrea Pirlo ein Liedchen trällern. So sagte zum Beispiel Gattuso einst über Feingeist Pirlo: "Er ärgerte mich monatelang, weil er einfach nicht die Klappe halten kann und ständig Witze macht. Ich habe ihn deswegen öfter geschlagen als Bud Spencer Terrence Hill."

Gennaro Gattuso und Andrea Pirlo

Weggefährten aus alten Tagen: Gennaro Gattuso und Andrea Pirlo. imago

Gattuso, "der Alptraum der Spieler"

Aussagen wie folgende gegenüber "Mediaset Premium" unterstreichen derweil, dass Gattuso seinen Herzensklub Milan wirklich liebt - und deswegen alles in seiner Macht stehende tun will, um seine Rossoneri zurück in die Champions League und zurück zu Titeln zu führen: "Meine Arbeit ist es, bis zum Ende der Saison der Alptraum der Spieler zu sein."

Wie genau das im Training oder im stillen Kämmerlein aussieht, verrät Gattuso zwar nicht. Er gibt aber aus: "Ich möchte, dass die Spieler in die Kurve gehen und die Fans grüßen. Es ist dabei richtig, dass sie ohne ihren Trainer dorthin gehen." Die Aufgabe Milan hat er nach dem Aus von Ex-Coach Vinzenco Montella derweil bewusst übernommen - als die Lombarden tief in der Krise steckten und erneut im Mittelfeld zu versinken drohten: "Ich habe nichts erwartet, als ich hier angekommen bin. Ich wusste nur, dass mir eine heiße Kartoffel übergeben wurde. Ich mag es aber zu leiden. Ich kann Dinge, die zu einfach sind, nicht genießen. Deshalb habe ich Milan gewählt - und auch deshalb, weil der Klub meine Heimat ist."

Gattuso macht Calhanoglu & Co. besser

Die Spieler, die der frühere Coach der Nachwuchsmannschaft Primavera am Milanello Sport Center am 27. November vorgefunden hatte, brauchte derweil nach eigener Aussage nur einen kleinen Funken Hoffnung, um zurück in die Spur zu finden. Diesen hat ihnen Gattuso allem Anschein nach verliehen: Talente wie Patrick Cutrone (20) oder Davide Calabria (21) spüren genauso das Vertrauen wie unter Montella etwas aussortierte Profis wie Calhanoglu (24).

Gennaro Gattuso und Hakan Calhanoglu (rechts)

Vorsicht: Milan-Legende Gennaro Gattuso "attackiert" Hakan Calhanoglu. imago

Die frühere Bundesliga-Größe des HSV und Bayer, die unter der Woche beim Coppa-Rückspiel bei Lazio Rom über die vollen 120 Minuten durchspielte sowie im Thriller Richtung Finaleinzug zum 4:4 traf, genießt dabei die volle Rückendeckung seines neuen Mentors. So sagt Calhanoglu gegenüber "Calciomercato.com": "Gattuso hat mich verändert. Er spricht sehr viel mit mir und sagt mir immer wieder, dass ich ohne Druck in meinem Kopf spielen soll. Er ist mehr ein Mentaltrainer als ein Fußballtrainer." Der Türke legt im Gespräch mit "La Repubblica" sogar nach: "Das ist gerade die beste Phase meiner Karriere."

Auch vor harten Maßnahmen scheut sich Gattuso übrigens nicht: Stürmer André Silva (16 Ligaspiele, kein Tor), Kollege Nikola Kalinic (20/4) oder Abwehrmann Mateo Musacchio (elf Serie-A-Einsätze) müssen sich derzeit hinten anstellen - und sich beweisen.

Wegweisendes Derby vor der Tür

Doch 584 Minuten ohne Gegentor sowie 13 Pflichtspiele ohne Niederlage am Stück sind nichts wert, wenn Milan nun einbrechen sollte. Es ist schließlich noch nichts gewonnen: Pokalfinale erreicht, Achtelfinale in der Europa League gegen Arsenal, Platz sieben in der Liga mit sieben Punkten Rückstand Richtung Champions League - alles nur ordentliche Momentaufnahmen. Die nächste Aufgabe hat es derweil schon wieder mächtig in sich: Am Sonntagabend (20.45 Uhr, LIVE! bei kicker.de) erwartet Milan Erzrivale Inter in San Siro. Die Nerazzurri straucheln seit längerer Zeit - und gelten vor dem wegweisenden Derby della Madonnina als angeschlagener wie deswegen brandgefährlicher Boxer.

Ich bin kein Taktik-Guru.

Gennaro Gattuso

Genau davor und vor all den weiteren Aufgabe, die bis Mai kommen, warnt Gattuso vehement. "Ich weiß, dass ich den Spielern im Training oft auf den Geist gehe", erläutert "Rino" gegenüber "Rai Sport". "Doch die harte Arbeit zahlt sich aus - und soll sich weiter auszahlen. Das ist immer noch eine extrem junge Truppe, die daran arbeiten muss, zu der Mannschaft zu werden, die sich die Fans so sehr wünschen. Ich kann das auch nicht alleine schaffen, da muss mir die Mannschaft helfen. "Denn ich bin noch kein großartiger Trainer, das möchte ich klarstellen. Ich bin kein Taktik-Guru. Ich befinde mich noch immer am Anfang meiner Trainerkarriere - und ich habe noch gar nichts erreicht."

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mag

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