kicker

Erpressung mit Ansage: Die Hintergründe der Payet-Posse

Franzose will mit aller Macht weg

Erpressung mit Ansage: Die Hintergründe der Payet-Posse

Wird seinen Willen am Ende wohl bekommen: Dimitri Payet will unbedingt weg von West Ham United.

Wird seinen Willen am Ende wohl bekommen: Dimitri Payet will unbedingt weg von West Ham United. picture alliance

"Alles ist gut", sagte Dimitri Payet, "die Liebesaffäre geht weiter." Gerade hatte er seinen Vertrag bei West Ham United bis 2021 verlängert, im Februar 2016 war das. Der Franzose, der die Premier League mit seiner Technik und seinen Freistößen verzückte, sollte endgültig zum Fixpunkt der Hammers werden, erst recht nach der bärenstarken Heim-EM (drei Tore, zwei Vorlagen).

Doch als die neue Saison begann, stolperte West Ham mehr in sie hinein, und ebenso Payet. Ihm war offenbar die Lust vergangen, und zwar derart akut, dass er sich im Januar schließlich aufmachte, sich zu einem der aktuell unbeliebtesten Fußballer der Welt zu machen: Er teilte West Ham mit, dass er sich ab sofort und so lange weigere zu spielen, bis der Klub einem Wechsel zustimme. Er erpresste seinen Arbeitgeber also elf Monate, nachdem die "Liebesaffäre", garniert mit dem bestdotierten Kontrakt der Klubgeschichte, offiziell weitergegangen war.

Spielersteckbrief Payet
Payet

Payet Dimitri

Premier League - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
FC Chelsea FC Chelsea
52
2
Tottenham Hotspur Tottenham Hotspur
45
3
FC Liverpool FC Liverpool
45

Trainer Slaven Bilic reagierte schwer enttäuscht, kündigte an, Payet keinesfalls zu verkaufen - und erntete für diese Haltung Lob von allen Seiten. Zu Recht?

Bilic verhielt sich einst ganz ähnlich

"Die Mannschaft, das Trainerteam - wir haben alles für ihn gegeben, waren immer für ihn da", sprach Bilic traurig, als er Payets aggressives Wechselgesuch öffentlich machte. Er sei "wütend", fühle sich "im Stich gelassen". Vor 20 Jahren jedoch fühlte sich mal ein ganz anderer West-Ham-Trainer, Harry Redknapp nämlich, "verbittert und verärgert", weil sein bestbezahlter Schützling urplötzlich wechseln wollte (wenn auch nicht mithilfe eines Streiks). Und dieser Schützling war Bilic. "Ich musste das machen. Jeder Spieler weiß, dass er die Chance ergreifen muss, wenn er zu einem großen Klub wechseln kann", sagte Bilic damals - da hatte er seinen Transfer zu Everton schon durchgesetzt.

West Ham wird Payet wahrscheinlich sehr wohl verkaufen

Dass Bilics Ankündigung, Payets Wunsch in diesem Winter unter keinen Umständen zu erfüllen, tatsächlich eintritt, wird immer unwahrscheinlicher. Zwar liegen dessen Ex-Klub Marseille, Medienberichten zufolge der einzige ernsthafte Interessent, und West Ham in ihren finanziellen Vorstellungen noch ein gutes Stück auseinander, beide Seiten nähern sich jedoch an. 35 Millionen Euro wollen die Hammers für ihren Starspieler angeblich haben. Und auch wenn sie erklären, Payet aus finanziellen Gründen nicht gehen lassen zu müssen: Er wird seinen Willen am Ende wohl bekommen.

Payets Verhalten kommt nicht unerwartet

Schließlich hat Payet reichlich Übung. West Ham musste eine derartige Eskalation zwar nicht kommen sehen, sollte sie eine Überraschung für die Londoner gewesen sein, wäre aber genau das eine Überraschung: Sie hatten Payet im Sommer 2015 ja auf ähnliche Weise bekommen. Damals hatte Payets Berater Marseille unerwartet unter Druck gesetzt - nach Darstellung des Klubs keine vier Wochen nach einem positiven Gespräch, in dem die Partei Payet erklärt hatte, die verbleibenden zwei Jahre Vertragslaufzeit respektieren zu wollen.

Der Berater, Mark McKay, eröffnete Marseille, in Verhandlungen mit West Ham zu stehen, und forderte für einen Verbleib seines Mandaten eine sofortige, laut OM "riesige" Gehaltserhöhung. Der Klub lehnte das ab, entschied sich letztlich stattdessen, West Hams Angebot anzunehmen. Vielleicht auch, weil er wusste, wozu Payet fähig ist: In Saint-Étienne hatte er Anfang 2011 das Training verweigert, weil er unbedingt zu Paris St. Germain wollte. Sein Arbeitgeber sagte "Non", Payet, damals 23, blieb noch ein halbes Jahr - dann wechselte er nach Lille.

Payet will nicht aus finanziellen Gründen weg

Warum will Payet diesmal unbedingt wechseln? Auch wenn es bei einem Spieler mit dieser Vorgeschichte schwer fällt zu unterscheiden, was Wahrheit und was Taktik ist: Payet sagt, er möchte West Ham aus familiären Gründen verlassen, seine Familie sei nie in London angekommen, habe sich nie heimisch gefühlt, strebt zurück nach Marseille. Laut "Guardian" soll seine Frau bereits zurückgekehrt, seine Kinder in dortigen Schulen angemeldet sein. Hat ihn dies auch sportlich belastet in den letzten Monaten? Sicher ist: Ein Gehalt wie bei West Ham wird Payet in Marseille nicht ansatzweise bekommen.

Payet hat nie gedroht, sich selbst zu verletzen

Mit aller Macht will Payet seiner Familie nach Marseille folgen. Mit aller Macht? "Ich schwöre, dass ich nie wieder das Trikot von West Ham anziehe. Wenn ihr mich nicht verkauft, werde ich mir selbst einen Kreuzbandriss zuziehen" - dieses angebliche Zitat geistert diese Woche durch englische und deutsche Medien. Es schien das Bild des Unloyalen, der vor nichts zurückschreckt, zu vollenden, wurde aber in Wahrheit von einer französischen Satire-Zeitung erfunden. Dort ist diese hässliche Posse auch ganz gut aufgehoben.

jpe