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Missbrauchsskandal erschüttert englischen Fußball

FA kündigt umfassende Aufklärung an

Missbrauchsskandal erschüttert englischen Fußball

Der englische Fußballverband wird von einem Missbrauchsskandal erschüttert.

Der englische Fußballverband wird von einem Missbrauchsskandal erschüttert. imago

Es hätte eigentlich ein freudiges Ereignis werden sollen: Am Mittwoch beförderte der englische Fußball-Verband, die FA, Gareth Southgate offiziell zum Nationaltrainer. Doch das Vorstandstreffen der Verbandsfunktionäre wurde überschattet. Seit Tagen mehren sich die Missbrauchs-Vorwürfe ehemaliger Spieler im englischen Fußball. Von der "größten Krise" des Verbands sprach Greg Clarke, Vorsitzender der FA. Es gehe um "abscheuliche Verbrechen".

Seinen Anfang hatte der Skandal Ende November mit einem Bericht des britischen Senders BBC genommen. Darin erhob der ehemalige Profi Andy Woodward schwere Vorwürfe gegen einen Jugendtrainer, der ihn während seiner Zeit beim heutigen Viertligisten Club Crewe Alexandra ausgebildet hatte. Der Verein galt damals als Talentschmiede des englischen Fußballs. Der beschuldigte Coach und Scout habe sich jedoch mehrfach an Kindern und Jugendlichen vergangen, weswegen er auch 1998 zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Woodward, der im Alter zwischen elf und 15 Jahren zum Opfer wurde, hatte im Prozess gegen ihn ausgesagt, war jedoch anonym geblieben. "Ich war zu Tode verängstigt, er hatte damals totale Kontrolle über mich", sagte der heute 43-Jährige über seine damaligen Qualen dem "Guardian".

Woodward befürchtet Hunderte Opfer

Weil er glaubt, dass es noch zahlreiche weitere Opfer gibt, denen es ähnlich erging und die sich bislang nicht offenbart hätten, wählte er nun den Gang an die Öffentlichkeit. Tatsächlich meldeten sich in den ersten Tagen nach Woodwards Auftritt rund 20 weitere Ex-Profis, darunter auch die ehemaligen Nationalspieler Paul Stewart und David White. Die Zahl stieg in den vergangenen Tagen rasant an. Eine eigens eingerichtete Telefon-Hotline verzeichnete zuletzt über 800 Anrufe von Opfern und Hinweisgebern. Woodward befürchtet, dass es Hunderte Opfer geben könne. Es gibt inzwischen auch Hinweise auf weitere Trainer, die Nachwuchsspieler sexuell belästigt haben sollen. Jason Dunford, ehemaliger Spieler bei Manchester City, erklärte: "Ich glaube, dass es damals einen Pädophilen-Ring gab."

Und wenn die FA dabei schlecht aussieht, dann soll das so sein.

Greg Clarke, Vorsitzender der FA, über die Untersuchung

Inzwischen hat die britische Generalstaatsanwaltschaft erneut Anklage gegen Woodwards ehemaligen Jugendtrainer erhoben. Die FA kündigte an, die polizeilichen Ermittlungen zu unterstützen und auch eine eigene Untersuchung mithilfe eines unabhängigen Experten starten zu wollen. So soll geklärt werden, "welche Informationen der Verband während der relevanten Zeit hatte und welche Maßnahmen ergriffen werden", hieß es in einer Mitteilung. "Und wenn die FA dabei schlecht aussieht, dann soll das so sein", fügte Clarke an. Nicht auszuschließen sei nämlich, dass der Verband von dem Missbrauch wusste, sich aber vor die Täter gestellt habe. Gegenüber dem Sender "SkyNews" erklärte der FA-Vorsitzende: "Damals war es üblich, dass Organisationen sich schützten, indem sie still hielten und die Reihen schlossen." Clarke stellte außerdem Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe in Aussicht.

Manchester City kündigt Untersuchung an

Bestätigt wurde das von Woodward. Er habe seinen Klub Crewe Alexandra damals um Hilfe gebeten, die ihm jedoch verweigert wurde. "Das ist die Mentalität des Fußballs", sagte er. "dass nichts nach außen dringt." Auch deshalb hat der Premier-League-Klub Manchester City inzwischen eine interne Untersuchung angekündigt. Denn der von Woodward belastete Trainer, der auch für Stoke City gearbeitet haben soll, hatte in den 1980er Jahren Kontakt zu den Citizens. "Der Klub wird genau untersuchen, welche Zusammenhänge es gibt", kündigte City in einer Mitteilung an.

Schweigegeld? Schwere Vorwürfe gegen den FC Chelsea

Längst sind auch andere Klubs in den Fokus gerückt. Am Mittwoch berichteten die "Times" und der "Daily Telegraph", dass der FC Chelsea in den vergangenen Jahren einem ehemaligen Jugendspieler Schweigegeld bezahlt haben soll, der vom ehemaligen und inzwischen verstorbenen Chefscout Eddie Heath missbraucht worden sein soll und damit an die Öffentlichkeit gehen wollte. Der CFC kündigte nun ebenfalls eine interne Aufklärung an. FA-Geschäftsführer Martin Glenn betonte indes, keine Vertuschung dulden zu wollen. "Wenn es Beweise dafür gibt, werden wir durchgreifen. Die Größe des Klubs spielt dann keine Rolle."

pau/dpa/sid