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Leicesters herzliche Härte - und ein 65-Cent-Desaster

36. Spieltag: Meisterfeier im Old Trafford?

Leicesters herzliche Härte - und ein 65-Cent-Desaster

Wand-Verkleidung: Leicesters Defensivbollwerk Huth, Morgan und Schmeichel (v.l.) bei der "Fußballer des Jahres"-Gala.

Wand-Verkleidung: Leicesters Defensivbollwerk Huth, Morgan und Schmeichel (v.l.) bei der "Fußballer des Jahres"-Gala. picture alliance

Drei Punkte bei Manchester United am Sonntag (15.05 Uhr, LIVE! bei kicker.de), und Leicester City hat die zwölfmonatige Metamorphose vom Last-Minute-Klassenerhalt zur souveränen Meisterschaft vollendet. Es wäre eine Sensation, wie sie die Premier League noch nicht gesehen hat. Wo fängt man da an? Am besten ganz hinten.

Denn da steht Kasper Schmeichel (29), Sohn von ManUnited-Legende Peter Schmeichel, und könnte nun in jenem Tor erstmals Meister werden, in dem das sein Vater einst regelmäßig schaffte. Sechs seiner letzten sieben Spiele hat Schmeichel junior ohne Gegentor beendet, auch er ist Teil einer Elf, die Riyad Mahrez schlicht als "Kämpfer" bezeichnet.

Du knallst ihnen den Ball direkt ins Gesicht und sie zucken nicht mal.

Riyad Mahrez über seine Teamkollegen

"Und wenn ich Kämpfer sage, meine ich Kämpfer, wie ich sie noch nie in meinem Leben gesehen habe", sagte "Englands Spieler des Jahres" in einem Interview in Frankreich. "Diese Typen haben Hunger wie verrückt. Du knallst ihnen den Ball direkt ins Gesicht und sie zucken nicht mal." Es ist wohl kein Zufall, dass man da gleich an Robert Huth denken muss.

Kombiniert ist diese Härte mit einem klaren taktischen Gerüst und viel Herz. Alle arbeiten leidenschaftlich für die Mannschaft, Eitelkeiten der Stars oder Bankdrücker sind nicht überliefert. "Das ist eine gute Geschichte", findet Trainer Claudio Ranieri mit Blick auf diese sagenhafte Saison: "Ein kleines Team mit einem großen Herzen kann zum Riesen werden - das ist toll."

Und es ist verdient: Leicester hat 2016 erst einmal verloren (1:2 bei Arsenal), ist die beste Heim- und die beste Auswärtsmannschaft, zeigte der reicheren Konkurrenz, was Konstanz bedeutet. Als letzten Sonntag Torjäger Jamie Vardy gesperrt fehlte, feierte Leicester seinen höchsten Saisonsieg , Ersatzmann Leonardo Ulloa traf doppelt.

Jemand wettete im August auf Meister Leicester - und macht Verlust

Vardy wird wegen einer zusätzlichen Bestrafung auch im Old Trafford noch einmal fehlen, müsste an der möglichen Meisterfeier also in Zivil teilnehmen. Es gibt wohl Schlimmeres, zum Beispiel wenn man vor der Saison in einem Anflug von Wahnsinn umgerechnet 65 Cent auf Leicester als Meister setzt, nach dem ersten Spieltag aber die Möglichkeit nutzt, die Wette für 58 Cent zu stornieren. Einem Wettenden ist das tatsächlich passiert. Die Quote betrug 5000:1.

Außerdem grub der englische Boulevard die Geschichte eines Fans aus, der nach gewonnener Wette seine Tochter mit zweitem Vornamen "Vardy" nennen darf, und einem, der nach Mahrez' Verpflichtung 2014 unter Leicesters Twitter-Mitteilung wütend "Wer zum Teufel ist das?" geschrieben hatte. Inzwischen dürfte er es wissen.

Spurs machen weiter Kampfansagen - Chelsea will sie zum Schweigen bringen

Dass Leicester schon drei Spieltage vor Schluss erstmals in seiner 132-jährigen Klubgeschichte Meister werden kann, hat mit Tottenham zu tun: Die zweitplatzierten Spurs stolperten am Montag über West Bromwich (Ranieri: "Ich war etwas erleichtert, etwas"), ließen den Tabellenführer danach aber spüren, dass er eben doch der Underdog in dieser Sache ist - sie schrieben den Titel bei sieben Punkten Rückstand nämlich noch nicht ab. Die Kampfansagen waren natürlich schlicht professionell, und trotzdem: Wäre ManUnited, ManCity, Chelsea, ja selbst Arsenal Erster, sie hätten sich das wohl nicht getraut.

Tottenham, das in den abschließenden drei Spielen wohl ohne den nachträglich für eine Tätlichkeit belangten Shootingstar Dele Alli auskommen muss, spielt am Montagabend (21 Uhr) bei Chelsea. Sollte Leicester den Sieg am Sonntag verpassen - für ManUnited steht schließlich die Champions-League-Qualifikation auf dem Spiel -, könnte die Party also schon tags darauf ohne eigenes Zutun steigen. Und das ist gar nicht so unwahrscheinlich: Die Chelsea-Fans jedenfalls würden ihrem Stadtrivalen Tottenham gerne die letzte Hoffnung rauben.

jpe

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