WM

Weltmeisterschaft in Russland, Kroatien verliert das Finale gegen Frankreich: Wenn sich der Himmel irrt

Kroatien kann den Siegszug im Finale nicht krönen

Wenn sich der Himmel irrt

Zweiter im Moskauer Regen: Kroatiens Fußballer bei der Ehrung der Finalisten.

Zweiter im Moskauer Regen: Kroatiens Fußballer bei der Ehrung der Finalisten. imago

Aus Moskau berichtet Jörg Wolfrum

Nachdem der Traum zerplatzt war , stützte sich Kapitän Luka Modric auf die Knie, noch kleiner als sonst wirkte dieser große Kapitän des nun Vize-Weltmeisters. Einen Augenblick lang nur. Dejan Lovren und Domagoj Vida fielen auf den Rasen des Luschniki-Stadions. Doch auch die beiden Haudegen in der Abwehr Kroatiens hielt es dort nicht lange. Symbolisch richteten sich die beiden Abwehrrecken und ihr Mannschaftsführer schnell wieder auf – alles andere hätte zu dem von Kroatien bei dieser Weltmeisterschaft Gezeigten auch nicht gepasst.

Dann wies Regisseur Modric seinem Team den Weg: in die Kurve zu der rot-weißen Wand, dort wo Kroatiens Fans ihre Mannschaft hochleben ließen. Torhüter Danijel Subasic hatte Tränen in den Augen und nicht nur er, selbst beim knallharten Verteidiger Lovren schimmerte es. Warum auch nicht? Sie waren, trotz des letztlich klaren Ergebnisses lange Zeit durchaus nahe dran gewesen am größten Coup der Fußball-Geschichte seit Deutschlands Wunder von Bern 1954 oder Uruguays Maracanazo gegen Brasilien 1950, dem Paukenschlag im Maracana-Stadion.

Selbst nach dem 1:4 hatte dieses nimmermüde kroatische Kollektiv ja nicht aufgegeben - wie während dieser gesamten K.-o.-Phase, als man in jedem Spiel Rückstände umbog, sei es in der Verlängerung (gegen England im Halbfinale) oder auch erst im Elfmeterschießen (zuvor gegen Dänemark und Russland) gewesen.

Auch im Finale war man durch den Oberkämpfer Mario Mandzukic, der ein unglückliches Eigentor zum 0:1 fabriziert hatte, nochmal rangekommen zum 2:4. Da war es freilich zu spät, obwohl erst die 69. Minute angebrochen war. Der Doppelschlag gut zehn Minuten zuvor durch Paul Pogba und Kylian Mbappé zum 3:1 und 4:1 hatte die Entscheidung gebracht.

Der Zusammenhalt war das große Plus

Dabei hätte der Frankfurter Ante Rebic ganz zu Beginn der 2. Halbzeit fast den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielt, war aber am toll reagierenden Hugo Lloris gescheitert. Also blieb Nationaltrainer Zlatko Dalic nach dem Schlusspfiff nur, seine Vize-Weltmeister in den Kreis zu versammeln, ganz in der Nähe der Fans: das Psychologische, der Zusammenhalt, das sei ja das große Plus gewesen in dieser Mannschaft neben all den fachlichen Qualitäten wie Power, Fitness, Schnelligkeit. Das hatten die Spieler in diesen Tagen unisono erklärt.

Ausgelöst das alles: durch die Amtsübernahme von Dalic im Oktober, als die WM-Qualifikation fast schon verspielt schien. Ergo: Ohne den 51-Jährigen auch kein Husarenritt bis ins Finale, ja wahrscheinlich noch nicht mal ein Ticket zur WM-Teilnahme hätte es gegeben.

25 Minuten bis zur Siegerehrung

Kein Wunder also, dass um 20.02 Uhr Ortszeit noch einmal so richtig Beifall aufbrandete. Denn da ging eben dieser Dalic auf die Fans zu – einen Augenblick nur, so lange, wie zuvor Modric, Vida und Lovren auf dem Boden gesessen hatten. Auch das war symbolisch: Alles war am Ende dann doch so schnell vorbei. Träume zerplatzen in Sekunden. Dann war Warten angesagt bis zur Siegerehrung. Geschlagene 25 Minuten. Muss man das Spielern, zumal zweiten Gewinnern wie den Kroaten dies so lange antun, FIFA?

Als dann Modric zunächst die Auszeichnung zum Besten Spieler der WM bekam, bevor es die Silbermedaillen für alle Spieler gab, da fing es an zu Schütten. Wie aus Eimern. Als weinte der Himmel über Moskau angesichts dieses gestoppten Wunders. Als solches hatte Trainer Dalic zuvor schon den Finaleinzug bezeichnet. Und auch Verbandspräsident Davor Suker, 1998 Schlüsselspieler beim 3. Platz in Frankreich, dem bisherigen Highlight der Kroaten bei einer WM.

Etwas mehr Einwohner als Berlin

Dabei hätte die Sonne durchaus scheinen dürfen - auch symbolisch. Auch aus kroatischer Sicht. Denn das kleine Land mit seinen nur gut vier Millionen Einwohnern, eine halbe Million nur mehr als die Bundeshauptstadt Berlin des entthronten Champions Deutschland, dieses kleine große Land also mit dem großen Spielerreservoir hat jetzt neue Legenden.

Allen voran Modric. Aber auch Ivan Rakitic, Ante Rebic, Lovren, Vida oder die im Finale glücklosen Subasic, der nicht immer gut aussah bei den Toren, Mandzukic und Ivan Perisic, der den Handelfmeter zum 1:2 verursacht hatte. Viele dieser Profis kennt man aus der Bundesliga, nun kennt sie die ganze Welt. Als Vize-Weltmeister. "Wir haben Geschichte geschrieben", hatte Verteidiger Lovren schon vor dem Finale gesagt. Stimmt. Auch als Zweiter. Die Sonne hätte durchaus scheinen dürfen.

Bilder zur Partie Frankreich - Kroatien