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"Reißen die Rivalen in Stücke" - Russland im WM-Fieber

Nach dem besten Start eines WM-Gastgebers

"Reißen die Rivalen in Stücke" - Russland im WM-Fieber

In Jubellaune: Russische Fans feiern den Sieg über Ägypten.

In Jubellaune: Russische Fans feiern den Sieg über Ägypten. picture alliance

Die im Vorfeld geäußerten Bedenken, dass in Russland keine WM-Stimmung aufkommen könnte, sind spätestens seit dem 3:1 Russlands gegen Ägypten passé. Jubelnde Fans landauf, landab, Autokorsos und weiß-blau-rote Fahnen allerorten: Russland ist im WM-Rausch. "Wir geben den Russen den Glauben an den Fußball zurück. Dabei herrschte im Land bis vor Kurzem noch Fußball-Atheismus", schrieb die Zeitung 'Sport-Express' staunend nach dem 3:1 (0:0) gegen Ägypten und jubelte pathetisch: "Wir reißen die Rivalen in Stücke, schießen unwahrscheinlich viele Tore, fliegen über das Spielfeld, begeistern die ganze Welt."

Dabei war der der russischen Mannschaft im Vorfeld eine solche Leistungsexplosion nicht unbedingt zugetraut worden. Auf Weltranglistenplatz 70 abgerutscht, kein Sieg in den Testspielen vor der WM. Drei Niederlagen gegen Brasilien (0:3), Frankreich (1:3) und Österreich (0:1), dazu ein mageres 1:1 gegen die Türkei – Anlass zur Hoffnung gab es wahrlich nur wenig. Und nun legte Russland den besten Start eines Gastgebers in der WM-Geschichte hin. "Ein historischer Sieg...", begann der Stadionsprecher in St. Petersburg nach dem Sieg über Ägypten, der Rest ging im tosenden Jubel unter. Und die lange unterschätzte Mannschaft hat Blut geleckt, will nun im eigenen Land mehr.

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6
3
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3

Wir reißen die Rivalen in Stücke, schießen unwahrscheinlich viele Tore, fliegen über das Spielfeld, begeistern die ganze Welt.

'Sport-Express'

Der nächste Schritt soll der Gruppensieg sein. Am kommenden Montag trifft Russland in Samara auf das noch ebenfalls ungeschlagene Uruguay. "Auch gegen Uruguay interessiert nur der Sieg", tönte Denis Cheryshev euphorisch. Drei Tore hat der bei Real Madrid ausgebildete Stürmer nun schon erzielt, nur Portugals Superstar Cristiano Ronaldo traf noch einmal mehr. Allerdings ist die Celeste der wohl schwerste Gruppengegner und ein erster echter Prüfstein für die Elf von Nationalcoach Stansislav Cherchesov. Der ehemalige Keeper von Dynamo Dresden (1993-95) wurde nach den ernüchternden Ergebnissen in den Testspielen von den Medien noch harsch kritisiert, ein "WM-Gau" wurde gar befürchtet. Vorbei, vergessen. "Stanislav Ccherchesov gebühren große Ehre und Respekt, dass er dieses Team geformt hat", sagte Sergej Anochin, Vizepräsident des russischen Fußballverbandes, am Mittwoch der Agentur Tass. "Alle Kritik hat sich in Lob verwandelt."

Selbst Nebengeräusche durch die wiederaufflammende Dopingdiskussion brachte das Team nicht vom Weg ab. Eine Urinprobe von Nationalspieler Ruslan Kambolov, der nicht im WM-Kader steht, soll 2015 ausgetauscht worden sein, behauptet der in die USA geflüchtete Ex-Leiter des Moskauer Doping-Kontrolllabors, Grigori Rodschenkow. Eine Journalistenfrage dazu ließ Cherchesov nach dem Spiel kühl abtropfen. Er gebe nur Antworten zur Partie gegen Ägypten, sagte der 54-Jährige schmallippig.

Erstmals überhaupt steht Russland seit dem Zerfall der Sowjetunion in einem WM-Achtelfinale. Und das Selbstvertrauen ist durch die zwei souveränen Siege gewachsen. "Wir wollen das Land weiter frohlocken lassen", kündigte Cheryshev an. Wie weit es noch gehen soll, verriet der 27-Jährige nicht. Letztmals hat vor 20 Jahren ein WM-Gastgeber den Titel geholt - Frankreich siegte 1998 im eigenen Land.

jer