kicker

Barça am Boden: Eine historische Schmach

Barcelonas 1:2-Pleite im Pokalfinale hat vielfältige Gründe

Barça am Boden: Eine historische Schmach

Geschlagen und ratlos: Die Spieler Barcelonas nach der Schmach in Copa del Rey gegen Real Madrid.

Geschlagen und ratlos: Die Spieler Barcelonas nach der Schmach in Copa del Rey gegen Real Madrid. Getty Images

Er wurde mit dem jamaikanischen Sprintkönig Usain Bolt verglichen und schon "Gareth Bolt" getauft. Nach seinem famosen Lauf samt folgendem Tor in der 85. Minute geriet Madrids sündteurer Neuzugang Gareth Bale in den Mittelpunkt der Berichterstattung. "Das war ein Rennen für das ganze Leben, ein imposanter Lauf des Prinzen von Wales", frohlockte die "Marca" und sprach vom "Ende der triumphalen Katalanen". In der Tat war die unglückliche, aber nicht vollends unverdiente 1:2-Niederlage gegen den Erzfeind aus der Hauptstadt die schlimmste Niederlage in einer Woche voller Pleiten für den ruhmreichen FC Barcelona.

Das Ende einer Ära

Eine zahnlose 0:1-Niederlage bei Atletico Madrid samt Ausscheiden im Viertelfinale der Champions League; eine nicht minder peinliche 0:1-Liga-Pleite bei Underdog Granada am Wochenende, die im Grunde jegliche Meisterschaftshoffnungen zunichte machte; und nun die Finalschmach gegen Real Madrid - die Woche der Wahrheit geriet für die Katalanen zu entlarvenden sieben Tagen. "Barça komplettiert das Desaster" titelte "La Vanguardia". Nie zuvor in der 115-jährigen Vereinsgeschichte hat Barcelona drei Niederlagen in drei verschiedenen Wettbewerben hintereinander hinnehmen müssen. Eine wahrlich historische Schmach.

Trainersteckbrief Martino
Martino

Martino Gerardo

FC Barcelona - Vereinsdaten
FC Barcelona

Gründungsdatum

29.11.1899

Vereinsfarben

Blau-Rot

mehr Infos

"Das war eine harte Woche - in jeder Hinsicht", gab Trainer Gerardo Martino schmallippig auf der Pressekonferenz zu. Für den noch amtierenden Meister bedeutet die Niederlage im Pokalfinale das Ende einer glorreichen Ära. "Drei verlorene Spiele in einer Woche sind ein eindeutiges Indiz für den unaufhaltsamen Niedergang des Barça-Teams", meinte die Tageszeitung "El País". Die "El Mundo Deportivo" schlug in die gleiche Kerbe: "Der Zyklus ist beendet". Schon lange werden der Vereinsführung Versäumnisse vorgehalten, die von Pep Guardiola zur besten Mannschaft der Welt aufgebaute Erfolgself der letzten Jahre nicht rechtzeitig erneuert zu haben.

Mehr zum Thema

Spiegelbild der Saison

Auch Real zeigte Barça - wie zuvor schon Atletico und manches Team in "La Liga" - die Grenzen auf. Dabei reichte den Königlichen ein durchschnittliches Spiel, um Barcelona in die tiefste Krise seit Jahren zu stürzen. Die Katalanen waren im Finale zwar zumeist feldüberlegen, spielten sich aber kaum Torchancen heraus. Viel Ballbesitz, jedoch keine Kreativität und kein Esprit. Vorne harmlos und hinten anfällig - Barça offenbarte bei der letzten Möglichkeit auf Silberware ein Spiegelbild der Saison.

Der zusammengeflickten Abwehr der Katalanen wurde bei den Kontern ihre Schwächen schonungslos aufgezeigt. Daniel Alves interpretierte seine Rolle als Rechtsverteidiger wie so oft äußerst sorglos - was zu zwei Ballverlusten tief in der gegnerischen Hälfte und den beiden Gegentoren führte. Besonders Bale und Angel di Maria stießen mit Freude in die Lücken hinter Sergio Busquets, der aufgrund seiner nicht vorhandenen Schnelligkeit kaum in der Lage ist, als Wellenbrecher zu fungieren. Der zum Innenverteidiger umgepolte Javier Mascherano und Youngster Marc Bartra waren so oftmals nicht auf der Höhe. Dass Bartra den Sprint gegen Bale verlor, lag aber auch an seiner Verletzung, wie er selbst zugab.

Kein Plan B - aber auch kein Plan A mehr

Gerardo Martino (M.) steht bei Barça stark in der Kritik - und vor dem Aus.

Gerardo Martino (M.) steht bei Barça stark in der Kritik - und vor dem Aus. Getty Images

Dabei war der Trainer Martino vor der Saison mit der Vorgabe angetreten, das Spiel Barças um ein, zwei Facetten zu erweitern und auf ein neues Level zu hieven. Dies mündete jüngst in ideenlosem Spiel und führte sogar dazu, dass Barcelona untypisch immer wieder Flanken in den gegnerischen Strafraum schlug - ohne dafür freilich einen Abnehmer in vorderster Front zu haben. Früher hieß es über die Blaugrana abschätzig, sie hätten keinen "Plan B", wenn ihr Tiki-Taka nicht zum Erfolg führte und sie in Schönheit starben. Mittlerweile hat Barcelona sogar den vielbewunderten "Plan A" verlernt. Bezeichnend, dass Bartra das einzige Tor der Katalanen erzielte, nach einer Ecke wohlgemerkt. Gerade dafür sind die filigranen Zauberer Xavi, Iniesta und Co. nicht bekannt. Allerdings haben sie den Glauben an ihr so erfolgreiches und betörendes Spiel längst verloren.

Am besten ist das an Superstar Messi auszumachen, der in den jüngsten drei Spielen komplett abtauchte und wie ein Schatten früherer Tage wirkte. Martinos Verzweiflung, wie er denn zum Erfolg kommen könnte, ging sogar so weit, dass er Messi gegen Atletico in der Champions League auf den rechten Flügel stellte; und ihn da seiner Stärken beraubte und ihn noch mehr aus dem Spiel nahm - ein folgenschwerer Fehler. Martino gelang es weder auf taktischer noch auf psychologischer Ebene, im siegverwöhnten Team wieder jenen Hunger zu wecken, der für eine Fortsetzung des Siegens unabdingbar ist. Seine Zeit scheint spätestens seit der Pokalschmach abgelaufen, über einen neuen Trainer wird in der katalanischen Metropole längst getuschelt. Der Argentinier selbst äußerte sich derweil doppeldeutig: "Meine Zukunft hängt nicht von diesem Resultat ab. Ob wir gewinnen oder verlieren, ich glaube nicht, dass sich meine Zukunft ändert." Schon in der Winterpause wurde gemutmaßt, Martino würde zum Saisonende freiwillig aufhören.

Zubizarretas Versäumnisse

Ungewohnt untätig: Lionel Messi nahm zuletzt kaum am Spiel Barcelonas teil.

Ungewohnt untätig: Lionel Messi nahm zuletzt kaum am Spiel Barcelonas teil. Getty Images

Im Mittelpunkt der Kritik steht indes auch Sportdirektor Andoni Zubizarreta, dem fehlende Weitsicht und ein Gespür für die Bedürfnisse des Kaders zulasten gelegt werden. Kapitän und Urgestein Carles Puyol ist schon seit rund zwei Jahren malade, ein vernünftiger Innenverteidiger wurde in der Zeit aber nicht verpflichtet. Dafür kam Mittelfeldabräumer Song, der aber weder benötigt noch eingesetzt wird. Nun bekam Barcelona die Quittung dafür. Die Abwehr genügte schon lange nicht mehr den höchsten Ansprüchen, wenn aber auch das Angriffsspiel lahmt, ist der GAU perfekt. Vor einigen Tagen soll Zubizarreta sogar mit Rücktritt gedroht haben.

Ob der Sportdirektor den viel benötigten Umbruch angehen kann und darf, ist aber ohnehin fragwürdig: Schließlich hat die FIFA den amtierenden Meister mit einem Transferverbot belegt, gegen das der Klub aber vorgehen will - zur Not beim internationalen Sportgerichtshof CAS. In Barcelona ist derzeit einiges ungewiss, der Verein muss sich für die Zukunft neu aufbauen. Fraglich ist aber, ob er das in diesem Sommer überhaupt darf.