Bundesliga

Kevin-Prince Boateng von Eintracht Frankfurt gibt bemerkenswertes Interview über Rassisms: "Wie kann ein Schwarzer in so einem Auto sitzen?"

Frankfurt: Boateng spricht in Interview über Rassismus

"Wie kann ein Schwarzer in so einem Auto sitzen?"

"Wie fühlt man sich da wohl?": Kevin-Prince Boateng wird im Alltag bis heute mit Rassismus konfrontiert.

"Wie fühlt man sich da wohl?": Kevin-Prince Boateng wird im Alltag bis heute mit Rassismus konfrontiert. imago

Der 30-Jährige ist als Sohn eines ghanaischen Vaters und einer deutschen Mutter in Berlin geboren und aufgewachsen. Aufgrund seiner dunklen Hautfarbe wurde er schon in seiner Kindheit vielfach rassistisch beleidigt. Lange Zeit fühlte er sich den Attacken ohnmächtig ausgeliefert und fraß all den Frust in sich hinein. Seit einigen Jahren wehrt er sich - und erfährt viel positive Resonanz.

Der Tag, der das Fass zum Überlaufen brachte, lässt sich exakt datieren. Am 3. Januar 2013 trat Boateng mit dem AC Mailand beim Viertligisten Aurora Pro Patria zu einem Testspiel an. Nach 26 Minuten verließ der Mittelfeldspieler wegen rassistischer Beleidigungen durch die Zuschauer das Feld , seine Mitspieler folgten ihm, die Partie wurde abgebrochen. Wenige Monate später hielt er vor den Vereinten Nationen in Genf eine vielbeachtete Rede gegen Rassismus .

Du darfst niemals weggucken und runterschlucken. Das tut noch zehnmal mehr weh.

Kevin-Prince Boateng

"Du darfst niemals weggucken und runterschlucken. Das tut noch zehnmal mehr weh. Seit ich denken kann, habe ich bis zu dem Tag, als ich vom Platz gegangen bin, alles in mich hineingefressen. Das ist die Hölle. Denn bis dahin weißt du nicht, wer du bist. Du lässt andere Menschen bestimmen, wie du dich fühlst", erzählt Boateng im Gespräch mit jetzt.de.

Rassistische Schmähungen erlebt Boateng bis heute

Schon in seiner Kindheit wurde er auf dem Fußballplatz Opfer von rassistischen Schmähungen. "Als das die ersten Male passiert ist, war das für mich sehr emotional. Ich hatte nie das Glück, dass mein Papa bei Spielen dabei war, dass ich also eine ältere Person gehabt hätte, die mir hilft. Das haben dann manchmal die Eltern meiner Mitspieler versucht. Wenn ein Kind dich beleidigt, kannst du dir denken: Okay, das sagt der, weil er es irgendwo gehört hat. Aber wenn erwachsene Menschen das machen, tut das weh. Denn du weißt ganz genau, dass sie in diesem Moment einen sieben- oder achtjährigen Jungen aufs Tiefste verletzen wollen", erinnert sich Boateng. Er habe viel geweint damals. In Erinnerung geblieben ist ihm beispielsweise der Vorfall bei einem Hallenturnier, als ihm ein Zuschauer zurief: "Für jedes Tor kriegst du eine Banane." In diesem Moment habe er sich nicht mehr deutsch gefühlt.

Im Alltag wird er bis heute mit Rassismus konfrontiert, auch wenn er zum Teil eher unterschwellig zum Ausdruck kommt. "Ich werde nicht angefeindet, aber die Leute wechseln zum Beispiel die Straßenseite. Es kann auch passieren, dass ich mit dem Auto an der Ampel stehe und aus dem Wagen nebenan schaut mich ein Pärchen an und schüttelt den Kopf. Da weiß ich, was die denken: Wie kann ein Schwarzer in so einem Auto sitzen? Das ist doch bestimmt ein Drogendealer. Ich war mal im Supermarkt und stand neben einer Frau, die nicht an den Reis oben im Regal gekommen ist. Also habe ich ihr eine Packung runter gehoben und sie ihr gegeben. Sie hat sie genommen, zurück ins Regal gestellt und einen Angestellten geholt, der ihr eine neue Packung geben sollte. Wie fühlt man sich da wohl?"

Konsequenteres Handeln von Verbänden und Vereinen nötig

Die Fußballverbände und Vereine fordert er dazu auf, konsequenter gegen Rassismus vorzugehen und dazu auch technisch aufzurüsten. "Man hängt in jede Ecke vom Stadion eine Kamera mit Mikrofon. Damit kannst du jeden kontrollieren", meint Boateng und führt aus: "Auf dem Fußballplatz kann man ja auch alles kontrollieren. Was ich sage, wem ich es sage, ob ich den Ellbogen mit Absicht ausgefahren habe oder im Abseits stand. Ich bin weder Tontechniker noch Kameraspezialist, aber ich bin mir sicher, dass das auf den Tribünen möglich wäre. Es kostet halt Geld. Aber es hätte etwas Positives für die Sicherheit eines jeden Stadions. Wir haben doch auch die Gefahr durch Terrorismus, wir wollen keine Pyrotechnik mehr im Stadion: Mit einer Kamera könnte man das überwachen."

Die bisherigen Aktionen gegen Rassismus seien nicht genug. "Es reicht nicht, vor Champions-League-Spielen ein 'No to racism'-Video zu zeigen. Der fünfjährige Eintracht-Frankfurt-Fan sieht dieses Video vielleicht gar nicht. Es reicht auch nicht, ab und an ein T-Shirt anzuziehen, auf dem 'Kein Rassismus' steht, oder 'Wir zeigen Rassismus die Rote Karte'. Das ist alles schön und gut, das sollte man auch beibehalten - aber man muss mehr machen. Mehr Publicity, mehr Videos. Man muss die Spiele als Events begreifen und dort Zeichen setzen. Jeder Verein sollte auch im Marketing etwas unternehmen", bekräftigt Boateng: "Da würde doch jeder Bundesliga-Profi mithelfen, jeder Spieler der Welt."

Julian Franzke