Europa League

German Burgos - der fluchende Affe mit Google Glasses

Atletico Madrids Co-Trainer im Porträt

Burgos - der fluchende Affe mit Google Glasses

Wehe, wenn er losgelassen: Mit Atleticos Co-Trainer German Burgos ist bisweilen nicht gut Kirschen essen.

Wehe, wenn er losgelassen: Mit Atleticos Co-Trainer German Burgos ist bisweilen nicht gut Kirschen essen. imago

Wenn man Burgos mit einem Wort beschreiben müsste, fiele einem eins recht schnell ein: wild. Wild war seine Haarpracht während seiner aktiven Zeit, in der seine schwarze Mähne meist unter einer Baseball-Mütze hervorquoll. Und wild war seine Spielweise.

Nicht umsonst bekam er den Spitznamen "El Mono", der Affe, verpasst. Waghalsige Ausflüge aus dem Strafraum gehörten genauso zu seinem Repertoire wie spektakuläre Flugeinlagen. Knallharte Schüsse wehrte er aber auch gerne mal aufreizend gelangweilt im Stehen ab oder stoppte einen hohen Ball auf der Torlinie im Rückwärtslaufen mit der Brust. Unvergessen auch seine Elfmeter-Parade gegen Luis Figo im Januar 2003. Der damalige Atletico-Keeper parierte gegen den Real-Star - mit der Nase.

Burgos, der Knallharte

Die ist bei dem 1,88 Meter großen und gut 100 Kilo schweren Burgos genauso wuchtig wie fast jedes andere Körperteil. In einem Länderspiel mit Argentinien gegen Uruguay krachte er mal so heftig mit einem Gegenspieler im Luftkampf zusammen, dass man Schlimmes befürchten musste. Burgos stand auf, schimpfte auf den Stürmer ein und knallte den Freistoß mit finsterer Miene nach vorne. Ein Typ, der einstecken und austeilen konnte: 1999 ging er im Trikot von Mallorca den Espanyol-Akteur Manuel Serrano derart hart an, dass er eine Sperre von elf Spielen aufgebrummt bekam. Eine der längsten Sperren überhaupt, die je im spanischen Fußball ausgesprochen wurden. 2003 erhielt er die Diagnose Nierenkrebs, die Ärzte rieten dem zweimaligen WM-Teilnehmer mit Argentinien (1998 und 2002) zu einer sofortigen Operation. Burgos entgegnete: "Ich habe am Wochenende ein Spiel. Wir machen es am Montag."

Burgos, der Rockstar

Wie so viele seiner Kämpfe gewann Burgos auch den gegen den Krebs, 2004 hängte er die Schuhe an den Nagel. Doch bei Burgos kam keine Langeweile auf. Schon während seiner aktiven Karriere schuf er sich ein zweites Standbein - in einer Rockband. Mit schwarz lackierten Fingernägeln und Piratentuch schmetterte er die Songs von "Simpatia" (später "The Garb") als Frontmann von der Bühne. Wild eben, dieser Burgos.

Seine Mähne lässt er sich regelmäßig wachsen. Das Tier in Burgos, es kommt immer wieder zum Vorschein. Simeone, ehemaliger Mitspieler von Burgos und selbst kein Kind von Traurigkeit, lotste seinen Landsmann zurück ins Fußballgeschäft, das Duo ist inzwischen geradezu gefürchtet. Beispiele gefällig? Es gibt sie zur Genüge.

Burgos, der Pöbler

Dezember 2012, Derby in Madrid: Burgos gerät mit dem damaligen Madrid-Trainer José Mourinho aneinander. Der hatte ein Jahr zuvor Barcelonas Tito Vilanova recht feige von hinten mit dem Finger ans Auge gelangt und sich dann schnell verzogen. Vilanova reagierte gefasst - Burgos scheint allein der Gedanke auf die Palme zu bringen. Er stellt sich in die Nähe der Real-Bank, zeigt auf sein Auge und sagt zu Mourinho: "Ich bin nicht Tito. Ich reiß' Dir den Kopf ab."

März 2014, schon wieder Derby in Madrid: Diego Costa wird im Strafraum zu Fall gebracht, bekommt aber (zu Recht) Gelb wegen einer Schwalbe. Burgos flippt völlig aus. Acht Mann müssen ihn zurückhalten, damit Schiedsrichter Carlos Delgado Ferreiro heil aus der Sache rauskommt - selbst Reals Pepe hilft mit! Der Co-Trainer reißt sich immer wieder los, brüllt, schubst und wütet, als würde er bei einem seiner eigenen Rockkonzerte in der ersten Reihe stehen. Atletico-Verteidiger Diego Godin bringt den Unparteiischen letztlich in Sicherheit. Burgos landet auf der Tribüne. Er wird für drei Spiele gesperrt.

März 2015, Champions League, Gegner ist Bayer Leverkusen:. Diesmal bekommt Roger Schmidt das Temperament Burgos' zu spüren. Und sein loses Mundwerk: Der damalige Bayer-Coach wird als "Stricher", "Ober-Arschloch" und "Hurensohn" bezeichnet. Simeone gesellt sich kurz darauf zu den Streithähnen. Aber nicht zum Schlichten: Aus dem "Mono"-Sound wird Stereo, beide Atletico-Trainer beschimpfen jetzt Schmidt. "Der Co-Trainer ist ja der Wahnsinn", sagt der entsetzte Schmidt hinterher, "er hat die ganze Zeit provoziert und wird immer wie ein Türsteher vorgeschickt." Und: "Man kennt das ja von Atletico."

In der Tat ist das Duo Simeone/Burgos inzwischen berühmt-berüchtigt. Kein Blatt Papier passt zwischen die beiden, wie Simeone jüngst erst bestätigte. Sie sind sogar einer Meinung, wenn der eine die des anderen gar nicht kennt. "German ist mein guter Freund. Ich habe gesehen, wie er mit dem anderen Trainer stritt", erklärte Simeone zu der Szene mit Schmidt. "Da bin ich hin, um ihn zu verteidigen, ohne zu wissen, was passiert war."

Burgos, der Stratege

Immer für eine Provokation zu haben: German Burgos als Spieler, hier mit Luis Figo.

Immer für eine Provokation zu haben: German Burgos als Spieler, hier mit Luis Figo. imago images

Wer Burgos aber für einen reinen Krawallmacher hält, liegt daneben. Der Co-Trainer macht sich während des Spiels gewissenhaft Notizen, gibt Anweisungen, spricht viel mit Simeone. Im April 2014 saß Burgos gegen Getafe mit einer Google Glass-Brille auf der Bank - Live-Statistiken flimmerten auf sein Auge, während er gleichzeitig das Geschehen auf dem Platz beobachtete. "Die Brille ist großartig", sagte Burgos hinterher. "Sie wird die Zukunft sein." Die Spieler verlieren kein schlechtes Wort über Burgos. "Sie ergänzen sich sehr gut", sagt der langjährige Atletico-Akteur Gabi über die Trainer-Symbiose Simeone/Burgos. "Sie sind beide sehr starke Charaktere, aber sie teilen ihr Wissen und ihre strategischen Gedanken. Wir vertrauen Burgos. Und es ist wichtig, einem Assistenten zu vertrauen."

Weil Burgos Atletico nun mal perfekt verkörpert. So wie er ist auch die Spielweise der Colchoneros: hart, kompromisslos, leidenschaftlich. Fußball wird nicht immer gespielt, oft wird er gearbeitet. Das gefällt Burgos. "Ich hätte nie bei Real Madrid spielen können, so wie ich aussah. Sie hätten mich gezwungen, meine Haare zu schneiden", sagte Burgos einmal. "Atletico aber ist gleichbedeutend mit Arbeitern. Die Fans sind Maurer und Taxifahrer." Und wie ein Kesselflicker wird Burgos auch heute wieder fluchen, wenn etwas schief läuft.

Christoph Laskowski