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Forlan: "Davon träumen alle in Uruguay"

Der 37-jährige Stürmer im großen kicker-Interview

Forlan: "Davon träumen alle in Uruguay"

Denkt noch nicht ans Karriereende: Penarol-Stürmer Diego Forlan.

Denkt noch nicht ans Karriereende: Penarol-Stürmer Diego Forlan. imago

kicker: Herr Forlan, Herzlichen Glückwunsch, wie wird denn gefeiert? Diego Forlan: Hoffentlich bald mit der Meisterschaft. Dazu war es wichtig, dass wir am Sonntag im Clasico ganz am Schluss noch ein 2:2 gegen Nacional gerettet haben. Alles ist noch drin. kicker: Sie haben die große Zeit ihrer Karriere in Argentinien, England und vor allem Spanien verbracht, zuletzt Brasilien und Japan. Erfüllen Sie sich momentan einen lang gehegten Jugendtraum? Forlan: Auf alle Fälle. Jeder Junge in Uruguay will für Penarol oder Nacional spielen. Damit wächst man auf. Für solche Erlebnisse spielt man Fußball. kicker: Sie haben mit Atletico Madrid oft gegen Real Madrid gespielt. Ist der Clasico zwischen Penarol und Nacional im Vergleich dazu nochmal emotionaler, allein schon durch das südamerikanische Temperament? Forlan: Montevideo und Uruguay sind mein Zuhause. Für einen Spanier ist dieser Clasico vielleicht nicht so bedeutend, und in Deutschland finden die Leute natürlich eine Paarung Bayern gegen Dortmund wie jetzt im Finale interessanter. Aber ich bin bei Penarol gegen Nacional natürlich mit ganz spezieller Leidenschaft dabei. Die eines Einheimischen, die kann man nicht erlernen, um es so zu sagen.

kicker: Sie haben es angesprochen: Bayern gegen Dortmund. Wer gewinnt? Forlan: Keine Ahnung. Das sind zwei Superteams, und in einem Finale ist immer alles möglich. Es wird bestimmt rassig. kicker: Penarol hat im Dezember das Torneo Apertura gewonnen, also die Hinrundenmeisterschaft in Uruguay. Bald steht das große Finale gegen den Clausura-Meister an, den Champion der Rückrunde. Zuversichtlich? Forlan: Natürlich, wir haben nächste Woche in der regulären Runde noch das direkte Duell mit Plaza Colonia, die sind Tabellenführer. Wir haben es selbst in der Hand. kicker: Ihr ehemaliger Nationalelf-Kollege, der Ex-Schalker Dario Rodriguez, ist mittlerweile Co-Trainer. Wie ist die Zusammenarbeit? Forlan: Gut. Dario will immer gewinnen, wie ich, wie wir alle bei Penarol, dem größten Klub in Uruguay. Dario ist ein Kämpfer, wie früher auf dem Platz.

Spielersteckbrief Forlan
Forlan

Forlan Diego

Ich kann mir gar nicht vorstellen, aufzuhören.

Diego Forlan

kicker: Rodriguez kam 2008 von Schalke nach Uruguay zu Penarol zurück. Vor gut einem Jahr hat er seine aktive Karriere mit 40 Jahren beendet. Sie sind jetzt 37, ihr Vertrag läuft bis Jahresende. Was kommt dann? Forlan: Ich möchte noch weiterspielen, solange es geht. Es macht mir immer noch viel Spaß. Ich kann mir gar nicht vorstellen, aufzuhören. kicker: 2011 stand Penarol mit Dario Rodriguez im Finale der Copa Libertadores, verlor damals gegen Santos mit dem ganz jungen Neymar. Ein möglicher Copa-Sieg 2017, es wäre der erste seit 1987 für den fünfmaligen Copa-Triumphator Penarol, wäre das ein passendes Highlight für einen Rücktritt? Forlan: Ein Copa-Sieg wäre traumhaft. Aber nochmal: Ich setzte mir kein Limit, was das Alter anbelangt. kicker: Apropos Limit: Haben Sie Ihrem Landsmann Luis Suarez schon zum Gewinn des Goldenen Schuhs gratuliert? Forlan: Ja, ich freue mich für ihn. Von so einem Preis träumen alle Jungs in Uruguay, die irgendwo an einer Straßenecke bolzen. Ich habe Luis schon als jungen Spieler kennengelernt. Es ist toll, dass er mit Barça Erfolg hat und mit seinen Toren auch Uruguay auf die Landkarte bringt.

Suarez und Forlan

"Man sah damals schon den kommenden Topstürmer in ihm": Diego Forlan über den "kleinen Bruder" Luis Suarez. imago

kicker: Suarez sagte dem kicker mal: "Forlan war für mich wie ein großer Bruder." Fühlen Sie sich als sein Mentor? Forlan: Ich habe ihm als älterer Profi in der Nationalmannschaft Ratschläge gegeben, er sollte von meiner Erfahrung profitieren, und mir hat das auch viel Spaß gemacht. Man sah ja damals schon den kommenden Topstürmer in ihm. kicker: Wie wirkte denn der junge Suarez auf Sie? Forlan: Er hatte schon diesen riesigen Siegeswillen, war ein physischer Spieler mit klasse Torinstinkt, zugleich war er technisch stärker, als viele denken. kicker: Suarez ist der erste Angreifer seit Ihnen 2009, der in Spanien Torschützenkönig wird und damit nach sechs Jahren Lionel Messi und Cristiano Ronaldo ablöst. Da schließt sich der Kreis. Forlan: Für mich ist Luis fraglos einer der drei, vier besten Stürmer der Welt.

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kicker: 1996/97 hatte der Brasilianer Ronaldo 34 Ligatore für Barça erzielt. Sie waren 2008/09 mit 32 Toren für Atletico der Erste, der nach zwölf Jahren in Spanien wieder die 30-Tore-Grenze knackte. War es damals schwieriger zu treffen als heute, wo es Suarez, Messi und Cristiano Ronaldo Jahr für Jahr krachen lassen? Forlan: Da müsste ich mich ja selbst loben, wenn ich das bejahe. Es ist doch so: Über die Klasse von Messi und Cristiano muss man nichts sagen, aber auch die Qualitäten von Luis stehen außer Zweifel. kicker: Auch die Bisse gegen Gegner wie einst? Forlan: Privat ist Luis ein ganz ruhiger und liebenswerter Kerl. Auch auf dem Platz hat er in dieser Beziehung dazugelernt. Ihn bringt nichts mehr aus der Ruhe. kicker: Was erwarten Sie von der Celeste bei der Copa America Centenario im Juni in den USA? Als 15-maliger Rekordsieger der Copa müsste für Uruguay doch nur der Sieg zählen, zumal Uruguay auch das erste Turnier 1916 gewann? Forlan: Natürlich will Uruguay gewinnen, aber die Spitze ist mittlerweile so stark und breit in Südamerika, das wird sehr schwer, und Mexiko und die USA sind auch dabei. Das wird bestimmt ein tolles Turnier.

Forlan mit dem Goldenen Schuh im Trikot Atletico von Atletico Madrid

Goldjunge: Diego Forlan sammelte zahlreiche individuelle Trophäen für seine Vitrine. imago

kicker: War der Copa-Sieg 2011 ausgerechnet beim großen Rivalen Argentinien der größte Erfolg Ihrer Karriere? Forlan: Erfolg mit der Mannschaft stand für mich immer über allen persönlichen Auszeichnungen wie etwa die zwei "Pichichis" oder der Goldene Schuh. kicker: War Ihnen auch die Auszeichnung als "Bester Spieler" der WM 2010 in Südafrika nicht so wichtig? Forlan: Doch, natürlich hat mich das sehr stolz gemacht. Aber diese Auszeichnung war nur möglich, weil wir mit Uruguay so eine tolle WM gespielt haben und erst gegen Deutschland im Spiel um Platz drei verloren haben. Es kommt immer auch auf die Mannschaft an. kicker: WM-Vierter, das hatte es für Uruguay zuvor zuletzt 1970 gegeben. Was zeichnet die Mannschaft seit nunmehr sechs, acht Jahren aus, das die "Celeste" wieder so stark auftrumpft? Forlan: Die konstant gute Arbeit des Maestro (d. Red.: Nationaltrainer Oscar Washington Tabarez), die Organisation auf dem Platz, die Klasse unserer Einzelspieler, die Spiele entscheiden können, egal ob in der Offensive oder der Defensive. Und natürlich das seit Jahren gestiegene Selbstvertrauen. Uruguay hat einfach eine Top-Mannschaft. kicker: Werden Sie bei der Copa in den USA vor Ort sein als ehemaliger Star des Teams? Forlan: Weiß ich wirklich noch nicht. kicker: Hängt das auch von ihrem kleinen Jungen ab, der vor drei Monaten zur Welt kam und der im Hintergrund zu hören ist? Forlan: Ja, Martin will die gesamte Aufmerksamkeit. Aber ich freue mich sehr über alles, was er macht, Martin ist mein erstes Kind. Ich bin sehr glücklich.

Interview: Jörg Wolfrum